Ende Juni wurde es schon angekündigt, dass in der EU Pläne geschmiedet werden, dass Verbraucherschützer bald Online-Shops als letztes Mittel abschalten dürfen, wenn diese gegen Verbraucherschutzgesetze verstoßen. Das EU-Parlament hat jetzt einen entsprechenden Verordnungs-Vorschlag verabschiedet.

Das EU-Parlament hat eine Änderung eines Vorschlags der Kommission für eine Verordnung über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden beschlossen.

Mit der Verordnung soll erreicht werden, dass Verstöße gegen bestimmte europarechtlichen Vorgaben schnell und effizient abgeschaltet werden.

Definition von Verstößen

Hierzu wird in dem Verordnungsentwurf zunächst definiert, was ein Verstoß sein soll und was mit Unionsrecht zum Schutz der Verbraucherinteressen gemeint ist.

“Verstoß innerhalb der Union” [ist] jede Handlung oder Unterlassung, die gegen Unionsrecht zum Schutz der Verbraucherinteressen verstößt und die Kollektivinteressen von Verbrauchern geschädigt hat, schädigt oder voraussichtlich schädigen kann, die in einem anderen Mitgliedstaat oder anderen Mitgliedstaaten als dem Mitgliedstaat ansässig sind, in dem

a) die Handlung oder die Unterlassung ihren Ursprung hatte oder stattfand,

b) der für die Handlung oder Unterlassung verantwortliche Unternehmer niedergelassen ist, oder

c) Beweismittel oder Vermögensgegenstände des Unternehmers vorhanden sind, die einen Zusammenhang mit der Handlung oder der Unterlassung aufweisen;

Für einen Verstoß im Sinne des Entwurfes bedarf es also eines grenzüberschreitenden Sachverhalt.

Dieser liegt bei deutschen Online-Shops schnell vor: Hat der Unternehmer sein Liefergebiet im Bestellprozess nicht eingeschränkt und ermöglicht also auch eine Lieferung nach z.B. Österreich, liegt schnell ein Verstoß im Sinne dieser Definition vor.

Unionsrecht zum Schutz der Verbraucherinteressen

Außerdem werden Richtlinien und Verordnungen aufgezählt, die als “Unionsrecht zum Schutz der Verbraucherinteressen” definiert werden.

“Unionsrecht zum Schutz der Verbraucherinteressen” [sind] die im Anhang aufgeführten Verordnungen und Richtlinien, letztere in der in die innerstaatliche Rechtsordnung der Mitgliedstaaten umgesetzten Form;

Darunter finden sich unter anderem die Richtlinien und Verordnungen für folgende Bereiche:

  • Richtlinie über missbräuchliche Klauseln (also das AGB-Recht)
  • Richtlinie über die Angabe von Preisen (in Deutschland umgesetzt in der Preisangabenverordnung)
  • Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie (betrifft z.B. das Gewährleistungsrecht)
  • Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (darin sind z.B. Informationspflichten über die Vertragstextspeicherung geregelt)
  • Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (darin ist das Erfordernis der Einwilligung für den Newsletter-Versand geregelt)
  • Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (in Deutschland im UWG umgesetzt)
  • Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung
  • Verbraucherrechterichtlinie (in der die Pflichten für Online-Händler geregelt sind, wie z.B. auch das Widerrufsrecht)
  • ODR-Verordnung (in der festgelegt ist, dass Händler auf die OS-Plattform hinweisen müssen)
  • ADR-Richtlinie (die in Deutschland mit dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz umgesetzt wurde)

Zusammengefasst kann man sagen, dass alle Rechtsakte der Union aufgeführt sind, die den Kernbereich der Informationspflichten für Online-Händler betreffen.

Zuständige Behörden dürfen Testbestellungen durchführen

Die Mitgliedstaaten müssen zuständige Behörden benennen, die für die Anwendung dieser Verordnung zuständig sein werden.

Diese zu benennenden Behörden sollen dann umfangreiche Ermittlungsbefugnisse erhalten, unter anderem das Recht, Testbestellungen durchzuführen:

a) Zugang zu allen relevanten Dokumenten, Daten oder Informationen in Bezug auf einem Verstoß nach dieser Verordnung, in jeder Form oder jedem Format zu erhalten, unabhängig von ihrem Speichermedium oder dem Ort, an dem sie aufbewahrt werden;

b) von jeder Behörde, Stelle oder Agentur in ihrem Mitgliedstaat oder von jeder natürlichen oder juristischen Person die Bereitstellung aller relevanten Informationen, Daten oder Dokumente in jeder Form oder jedem Format, unabhängig von ihrem Speichermedium oder dem Ort, an dem sie aufbewahrt werden, zu verlangen, und zwar zur Feststellung, ob ein Verstoß nach dieser Verordnung stattgefunden hat oder gerade stattfindet, und zur Feststellung der Einzelheiten dieses Verstoßes, wozu auch die Rückverfolgung von Daten- und Finanzströmen, die Feststellung der Identität der an Daten- und Finanzströmen beteiligten Personen und die Feststellung der Bankverbindung und des Inhabers von Internetseiten gehört;

c) erforderliche Prüfungen vor Ort vorzunehmen, einschließlich der Befugnis, alle Räumlichkeiten, Grundstücke und Transportmittel zu betreten, die der von der Prüfung betroffene Unternehmer zu Zwecken seiner gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit nutzt, oder andere Behörden dazu aufzufordern, um Informationen, Daten oder Dokumente, unabhängig von ihrem Speichermedium zu untersuchen, sicherzustellen oder Kopien davon anzufertigen oder zu erhalten; alle Informationen, Daten oder Dokumente für den erforderlichen Zeitraum und in dem für die Prüfung erforderlichen Ausmaß sicherzustellen; von jedem Vertreter oder Mitglied des Personals des von der Prüfung betroffenen Unternehmers zu verlangen, dass sie  in Bezug auf den Gegenstand der Prüfung Erklärungen zu Sachverhalten, Informationen, Daten oder Dokumenten abgeben, und die Antworten aufzuzeichnen;

d) Waren oder Dienstleistungen als Testeinkäufe zu erwerben, erforderlichenfalls mit verdeckter Identität, diese zu prüfen und zu betrachten, zu untersuchen, auseinanderzunehmen oder zu testen, um Verstöße nach dieser Verordnung aufzudecken und Beweismaterial zu beschaffen.

Letztes Mittel: Abschalten der Domain

Neben diesen Ermittlungsbefugnissen erhalten die Behörden auch weitreichende Durchsetzungsbefugnisse.

Das schärfste Schwert dabei: Hosting-Dienste müssen auf Anordnung den Zugang zu Webseiten sperren oder Registrierungsstellen (in Deutschland als DENIC) müssen auf Anordnung die Registrierung der Domain entfernen und die Registrierung durch die Behörde gestatten.

a) vorläufige Maßnahmen zur Vermeidung der Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung der Kollektivinteressen von Verbrauchern zu ergreifen;

b) zu versuchen, von dem für den Verstoß nach dieser Verordnung verantwortlichen Unternehmer Zusagen zur Einstellung des Verstoßes zu erhalten, oder solche Zusagen zu akzeptieren;

c) vom Unternehmer auf dessen Initiative zusätzliche Abhilfezusagen zugunsten der von dem mutmaßlichen Verstoß nach dieser Verordnung betroffenen Verbraucher entgegenzunehmen oder gegebenenfalls zu versuchen, vom Unternehmer   Zusagen zu erhalten, um den von diesem Verstoß betroffenen Verbrauchern angemessene Abhilfe anzubieten;

d) gegebenenfalls Verbraucher, die vorbringen, infolge eines Verstoßes nach dieser Verordnung geschädigt worden zu sein, in angemessener Weise darüber zu informieren, wie sie Entschädigungsansprüche nach nationalem Recht geltend machen können;

e) die Einstellung von Verstößen durch den Unternehmer nach dieser Verordnung schriftlich anzuordnen;

f) die Einstellung oder Untersagung von Verstößen nach dieser Verordnung zu bewirken;

g) wenn keine anderen wirksamen Mittel zur Verfügung stehen, um die Einstellung oder Untersagung des Verstoßes nach dieser Verordnung zu bewirken, und um das Risiko einer schwerwiegenden Schädigung der Kollektivinteressen von Verbrauchern zu verhindern,

i) Inhalte  von  Online-Schnittstellen  zu  entfernen  oder  den  Zugang  zu einer Online-Schnittstelle zu beschränken oder anzuordnen, dass beim Zugriff auf die Online-Schnittstelle ein ausdrücklicher Warnhinweis an die Verbraucher angezeigt wird,

ii) anzuordnen, dass Anbieter von Hosting-Diensten den Zugang zu einer Online-Schnittstelle entfernen, sperren oder beschränken, oder

iii) gegebenen falls anzuordnen, dass Register oder Registrierungsstellen für Domänennamen  einen  vollständigen  Domänennamen  entfernen,  und der betreffenden zuständigen Behörde seine Registrierung zu gestatten, auch durch Aufforderung an Dritte oder andere Behörden, solche Maßnahmen durchzuführen.

h) Sanktionen, wie beispielsweise Geldbußen oder Zwangsgelder, für Verstöße nach dieser Verordnung sowie für das Versäumnis, Entscheidungen, Anordnungen, vorläufige Maßnahmen, Zusagen des Unternehmers oder anderen nach dieser Verordnung ergriffenen Maßnahmen Folge zu leisten, zu verhängen.

Die in Buchstabe h) genannten Sanktionen müssen wirksam, angemessen und abschreckend sein und im Einklang mit den Anforderungen des Unionsrechts zum Schutz der Verbraucherinteressen stehen. Insbesondere ist gegebenenfalls die Art, Schwere und Dauer des betreffenden Verstoßes gebührend zu berücksichtigen.

Dabei ist aber der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren.

Es steht also wohl nicht zu befürchten, dass Online-Shops abgeschaltet werden, weil sie den Link auf die OS-Plattform nicht auf ihrer Website stehen haben.

Fazit

Wenn der Rat dem Entwurf jetzt so zustimmt, wird die Verordnung geltendes Recht werden. Die Verbraucherschutzbehörden werden dann mit wesentlich weitreichenderen Kompetenzen ausgestattet als dies aktuell der Fall ist. Wir werden Sie über das weitere Gesetzgebungsverfahren auf dem Laufenden halten. (mr)

Bildnachweis: Claudio Divizia/shutterstock.com

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