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LG Frankenthal: Haftung des Auftraggebers einer Werbemail

Das Versenden von Newslettern ist grundsätzlich nur mit Einwilligung des Empfängers zulässig. Das LG Frankenthal (Urt. v. 10.7.2018 – 6 O 322/17) entschied nun, dass der Werbende auch dann haftet, wenn er mit der Durchführung ein Drittunternehmen beauftragt hat.

Der Kläger ist als Rechtsanwalt tätig, die Beklagte ein Finanzdienstleistungsunternehmen. Der Kläger erhielt eine Werbemail der Beklagten an seine berufliche E-Mail-Adresse anwalt@….com, in der sie von ihr angebotene Versicherungsvermittlungen bewarb. Diese Werbung hatte der Kläger weder bestellt noch in ihren Erhalt eingewilligt.

Zwischen den beiden Parteien war unstreitig, dass die gegenständliche Mail nicht von der Beklagten selbst, sondern im Rahmen einer Mailing-Aktion durch ein damit beauftragtes Drittunternehmen A versendet worden war.

Auf die Abmahnung des Klägers hin gab das Drittunternehmen dann eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Dieser erklärte darauf allerdings, dass eine Erklärung eines Drittunternehmens nicht ausreiche, um die Beklagte zu entlasten.

Das Gericht gab der Klage vollumfänglich statt.

Keine Zurechnung?

Die Beklagte stützte sich darauf, dass sie die Werbung nicht selbst verschickt hatte. Ein Mitarbeiter des Drittunternehmens A, das mit der Durchführung der Mailing-Aktion betraut war, habe die Panne verursacht. Dieses Unternehmen sei völlig eigenständig und habe vollkommen autark gehandelt. Zudem stehe es in keiner gesellschaftlichen Beziehung zur Beklagten.

Es sei des Weiteren in der Vergangenheit nie zu vergleichbaren Fehlern gekommen und der Beklagten lägen auch keine zusätzlichen Daten des Klägers gespeichert vor. Eine wettbewerbsrechtliche und zivilrechtliche Zurechnung des Verhaltens des Drittunternehmens A an die Beklagte scheide daher aus und insbesondere sei § 8 UWG nicht anwendbar.

Haftung als Störer

Das Gericht konnte dem nicht zustimmen und sprach dem Kläger einen Anspruch aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1, 831 BGB, der sogenannten Störerhaftung, zu.

Der sogenannte quasinegatorische Unterlassungsanspruch ist ein von der Rechtsprechung geschaffener Anspruch, um die Störung aller deliktisch geschützter Rechtspositionen abzuwehren.

Er wird auf eine analoge Anwendung des § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit einer schutzgewährenden Norm gestützt.

Für einen solchen Anspruch bedarf es einer zumindest drohenden rechtswidrigen Verletzung einer in § 823 BGB geschützten Rechtsposition, einer diesbezüglichen Wiederholungsgefahr, sowie der Passivlegitimation des Anspruchsgegners als Handlungs- oder Zustandsstörer.

Diese Verletzungen sind vorliegend erfüllt.

Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

Durch die gegenständliche Werbemail sei der Kläger in seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt worden, den der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB einschließe.

Unter dem Begriff des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ist alles das zu verstehen, was in seiner Gesamtheit den Gewerbebetrieb zur Entfaltung und Betätigung in der Wirtschaft befähigt, also nicht nur der Bestand des Betriebes als solcher, sondern auch seine einzelnen Erscheinungsformen, wozu der gewerbliche Tätigkeitskreis gehört.

Das Unternehmen soll in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, in seinem Funktionieren geschützt werden.

Dies gelte auch für Angehörige freier Berufe, die kein eigentliches Gewerbe betreiben, soweit der unmittelbare Eingriff ihre Berufstätigkeit betreffe.

Erhebliche Belästigung bei Rechtsanwälten

Die hier im Streit stehende Beeinträchtigung ist für den Kläger in dessen anwaltlichem Berufsalltag von solcher Intensität, dass sie als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewertet wird.

Eine unaufgeforderte E-Mail-Werbung stellt nach ständiger Rechtsprechung eine erhebliche, im Ergebnis nicht hinnehmbare Belästigung des Empfängers dar. Dieser Rechtsprechung folgt auch die Kammer.

Der Empfänger muss Arbeitszeit aufwenden, um unerwünschte Werbe-E-Mails auszusortieren. Für einen Rechtsanwalt kommt bei der zeitaufwendigen Durchsuchung der E-Mails erschwerend das hohe Haftungsrisiko seiner Berufsgruppe hinzu.

Es ist dem Kläger daher nicht möglich eine Löschung einzelner Mails durchzuführen, ohne diese vorher auf Relevanz zu überprüfen. Die Vorgehensweise des Werbenden beeinträchtigt daher die negative Informationsfreiheit des Empfängers.

Außerdem sei zu berücksichtigen, dass es für Werbende mit sehr geringem Kostenaufwand möglich ist, eine große Zahl von Empfängern per E-Mail zu erreichen. Erachtete man den Versand von Werbe-E-Mails als zulässig, würde dies zu einer unübersehbaren Flut von Werbe-E-Mails führen.

Störerhaftung ist anwendbar

Abschließend ging das Gericht genauer darauf ein, warum die Störerhaftung hier zur Anwendung kommen solle.

Nach der Rechtsprechung haftet derjenige in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB als Störer, der auch ohne Wettbewerbsförderungsabsicht und ohne Verschulden an dem Wettbewerbsverstoß eines Dritten in der Weise beteiligt ist, dass er in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt.

Dabei ist es ohne Bedeutung, dass der Versand der E-Mail letztlich auf die (möglicherweise fehlerhafte) Eingabe der E-Mail-Adresse des Klägers durch einen Dritten zurückgeht. Als Mitwirkung genügt auch die Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten.

Es genügt demnach, wenn die Beklagte an der Schaffung eines rechtswidrigen Zustands objektiv mitgewirkt hat. Ausreichend ist deshalb bereits, dass der Versand von Werbe-E-Mails über die unternehmerische Tätigkeit der Beklagten auf Veranlassung der Beklagten durch die Firma A gestartet wurde und die Beklagte beim Empfänger der E-Mail nach deren Inhalt als werbendes Unternehmen erscheint.

Sinn und Zweck der E-Mail war ja gerade auch (unter Mitwirkung unbekannter weiterer Personen) ein Hinweis auf das Angebot der Beklagten.

Beauftragung reicht aus

Entgegen dem Vortrag der Beklagten stehe der versehentliche Versand der Werbung an den Kläger ihrer Haftung nicht entgegen.

Für die Störerhaftung genügt es, dass die Beklagte durch die Beauftragung der Fa. A zur Durchführung von Werbeaktionen überhaupt einen kausalen Beitrag geleistet hat.

Eine völlige Unterbrechung der Handlungskette ist gerade nicht gegeben. Für eine Störerhaftung ist es gerade nicht notwendig, dass die Beklagte von der streitgegenständlichen Mailingaktion positive Kenntnis gehabt hat.

Von daher ist es auch unschädlich, dass die Beklagte nach ihrem Vortrag letztlich die streitgegenständliche Mailadresse an die Fa. A weitergeleitet haben will und dass vergleichbare Fehler in der Zusammenarbeit bislang nicht aufgetreten sind.

Strenger Maßstab notwendig

Das Gericht begründete seine strenge Anwendung der Störerhaftung mit dem allgemeinen Schutzgedanken, der dem Institut zu Grunde liegt.

Dieser strenge Maßstab bei der Zurechnung der Mitstörerhaftung im Bereich der Onlinewerbung fußt nicht zuletzt auch in dem Ziel der Begrenzung einer sonst drohenden Ausuferungsgefahr rechtswidriger Werbung durch Mailingaktionen.

Würde die Rechtsansicht der Beklagten zutreffen und eine Haftung der beworbenen Unternehmen als Mitstörer ausscheiden, dann wäre damit zu rechnen, dass vermehrt Werbeaufträge an unsorgfältig arbeitende Werbedienstleister vergeben werden, da potentielle Rechtsverstöße der beauftragten Firmen für die beworbene Firme ohne greifbares Haftungsrisiko wären.

Gerade dies würde einen verstärkten Anreiz setzen, rechtswidrige Werbemaßnahmen durchzuführen.

Auf Grund der Ausuferungsgefahr muss daher nach Ansicht der Kammer jeder einzelne Mitverursacher für die Gesamtwirkung einstehen, die durch das Zusenden unerlaubter werbender E-Mails entsteht.

Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig. Die Berufung ist aktuell beim OLG Zweibrücken unter dem Aktenzeichen 4 U 114/18 anhängig.

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