Die Textilkennzeichnungsverordnung (VO [EU] Nr. 1007/2011) enthält bestimmte Vorschriften, wie Textilerzeugnisse gekennzeichnet werden müssen. Diese gelten auch im Online-Handel. Der BGH (Urt. v. 31.10.2018 – I ZR 73/17) hat entschieden, dass die Bezeichnung „Cotton“ statt „Baumwolle“ zwar gegen die TextilkennzVO verstoße, die Verbraucherinteressen hierdurch jedoch nicht spürbar beeinträchtigt seien.

Die Beklagte verkaufte über Amazon Jogginghosen, deren textile Zusammensetzung sie auf den Verpackungen und dem Etikett mit „52 % Cotton, 40 % Polyester, 8 % Acrylic“ angab. Hiergegen wandte sich die Klägerin, die darin einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Textilkennzeichnung sah. Die Beklagte gab jedoch weder die geforderte Unterlassungserklärung ab noch zahlte sie die angefallenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Das LG München gab der Klägerin Recht und verurteilte die Beklagte zur Unterlassung und Zahlung, der Unterlassungsanspruch sei in vollem Umfang begründet. Die Berufung beim OLG München kam zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich der Bezeichnung „Acrylic“ ein Verstoß gegen die TextilkennzVO vorliege. Die Bezeichnung „Cotton“ verstoße ebenfalls gegen die Verordnung, jedoch seien in diesem Fall die Interessen der Verbraucher nicht spürbar beeinträchtigt. Die Abmahnung sei nur hinsichtlich der ersten Bezeichnung begründet, weshalb der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ebenfalls nur zur Hälfte begründet gewesen sei. Hiergegen legte die Klägerin Revision ein.

Der BGH (Urt. v. 31.10.2018, I ZR 73/17) entschied in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht, dass die Abmahnung nur zum Teil begründet war, der Erstattungsanspruch jedoch in voller Höhe besteht.

Bezeichnung von Textilfasern

Nach Art. 5 TextikennzVO dürfen für die Beschreibung der Faserzusammensetzung nur die in Anhang I der Verordnung aufgeführten Begriffe verwendet werden. Die Bezeichnungen „Cotton“ und „Acrylic“ finden sich jedoch nicht in der deutschen, sondern nur in der englischen Fassung. Nach Art. 16 Abs. 3 TextikennzVO muss die Etikettierung und Kennzeichnung allerdings in der Amtssprache des Mitgliedstaats erfolgen, in dessen Hoheitsgebiet die Textilerzeugnisse dem Verbraucher bereitgestellt werden, es sei denn, der betreffende Mitgliedstaat schreibt etwas anderes vor. Das ist in Deutschland nicht der Fall. Nach Anhang I Nr. 5 und Nr. 26 hätten daher die Bezeichnungen „Baumwolle“ und „Polyacryl“ verwendet werden müssen.

In der Bezeichnung „Cotton“ sah der BGH ebenfalls eine Verletzung des Art. 5 TextilkennzVO.

Die Bezeichnung „Cotton“ sei im Anhang I der Textilkennzeichnungsverordnung nicht aufgeführt; vielmehr wäre nach Nummer 5 dieses Anhangs I die Bezeichnung „Baumwolle“ zu verwenden gewesen. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revision nicht angegriffen.

Allerdings war der BGH ebenso wie die Vorinstanz der Ansicht, dieser Verstoß sei nicht spürbar, wie es § 3a UWG für den Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung fordert, denn der angesprochene Verbraucher verstehe den Begriff „Cotton“ ohne Weiteres als Baumwolle.

Besteht der Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung darin, dass dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthalten wird, ist dieser Verstoß nur dann spürbar iSv § 3a UWG, wenn er die ihm vorenthaltene wesentliche Information je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. […]

Nach diesen Maßstäben erweist sich die Beurteilung des BerGer. als rechtsfehlerfrei. Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Begriff „Cotton“ in der deutschen Umgangssprache als beschreibende Angabe für „Baumwolle“ eingebürgert. Die Mitglieder des BerGer. gehören zu den angesprochenen Verkehrskreisen. Sie haben für ihre Feststellung zudem auf Entscheidungen des BGH und des BPatG verwiesen. Die dort vorgenommene Beurteilung, die Bezeichnung „Cotton“ sei für „Baumwolle“ eine beschreibende Angabe und gehöre zur deutschen Umgangssprache, ist nicht auf das Kennzeichenrecht beschränkt, sondern allgemeingültig. Darüber hinaus hat das BerGer. auf den Duden verwiesen. Versteht der angesprochene Durchschnittsverbraucher den verwendeten Begriff „Cotton“ ohne Weiteres als „Baumwolle“, benötigt er diese Information für eine informierte Kaufinformation nicht in deutscher Sprache. Das Vorenthalten dieser Information ist daher nicht geeignet, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er bei Angabe des Begriffs „Baumwolle“ nicht getroffen hätte.

Abmahnung trotzdem berechtigt

Der BGH stellte zudem in Übereinstimmung mit der Vorinstanz fest, dass die Abmahnung nicht schon dann nur teilweise berechtigt ist, wenn sie nicht unter allen Gesichtspunkten zutreffend ist und die Unterlassungserklärung zu weit gefasst ist. Das war vorliegend der Fall, da der Unterlassungsanspruch nur hinsichtlich der Bezeichnung „Acrylic“ begründet war.

Eine Abmahnung ist zwar nur berechtigt, wenn sie dem Schuldner den Weg weist, wie er sich zu verhalten hat, damit ein Prozess vermieden wird. Dementsprechend muss die Abmahnung die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung enthalten. Es ist aber unschädlich, wenn der Gläubiger mit der von ihm vorgeschlagenen Unterwerfungserklärung mehr fordert, als ihm zusteht; denn es ist Sache des Schuldners, aufgrund der Abmahnung die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche Erklärung abzugeben.

Abmahnkosten vollständig ersatzfähig

Anders als das Berufungsgericht kam der BGH aber zu dem Schluss, dass die Klägerin dennoch die vollen Abmahnkosten ersetzt verlangen könne, auch wenn sich der Anspruch nur in einem der genannten Punkte als begründet erweist. Das OLG München hatte der Klägerin nur einen anteiligen Erstattungsanspruch zuerkannt.

Wendet sich der Gläubiger in einer Abmahnung gegen ein konkret umschriebenes Verhalten (wie etwa eine bestimmte Werbeanzeige), das er unter mehreren Gesichtspunkten als wettbewerbswidrig beanstandet, sind die für die Abmahnung anfallenden Kosten bereits dann in vollem Umfang ersatzfähig, wenn sich der Anspruch unter einem der genannten Gesichtspunkte als begründet erweist. In einer solchen Konstellation hat sich die Abmahnung – unabhängig davon, welcher Gesichtspunkt den Anspruch begründet – als objektiv nützlich und zur Streiterledigung geeignet erwiesen. Ist die Abmahnung nach einem der angeführten Gesichtspunkte begründet, handelt es sich deshalb nicht um eine nur teilweise berechtigte Abmahnung, für die Kostenerstattung nur im Umfang des teilweise begründeten Unterlassungsanspruchs zu leisten ist.

Art der Beanstandung entscheidend

Etwas anderes könne sich allerdings dann ergeben, wenn der Gläubiger die einzelnen Beanstandungen zum Gegenstand gesonderter Angriffe mache, etwa wenn er im Hinblick auf verschiedene Werbeaussagen in einer Werbeanzeige gesonderte Unterlassungsansprüche geltend mache. In einem solchen Fall sei die Abmahnung nur insoweit berechtigt und der Ersatzanspruch bestehe nur, soweit die einzelnen Beanstandungen begründet seien. Vorliegend hatte die Klägerin jedoch die konkrete Faserzusammensetzung wegen eines Verstoßes gegen die TextilkennzVO beanstandet und die Unterlassung dieser Angabe insgesamt gefordert.

Nach diesen Maßstäben kann die Kl. die ihr im Streitfall entstandenen Abmahnkosten in voller Höhe von der Bekl. erstattet verlangen. Die Kl. hat mit ihrer Abmahnung unter Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform die Verwendung der Angabe „52 % Cotton, 40 % Polyester, 8 % Acrylic“ auf den Verpackungen und den Etiketten der von der Bekl. angebotenen Jogginghosen wegen Verstoßes gegen die Textilkennzeichnungsverordnung beanstandet. Sie hat demnach die Unterlassung der Verwendung dieser Angabe insgesamt und nicht etwa zum einen die Unterlassung der Verwendung der Angabe „Cotton“ und zum anderen die Unterlassung der Verwendung der Angabe „Acrylic“ begehrt. Damit hat sich die Abmahnung – unabhängig davon, dass lediglich die Verwendung der Angabe „Acrylic“ den Anspruch begründet – als objektiv nützlich und zur Streiterledigung geeignet erwiesen. Ihre Kosten sind daher in vollem Umfang zu ersetzen.

Fazit

Die TextilkennzVO bestimmt eindeutig, wie Textilien zu kennzeichnen sind. Neben einer Kennzeichnung in deutscher Sprache sind dabei nur die in Anhang I der Verordnung aufgezählten Begriffe zu verwenden. Auch wenn der BGH vorliegend angenommen hat, die Bezeichnung „Cotton“ statt „Baumwolle“ habe sich mittlerweile eingebürgert, kann die Beurteilung bei anderen Bezeichnungen schon wieder anders aussehen. Das OLG Stuttgart hat bereits entschieden, dass die Verwendung des englischen Begriffs „Elastane“ statt „Elasthan“ unzulässig ist. Daher sollten nur die in der Verordnung vorgesehenen Begriffe verwendet werden, um Abmahnungen zu vermeiden.

Alexander Kirch/Shutterstock.com

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