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EuGH: Verbraucher müssen sperrige Waren bei Mängeln nicht zurücksenden

Wenn eine Ware mangelhaft ist, stehen dem Käufer die Gewährleistungsrechte nach den §§ 437 ff. BGB zu. Im Rahmen der sog. Nacherfüllung kann er grundsätzlich nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Neulieferung verlangen. Aber gerade bei sperrigen Produkten bereitet die Frage, an welchem Ort die Nacherfüllung zu erfolgen hat, Probleme. Der EuGH (Urt. v. 23.5.2019 – C-52/18) entschied nun, dass Verbraucher im Fernabsatz erworbene sperrige oder schwer zu transportierende Waren im Falle eines Mangels nicht unbedingt an den Unternehmer zurückschicken müssen, sofern der Transport des mangelhaften Produkts mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden ist.

Was ist geschehen?

Ein Verbraucher hat im Jahr 2015 telefonisch bei einem Unternehmer ein 5×6 Meter großes Partyzelt bestellt. Dieses war nach Ansicht des Verbrauchers mangelhaft und daher verlangte er vom Unternehmer, den vertragsgemäßen Zustand an seinem Wohnsitz herzustellen. Die Vertragsparteien hatten in dem Kaufvertrag keine Abrede darüber getroffen, an welchem Ort Mängel behoben werden müssen. Eine Rücksendung des Partyzelts erfolgte durch den Verbraucher nicht. Der Unternehmer hingegen bestritt die Mangelhaftigkeit der Ware. Der Verbraucher erklärte daraufhin den Rücktritt vom Vertrag und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises.

Amtsgericht zweifelte bereits an einer Rücksendepflicht

Das mit dem Fall befasste Amtsgericht Norderstedt setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vor. Es wollte unter anderem vom EuGH wissen, wie der Ort festzustellen sei, an dem der Verbraucher dem Unternehmer die gekaufte mangelhafte Ware anbieten muss, um eine Nachbesserung oder Ersatzlieferung zu ermöglichen. Das Amtsgericht bezweifelte, dass der Verbraucher verpflichtet sei, dem Unternehmer die mangelhafte Ware zurückzuschicken. Es ging davon aus, dass angesichts der Größe des Partyzelts die Organisation des Transports für den Verbraucher eine „erhebliche Unannehmlichkeit“ im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 darstellen könnte.

EuGH: Eine Frage des jeweiligen Einzelfalles

Der EuGH stellte zunächst fest, dass der Verbraucher
vom Verkäufer grundsätzlich eine unentgeltliche Nachbesserung der mangelhaften
Ware oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung verlangen kann. Art. 3 Abs. 3 der
Richtlinie 1999/44 bestimmt, dass die Nachbesserung oder Ersatzlieferung ohne
erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen muss.

Insoweit ist festzustellen, dass zwar Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 nicht den Ort bestimmt, an dem ein vertragswidriger Gegenstand dem Verkäufer zur Nachbesserung oder für eine Ersatzlieferung bereitzustellen ist; gleichwohl stellt diese Vorschrift bestimmte Bedingungen, die einen Rahmen für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bilden sollen.

So muss jede Nachbesserung oder jede Ersatzlieferung unentgeltlich und innerhalb einer angemessenen Frist sowie ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen.

Erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher könnten dann bestehen, sofern die mangelhafte Ware besonders schwer, sperrig oder zerbrechlich sei, oder weil im Zusammenhang mit dem Versand besonders komplexe Anforderungen zu beachten seien. Dem Verbraucher dürften keine Belastungen aufgelegt werden, die geeignet sind, ihn von der Geltendmachung seiner Ansprüche abzuhalten. Handle es sich daher um ein sehr schweres, sperriges oder zerbrechliches Produkt, müsse der Unternehmer die Rücksendung organisieren.

Sollte es sich bei der mangelhaften Ware hingegen um ein kompaktes Produkt handeln, das keines besonderen Transports bedürfe, stelle die Beförderung dieser Ware an den Geschäftssitz des Unternehmers keine erhebliche Unannehmlichkeit für den Verbraucher dar. Ob diese Voraussetzungen jeweils erfüllt sind, hänge von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei seien die Art des Verbrauchsgutes sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigt hat, zu berücksichtigen.

Kein Vorschuss für Transportkosten

Sofern die Abwägung des Einzelfalles ergebe, dass dem Verbraucher eine Beförderung an den Geschäftssitz des Unternehmer zuzumuten sei, trage der Unternehmer gleichwohl die Kosten der Beförderung. Der EuGH entschied, dass eine Pflicht des Unternehmers, dem Verbraucher einen Vorschuss für die Transportkosten zu gewähren, grundsätzlich nicht bestehe. Der Verbraucher müsse daher für diese Kosten in Vorleistung treten, sofern sie nicht derartig hoch ausfielen, dass sie ihn von der Geltendmachung seiner Gewährleistungsrechte abhalten könnten.

Unter diesen Umständen verlangt der mit der Richtlinie 1999/44 angestrebte Ausgleich zwischen den Interessen des Verbrauchers und des Verkäufers nicht, dass die Verpflichtung zur unentgeltlichen Herstellung des vertragsgemäßen Zustands außer der dem Verkäufer obliegenden Verpflichtung, dem Verbraucher die Kosten für den Transport des Verbrauchsgutes an seinen Geschäftssitz zu erstatten, auch noch die Verpflichtung umfasst, gegenüber dem Verbraucher für diese Kosten systematisch in Vorkasse zu treten.

Allerdings verlangt dieser im Hinblick auf den Verbraucherschutz vorgenommene Ausgleich, dass die von den Verbrauchern übernommenen Transportkosten keine Belastung darstellen dürfen, durch die ein Durchschnittsverbraucher durch eine solche Belastung davon abgehalten werden könnte, seine Rechte geltend zu machen, die konkreten Umstände des Einzelfalls berücksichtigen, wozu insbesondere Kriterien wie die Höhe der Transportkosten, der Wert des vertragswidrigen Verbrauchsgutes oder die rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit des Verbrauchers gehören, seine Rechte geltend zu machen, falls der Verkäufer die vom Verbraucher vorgestreckten Transportkosten nicht erstattet.

Zu beachten ist jedoch, dass seit dem 01.01.2018 der
in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eingeführte § 475 Abs. 6 BGB gilt. Dieser
bestimmt, dass der Verbraucher vom Unternehmer gleichwohl einen Vorschuss für
etwaige Aufwendungen verlangen kann.

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