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OLG Hamm: Meldung eines Verstoßes des Mitbewerbers ist kein „Anschwärzen“

Das UWG enthält in § 4 ausdrücklich Bestimmungen zum Mitbewerberschutz. Wer Mitbewerber gezielt behindert, verunglimpft oder herabsetzt, handelt unlauter. Das OLG Hamm (Urt. v. 8.10.2020 – 4 U 7/20) entschied nun, dass kein Wettbewerbsverstoß vorliege, wenn ein Unternehmer einen Mitbewerber wegen eines tatsächlichen Rechtsverstoßes beim Plattformbetreiber meldet.

Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte vertreiben Lampen und Leuchten über Amazon. Am 3.6.2019 erhielt die Klägerin Kenntnis von zwei Angeboten der Beklagten, die nicht den Vorgaben der delegierten VO (EU) 874/2012 zur Kennzeichnung von elektrischen Lampen und Leuchten entsprachen und meldete diese an den Plattformbetreiber. Amazon entfernte diese beiden Angebote daraufhin und zudem 10 weitere Angebote der Beklagten. Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin anwaltlich abmahnen. Die Beschwerde bei dem Plattformbetreiber sei unlauter gewesen und stelle eine aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a UWG, eine Anschwärzung nach § 4 Nr. 2 UWG und eine gezielte Behinderung i.S.d. § 4 Nr. 4 UWG dar. Sie forderte Unterlassung und Ersatz der Abmahnkosten. Den ihr entstandenen Schaden bezifferte sie auf 191.000 €. Die Klägerin wiederum ließ die Beklagte abmahnen und verlangte es zu unterlassen, Leuchten ohne die entsprechenden Informationen zur Energieeffizienzklasse zu bewerben. Die Klägerin klagte nun auf Feststellung, dass die gegen sie geltend gemachten Ansprüche nicht bestehen.

Bereits die Vorinstanz (LG Bochum, Urt. v. 27.11.2019 – 13 O 109/19) hat ihrer Klage in vollem Umfang stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Das OLG Hamm entschied, dass der Beklagten gegen die Klägerin unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt ein Unterlassungsanspruch zustehe. Die Beschwerde bei dem Plattformbetreiber stelle keine unlautere geschäftliche Handlung dar.

Keine aggressive geschäftliche Handlung

Das Gericht stellte klar, dass es sich bei der Beschwerde nicht um eine aggressive geschäftliche Handling nach § 4a UWG gehandelt habe.

Eine solche geschäftliche Handlung setzt nach § 4a Abs. 1 Satz 2 UWG eine Belästigung, eine Nötigung oder eine unzulässige Beeinflussung voraus. Dass die Klägerin den „B“-Plattformbetreiber mit ihrer Beschwerde belästigt oder genötigt hat, ist nicht ersichtlich. Auch eine unzulässige Beeinflussung liegt nicht vor. Nach § 4a Abs. 1 Satz 3 UWG liegt eine unzulässige Beeinflussung vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt. Hierfür fehlt jeglicher Anhaltspunkt.

Keine Anschwärzung

Es habe sich auch um keine Anschwärzung i.S.d. § 4 Nr. 2 UWG gehandelt. Eine solche Anschwärzung setze nach dem Wortlaut der Vorschrift die Behauptung oder Verbreitung falscher oder nicht erweislich wahrer Tatsachen voraus. Hierfür liege kein Anhaltspunkt vor.

Dass die Klägerin über die beiden unter (1) genannten Produktangebote falsche oder nicht erweislich wahre Tatsachen behauptet hat, ist nicht ersichtlich. Es wäre ohnehin unsinnig, gegenüber dem „B“-Plattformbetreiber unrichtige Tatsachen über den Wortlaut oder die sonstige Gestaltung von Produktangeboten auf seiner eigenen Internetplattform zu behaupten.

Keine Verunglimpfung

Die Beschwerde der Beklagten habe auch keine Herabsetzung oder Verunglimpfung der Beklagten nach § 4 Nr. 1 UWG enthalten. Vielmehr sei die geäußerte Rechtsauffassung, dass die Darstellung nicht den Anforderungen der Energieverbrauchskennzeichnung genügte, zutreffend gewesen.

Die beiden hier in Rede stehenden „B“-Produktangebote der Beklagten zu 1) richteten sich – jedenfalls auch – an Endnutzer. […] Nach Anhang VIII Nr. 3 lit. a) der VO (EU) Nr. 874/2012 musste das als „Link“ für den Zugang zum Etikett genutzte Bild bei einer geschachtelten Anzeige ein Pfeil in der Farbe der Energieeffizienzklasse des Produkts auf dem Etikett sein; Anhang VIII Nr. 3 litt. b) und c) der VO (EU) Nr. 874/2012 enthielten weitere Vorgaben für die Gestaltung dieses Pfeils. Dieser Pfeil musste wiederum nach Anhang VIII Nr. 4 lit. a) der VO (EU) Nr. 874/2012 in der Nähe des Produktpreises dargestellt werden. Die beiden hier in Rede stehenden Produktangebote der Beklagten zu 1) enthielten in der Nähe des jeweiligen Produktpreises weder ein den Vorgaben des Anhanges I der VO (EU) Nr. 874/2012 entsprechendes Etikett noch einen den oben dargestellten Vorgaben entsprechenden „Link“ für eine „geschachtelte Anzeige“ des Etiketts.

Keine gezielte Behinderung

Die Beschwerde der Klägerin bei dem Plattformbetreiber sei auch nicht als gezielte Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG zu werten. Das Gericht stellte klar, dass nicht jede Behinderung eines Mitbewerbers dieser Regelung unterfalle. Für eine solche Annahme müssten besondere, die Unlauterkeit begründende Umstände hinzutreten. Solche Umstände seien jedoch nicht ersichtlich. Zum einen habe tatsächlich ein Wettbewerbsverstoß vorgelegen, zum anderen seien keine sachfremden Interessen für die Abgabe der Beschwerde ersichtlich.

Dass die Klägerin ihre Beschwerde an den Plattformbetreiber aus sachfremden – wettbewerbsfremden – Interessen abgesetzt hat, ist nicht ersichtlich. Dass die Klägerin zunächst den Weg der Beschwerde an den Plattformbetreiber gewählt hat, der überdies schnell und effizient zu einer Entfernung der nicht gesetzeskonformen Produktangebote aus dem Internet geführt hat, und nicht sofort eine gegebenenfalls Kostenerstattungsansprüche auslösende Abmahnung ausgesprochen hat, spricht im Gegenteil dafür, dass ihr Vorgehen dem Interesse an einem lauteren, gesetzeskonformen Wettbewerb entsprang.

Kein Missbrauch des Infringement-Verfahrens

Die Beklagte hatte zudem behauptet, die Klägerin habe für ihre Beschwerde das für die Meldung von Verletzungen gewerblicher Schutzrechte vorgesehene Verfahren des Plattformbetreibers zum Zwecke einer gezielten Absatzbehinderung missbraucht. Ein solcher Missbrauch sei vorliegend jedoch nicht ersichtlich, so das OLG Hamm.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe dieses Verfahren nicht genutzt, sondern sich vielmehr direkt an die Rechtsabteilung des Plattformbetreibers gewandt. Hierfür spricht auch der Wortlaut der beiden E-Mails vom 11.06.2019 und vom 26.07.2019, in denen von einer Verletzung gewerblicher Schutzrechte nicht die Rede ist, sondern ausdrücklich auf eine Zuwiderhandlung gegen Anhang VIII der VO (EU) Nr. 874/2012 abgestellt wird. Das Vorbringen der Beklagten zu einem angeblichen Missbrauch des „Infringement“-Verfahrens ist vor diesem Hintergrund substanzlos und geht über bloße Vermutungen nicht hinaus.

Fazit

Wer Wettbewerbsverstöße seines Mitbewerbers an den Plattformbetreiber meldet, sollte sich sicher sein, dass die beanstandeten Verstöße auch tatsächlich bestehen. Bei unberechtigten Meldungen kann eine unzulässige geschäftliche Handlung begründet werden, die zu Abmahnungen und Schadensersatzansprüchen führen kann. Ist die Beschwerde hingegen berechtigt und der Plattformbetreiber entfernt daraufhin die Angebote des Mitbewerbers, stellt dies keinen Wettbewerbsverstoß dar, wie das OLG Hamm nun entschied.

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