Stellen die Vorschriften des Europäischen Übereinkommens über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG dar? Mit dieser Frage beschäftigte sich das Landgericht Memmingen (Urt. v. 25.09.2019 – 2 HK O 866/19, nicht rechtskräftig).
Das LG Memmingen entschied nun, dass es sich beim Fehlen einer erforderlichen Kennzeichnung nach der ADR um keinen Wettbewerbsverstoß handelt.
Der Sachverhalt
Die Klägerin vertreibt über ihren eBay Shop Werkstatt- und Heimwerkerartikel. Die Beklagte betreibt ebenfalls einen eBay Shop, über den sie Produkte aus dem gleichen Warensegment vertreibt. Im Rahmen ihres Online-Handels verkaufte die Beklagte einen Kleber, ohne die Transportverpackung, mit der die bestellte Ware ausgeliefert wurde, mit dem folgenden Kennzeichen zu versehen:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gefährliche Güter des Werkstatt- und Heimwerkerbedarfs über den Güterverkehr auf der Straße zu versenden, ohne die für die Beförderung verwendete Verpackung ordnungsgemäß mit dem obigen Kennzeichen zu versehen.
Rechtlicher Hintergrund
Das Europäische Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) enthält Vorschriften für die Verpackung, Kennzeichnung und Dokumentation gefährlicher Güter. Des Weiteren enthält das Übereinkommen Vorgaben für den Umgang mit den gefährlichen Gütern während des Transports. Bei der Beförderung bestimmter gefährlicher Güter schreibt die ADR insbesondere vor, dass bei bestimmten Produkten die Verpackung mit dem oben dargestellten Kennzeichen zu versehen ist.
Kennzeichnung von Versandstücken
So sieht 3.4.7. der Anlage A der ADR eine Kennzeichnung von Versandstücken vor, die „begrenzte Mengen“ enthalten. In diesem Fall muss das oben dargestellte Kennzeichen leicht erkennbar und lesbar auf der Verpackung des Versandstückes sein. Onlinehändler versenden durchaus Produkte, für die spezielle Kennzeichnungspflichten nach der Anlage A der ADR gelten.
ADR stellt keine Marktverhaltensregelung dar
Nach der Entscheidung des LG Memmingen ist eine fehlende Kennzeichnung des Versandstückes nach den Vorschriften der ADR jedoch zwischen Onlinehändlern nicht wettbewerbswidrig und kann somit nicht abgemahnt werden.
Das LG Memmingen vertritt die Ansicht, dass die ADR keine Marktverhaltensregelung i. S. v. § 3a UWG darstellt. Daher bestehe auch kein Unterlassungsanspruch der Klägerin aus § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, § 3 Abs. l. § 3a UWG i.V.m. den Regelungen der ADR.
Im Übrigen ist der Verfügungsantrag auch unbegründet, weil die ADR keine Marktverhaltensregelung i. S. v. § 3a UWG darstellt. Die Verfügungsklägerin hat daher gegen die Verfügungsbeklagte keinen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1,3 Nr. 1, §3 Abs. l. § 3a UWG i.V.m. den Regelungen des ADR. Andere Rechtsgrundlagen kommen nicht in Betracht. Insbesondere stellt ein etwaiger Verstoß gegen Regelungen ohne Marktbezug keine unlautere geschäftliche Handlung gemäß § 3 UWG dar, wenn die Handlung nicht den Tatbestand anderer spezieller wettbewerbsrechtlicher Normen gemäß §§ 4 ff. UWG verwirklicht. Ein Rechtsbruch begründet einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gemäß § 3a UWG nur, wenn die betroffene Vorschrift eine Regelung des Marktverhaltens zum Gegenstand hat.
ADR ist kein Schutzgesetz
Die Begründung des LG Memmingen ist nachvollziehbar. Das LG Memmingen vertritt die zutreffende Ansicht, dass die ADR lediglich die Sicherheit des Transportes nicht aber den Mitbewerber- oder Verbraucherschutz betrifft.
Als Marktverhalten ist die Tätigkeit auf einem Markt anzusehen, die objektiv der Förderung des Absatzes oder Bezugs dient und durch die ein Unternehmer auf Mitbewerber, Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer einwirkt (Köhler, aaO, § 3a Tz. 1.62). Vorschriften des Straßen- und Wegerechts stellen keine Marktverhaltensregelung dar, da sie weder den Mitbewerber noch den Verbraucherschutz, sondern der Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs dienen (Köhler, aaO Tz. 1.73). Die ADR betrifft lediglich die Sicherheit des Transports, nicht aber den Mitbewerber- oder Verbraucherschutz.
Über Rechtsanwalt Johannes Richard
Rechtsanwalt Johannes Richard ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Partner der Kanzlei Richard & Kempcke. Er betreibt die Internetseite internetrecht-rostock.de und berät seit vielen Jahren Shopbetreiber und Abgemahnte.
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Einen Wettbewerbsvorteil erschleicht sich der Händler dadurch meiner Meinung sehr wohl. Er muss sein Personal nicht für Gefahrgutabwicklung schulen, muss keine Warnaufkleber vorhalten und aufkleben. Er verstößt womöglich gegen die AGB des Paketversenders, indem er ihm undeklariertes Gefahrgut unterjubelt. Gefahrgutversand ist teurer und man benötigt bestimmte Verträge mit den meisten Paketdienstleistern.
Ausserdem entsteht eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer. Wenn der Lastwagen im Tunnel Feuer fängt und das undeklarierte Gefahrgut an Bord ein Inferno verantstaltet dann ist hinterher die Betroffenheit groß!. Muss es erst soweit kommen?
Wie könnte der Händler sich denn gegen solche Versender wehren? Welches Amt ist für die Überwachung zuständig?
Das sind ja nur die Fällen, von denen wir Wissen, wie kleine Unternehmen tricksen. Wie sieht es mit den großen Unternehmsriesen in Deutschland ist. Ich lese nur noch, dass betrogen wird. Es scheint so zu sein, dass man nur Geld verdienen kann, wenn man betrügt….Legal scheint durch Steuern und anderen Belastungen kein Geld mehr zu verdienen zu sein.
Ich sehe es auch wie Joachim, was sich die Richter hier gedacht haben erschließt sich mir nicht. Womöglich sollten die Damen und Herren eine Schulung zum Thema Gefahrgut absolvieren um den Sachverhalt beurteilen zu können.
Abgesehen hat Joachim hier schon einige Beispiele genannt, aber es spielen noch eine Reihe anderer Faktoren eine Rolle. Natürlich kostet es teilweise 100% mehr einen Gefahrgutversand vorzunehmen. Aber auch besteht ein erhebliches Schutzinteresse der Mitbewerber und Verbraucher. Hier zb anzuführen die Übergabe des Versanddienstleister an den Kunden. Heutzutage ist es üblich bei DHL, dass man Sendungen einfach in den Briefkasten legt. Was passiert nun, wenn diese Sendung eine entzündliche Flüssigkeit enthält? Es ist üblich, dass Siedepunkte bereits ab 30°C normal sind. Im Briefkasten und im Sommer könnte es somit zu einer Kettenreaktion kommen, im schlimmsten Fall beginnt dieser zu brennen. Kein Schutzinteresse? Schlafen die Richter?
Aber auch der Schutz der Marktteilnehmer ist hier vorrangig, es beginnt bei den Mitarbeitern im Versand die entsprechende geschult sein müssen, bei den Mitbewerbern (Personal und Gebäude – Gefahrgutlager) den Mitarbeitern der Versanddienstleistern (War hier nicht erst eine Schlagzeile von wegen bei Hermes sind 2 Mitarbeiter am gleichen Tag gestorben? ), Kunden die mehrere Sendungen erhalten und insbesondere Gefahrgut dann doch vorsichtig behandeln sollten. Man denke einmal an den Kunden, der 5 Sendungen erhält und erstmal alles in die Ecke wirft. Dabei sollte der Gefahrgutinhalt besonders vorsichtig behandelt werden. Ein Teddy macht es nichts aus, eine Flüssigkeit zb schon eher. Diese Kann dabei zu Bruch gehen und hier liegt ein Schutzinteresse des Verbrauchers vor.