Seit dem 2.12.2020 gilt das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“. Durch dieses Gesetz wurde das UWG, das wettbewerbsrechtliche Abmahnungen regelt, erheblich verändert. Ziel des Gesetzgebers war es, insbesondere Internethändler besser vor Abmahnungen zu schützen.
So gibt es nunmehr Formvorschriften für eine Abmahnung. § 13 Abs. 2 UWG regelt, was in einer Abmahnung klar und verständlich angegeben werden muss. Zu diesen Formvorschriften gehört z.B. gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG die Information darüber, ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch (Abmahnkosten) geltend gemacht werden kann und wie sich dieser berechnet. Bei Formfehlern kann der Abmahner keine Abmahnkosten geltend machen. Vielmehr kann der Abgemahnte seine Rechtsverteidigungskosten gegenüber dem Abmahner geltend machen.
Wettbewerber dürfen bei einem erstmaligen Verstoß gegen Informationspflichten im Internet weder Abmahnkosten geltend machen noch eine Unterlassungserklärung mit einer Vertragsstrafe fordern. Gemäß § 13a Abs. 2 UWG kann der Abmahner erst bei einer weiteren Abmahnung wegen des Verstoßes gegen Informationspflichten im Internet eine Unterlassungserklärung mit einer Vertragsstrafe geltend machen. Auch in diesem Fall können jedoch keine Abmahnkosten geltend gemacht werden.
Der Gesetzgeber hat ferner in § 14 Abs. 2 UWG geregelt, dass bei Abmahnungen wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien kein fliegender Gerichtsstand mehr gilt. Hintergrund dieser Regelung ist, dass in der Vergangenheit bei Verstößen im Internet sich der Abmahner das Gericht in Deutschland aussuchen konnte, wo er seine Unterlassungsansprüche gerichtlich durchsetzen wollte. Dies hatte zur Folge, dass aus Sicht der Abmahner die Gerichte besonders beliebt waren, die auch für einfachste Verstöße hohe Streitwerte angenommen hatten.
Resümee nach 2 Monaten: Es hat sich nur wenig geändert
Die Rechtsanwälte von internetrecht-rostock.de beraten seit vielen Jahren abgemahnte Internethändler. Nach unserem Eindruck gibt es zwar etwas weniger abgemahnte Internethändler. Das Gesetz hat jedoch, so unsere Einschätzung, sein Ziel in einigen Punkten verfehlt. Internethändler sind nicht wirklich durch die Gesetzesänderung vor wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen geschützt. Diese Einschätzung möchten wir anhand einiger Beispiele aus unserer Beratungspraxis erläutern.
Informationspflichtenverstoß? Nenn es einfach Irreführung
Bei einem Verstoß gegen Informationspflichten im Internet (der Gesetzentwurf nennt hier z.B. Informationen über das Impressum, die Widerrufsbelehrung oder die Umsetzung der Preisangabenverordnung) darf durch einen Mitbewerber nicht mehr kostenpflichtig abgemahnt werden, bei einer erstmaligen Abmahnung auch keine Unterlassungserklärung mit einer Vertragsstrafe gefordert werden. Wenn ein Verkäufer bei eBay als privater Verkäufer sehr umfangreich Waren anbietet, ist er schnell im Rechtssinne aufgrund des Umfangs Gewerbetreibender. Gewerbliche eBay-Verkäufer benötigen ein Impressum, eine Widerrufsbelehrung, einen Link auf die OS-Plattform etc. Nach altem Recht waren all diese Fehler Gegenstand der Abmahnung und der Unterlassungserklärung. Jetzt wird nur noch, was durchaus möglich ist, abgemahnt, dass der Verkäufer über seine Eigenschaft als Gewerbetreibender täuscht. In diesem Fall können eine strafbewehrte Unterlassungserklärung sowie Abmahnkosten gefordert werden. Die Abmahnkosten sind die gleichen wie nach altem Recht.
Kostenpflichtige Abmahnthemen statt Verstöße gegen Informationspflichten
Ebenfalls beobachten wir aus unserer Beratungspraxis, dass Abmahner, die früher Verstöße gegen Informationspflichten, z.B. ein fehlender Link auf die OS-Plattform, abmahnten, nunmehr einfach das Thema wechseln. „Beliebt“ ist eine fehlende Registrierung nach Elektrogesetz oder Verpackungsgesetz oder die irreführende Werbung mit Produkteigenschaften. In diesen Fällen können sowohl eine strafbewehrte Unterlassungserklärung als auch Abmahnkosten gefordert werden.
Information über Abmahnkosten – welche Information reicht aus?
Gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG muss in der Abmahnung klar und verständlich erläutert werden, wie sich die Abmahnkosten berechnen. Die Höhe der Abmahnkosten ergibt sich zum einen aus dem Gegenstandswert, zum anderen aus der konkreten Berechnung nach Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Gerade die Frage, wie hoch der Gegenstandswert ist, ist für die Höhe der Abmahnkosten entscheidend. Muss in einer Abmahnung, gegebenenfalls unter Bezug auf Rechtsprechung zum gleichen Abmahnthema, erläutert werden, wie der Abmahner auf den Gegenstandswert kommt? Während im Dezember 2020 unter Wettbewerbsrechtlern noch überwiegend die Ansicht vertreten wurde, dass es in einer Abmahnung konkrete Informationen dazu geben müsse, wie sich die Höhe des Gegenstandswertes berechnet, ist es nunmehr einfacher. In einem Standardkommentar zum UWG zum neuen Recht heißt es nunmehr nur noch, dass es eine Berechnung nach Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geben müsse. Letztlich werden die Gerichte entscheiden müssen, welche Information ausreichend ist.
Fliegender Gerichtsstand – bleibt es doch dabei?
Durch den Wegfall des fliegenden Gerichtsstandes bei Abmahnungen wegen einer Zuwiderhandlung im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien haben viele Landgerichte, die bisher umfangreich im Wettbewerbsrecht gehandelt haben, nicht mehr so viel zu tun. Dazu zählen Gerichte im Bezirk des OLG Hamm (z.B. Bielefeld, Bochum, Essen und Münster), wie aber auch Hamburg, Berlin, München oder Frankfurt. In einigen OLG-Bezirken sind die Streitwerte auch für einfache Verstöße wie z.B. eine fehlende oder falsche Widerrufsbelehrung relativ hoch. Der Vorteil des fliegenden Gerichtsstandes war auf der anderen Seite jedoch auch, dass ein Landgericht, das sich häufig mit Wettbewerbsverstößen im Internet befasst, sehr sachkundig ist.
Es gibt bereits erste Gerichte, die die gesetzliche Einschränkung sehr großzügig auslegen. So nimmt z.B. das Landgericht Düsseldorf an, dass der fliegende Gerichtsstand nur dann nicht gilt, wenn es sich bei der wettbewerbswidrigen Handlung gerade um einen solchen Verstoß handelt, der ausschließlich im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangen werden kann. Handlungen, die auch in anderen Medien begangen werden können, fallen somit nicht unter den Ausschluss des fliegenden Gerichtsstandes gemäß § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG. Wettbewerbsrechtliche Kammern bei Landgerichten, die nun plötzlich sehr viel weniger neue Verfahren haben, werden daher, so unsere Vermutung, versuchen, die Neuregelungen des Gesetzgebers sehr großzügig auszulegen. Eine rechtliche Klärung wird letztlich durch die Oberlandesgerichte und den Bundesgerichtshof erfolgen.
Die neue Rolle der Abmahnvereine
Von den Einschränkungen des neuen UWG zunächst ausgenommen sind Abmahnvereine (Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen), wie z.B. der IDO – Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e. V. Abmahnvereine dürfen auch weiterhin die Verletzung von Informationspflichten im Internet kostenpflichtig abmahnen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung fordern. Nach unserem Eindruck sind sich einige Abmahnvereine Ihrer neuen Rolle sehr wohl bewusst. Eine Veränderung der Anzahl der Abmahnungen von Abmahnvereinen nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes konnten wir nicht feststellen.
Fazit: Gut gedacht, schlecht gemacht?
Inwieweit die Änderung des UWG durch das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ zu einer wirklich spürbaren Verbesserung der Abmahner-Situation von Internethändlern führt, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar. Dem Gesetzgeber kann man nach unserer Auffassung keinen Vorwurf machen. Es ist eine Klärung der vielen offenen Fragen in der Rechtsprechung abzuwarten, von der wir befürchten, dass diese nicht im Sinne der Händler entscheiden wird.
Über Rechtsanwalt Johannes Richard
Rechtsanwalt Johannes Richard ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner der Kanzlei Richard & Kempcke. Er betreibt die Internetseite internetrecht-rostock.de und berät seit vielen Jahren Shopbetreiber und Abgemahnte.
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Es ist ja wohl sehr zu begrüßen, dass weiterhin jeder, der über seine Eigenschaft als Gewerbetreibender täuscht, eine fehlende Registrierung nach Elektrogesetz oder Verpackungsgesetz hat oder irreführende Werbung mit Produkteigenschaften betreibt, abgemahnt wird! Diesen Gestalten muss das Handwerk gelegt werden und sehr gerne mit hohen Streitwerten. Denn JEDER der sich so verhält, tut das mit voller Absicht und schadet damit den ehrlichen Verkäufern.
Es muss aber auch in Deutschland möglich sein, als privater Verkäufer verkaufen zu können, ohne gleich nach 25 Verkäufen als gewerblicher Anbieter eingestuft zu werden. Umgekehrt gibt es auch genügend gewerbliche Anbieter, die ein “zweites” Standbein als “privater” Anbieter nutzen.
Das Wettbewerbsrecht in Deutschland ist in Europa ohne Beispiel. Es dient lediglich dazu, außerhalb stattlicher Kontrolle oder Aufsicht ein zügelloses und ausuferndes Verhalten bestimmter Gruppen zu ermöglichen.
Diese privatrechtlichen Möglichkeiten nach dem sog. “Lauterbarkeitsrecht” sollten umgehend wieder in staatliche Hände zurückgeführt werden – wie jedes andere Gesetz mit Sanktions-möglichkeiten auch.
Sanktionen werden dann eben von einer staatlichen Behörde verhängt – wie in anderen Ländern auch.
Ich bin sehr erfreut darüber, dass der Gesetzgeber das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs erlassen hat. Ich war außerdem gerührt von der Einsicht und dem Bemühen unserer Politiker, das Abmahnunwesen endlich beenden zu wollen. Den Tag der Verabschiedung des Gesetzes empfand ich als Befreiung.
Wenn ich aber heute den Artikel hier oben lese, so bin ich leider nicht mehr so optimistisch. Möglicherweise lassen sich findige Abmahnungen durch die Gesetzesänderung gar nicht so sehr eindämmen, wie es wünschenswert wäre.
Vielleicht ist es deshalb an der Zeit, die Einhaltung der Wettbewerbsregeln einer Behörde zu überlassen, anstelle Abmahnvereinen und Wettbewerbern. Jedenfalls fände ich eine behördliche Kontrolle sachlicher, unaufgeregter und sehr viel vertrauenswürdiger.
Ich halte die Praxis der ABmahnungen in Deutschland für wettbewerbsverzerrend. Meine ausländischen Kollegen schmunzeln nur darüber, bzw. schauen mich fragend-mitleidig an!
Natürlich wäre es schön, gäbe es eine Organisation, die für die Einhaltimg des fairen Wettbewerbs, der Regeln im Allgemeinen eintritt. Doch müsste wohl wesentlich differenzierter Vorgegangen werden, z.B. ob mit dem begagenem Verstoß überhaupt ein Wettbewerbsvorteil eingetreten ist und welche wirtschaftliche Bedeutung dieser hat. Es dürfte ein kleiner Unterschied darin bestehen, ob ein bundesweit aktiver Lebensmittelfilialist mit einer ganzseitigen Anzeige mit einem Gütesiegel an einem Produkt von heute wirbt, wenn das Gütesiegel das Produkt vom vorangegangenem Jahr zu Teil wurde oder ob jemand in der Impressumsangabe “GbR” vergisst oder nicht beide Vornamen nennt.
Respektive vielleicht müsste auch die Absicht der Abmahnvereine auf den Prüfstand, die wohl weniger das Gemeinwohl, als vielmehr deren Kassen im Blick haben. Wären sie so daran interessiert, die Allgemeinheit zu schützen, wäre es dann nicht vielleicht sinniger die Deliquenten zuächst auf den Misstand aufmerksam zu machen und um Abhilfe zu mahnen, als gleich eine Kostennote zu übersenden? Die zunächst klein erscheint, aber sie in der Hinterhand bereits der Verstoß gegen eine unspezifische Unterlassungserklärung lauert, die dann richtig teuer und gerade für kleinere Unternehmen gar existenzbedrohend sind. IDO oder auch der “Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb” sehe ich eher als “rechtsmißbräuchliche” «Parasiten», da gibt es noch etwas zu reformieren.
Also Ebay Verkäufer mit vielen Verkäufen und Artikeln… sowas sehe ich generell nicht als privat.
Klar ist das alles übertrieben aber wie unterscheidet sich denn ein Händler mit einem Shop von 100 Artikeln mit einem privaten Verkäufer mit genau so vielen Artikeln?
Noch besser waren die ganzen privaten Verkäufer auf Dawanda. Tausende Ohrringe hergestellt und mit Gewinnerzielungsabsicht dort eingestellt und dann jammern, wenn die Abmahnung kommt.
Nicht wissen oder keinen Bock zu haben was zu wissen schützt vor Strafe selten.