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EuGH muss entscheiden: Dürfen 0180-Nummern als Kunden-Hotline verwendet werden?

Seit der Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie in deutsches Recht dürfen keine Telefonnummern mehr angegeben werden, bei denen höhere Gebühren anfallen als der sog. Grundtarif, wenn der Verbraucher eine Frage zu einem bestehenden Vertrag stellen möchte oder auch sein Widerrufsrecht telefonisch ausüben möchte. Ob dafür weiterhin 0180-Nummern verwendet werden dürfen, muss nun der EuGH entscheiden.

Vor dem LG Stuttgart läuft derzeit ein Verfahren, in dem es um die Zulässigkeit einer 0180-Nummer für Kundenanfragen geht.

Hintergrund ist § 312a Abs. 5 BGB. Dieser lautet:

“Eine Vereinbarung, durch die ein Verbraucher verpflichtet wird, ein Entgelt dafür zu zahlen, dass der Verbraucher den Unternehmer wegen Fragen oder Erklärungen zu einem zwischen ihnen geschlossenen Vertrag über eine Rufnummer anruft, die der Unternehmer für solche Zwecke bereithält, ist unwirksam, wenn das vereinbarte Entgelt das Entgelt für die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes übersteigt.

Ist eine Vereinbarung nach Satz 1 unwirksam, ist der Verbraucher auch gegenüber dem Anbieter des Telekommunikationsdienstes nicht verpflichtet, ein Entgelt für den Anruf zu zahlen. Der Anbieter des Telekommunikationsdienstes ist berechtigt, das Entgelt für die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes von dem Unternehmer zu verlangen, der die unwirksame Vereinbarung mit dem Verbraucher geschlossen hat.”

In der Verbraucherrechte-Richtlinie (VRRL) heißt es in Art. 21:

“Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass der Verbraucher nicht verpflichtet ist, bei einer telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Unternehmer mehr als den Grundtarif zu zahlen, wenn der Unternehmer eine Telefonleitung eingerichtet hat, um mit ihm im Zusammenhang mit dem geschlossenen Vertrag telefonisch Kontakt aufzunehmen.”

Der europäische Gesetzgeber hat dabei aber leider versäumt zu erwähnen, was er unter “Grundtarif” versteht.

Zulässigkeit von 0180-Nummern

Die Bundesregierung sieht in ihrer Gesetzesbegründung zu § 312a BGB 0180-Nummern als Kundenhotlines dann als zulässig an, wenn der Unternehmer kein CashBack vom Telekommunikationsanbieter bekommt.

Um genau solch eine Nummer geht es in dem Verfahren vor dem LG Stuttgart (Beschluss v. 15.10.2015, 11 O 21/15). Das Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

“1. Ist Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher (Amtsblatt EU 2011, 304/64) dahingehend auszulegen, dass dem Verbraucher bei der telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Unternehmer, wenn dieser eine Telefonleitung eingerichtet hat, damit der Verbraucher mit ihm im Zusammenhang mit einem geschlossenen Vertrag telefonisch Kontakt aufnehmen kann, keine höheren Kosten entstehen dürfen als diejenigen, die ihm für einen Anruf unter einer gewöhnlichen (geographischen) Festnetz-oder Mobilfunk-Nummer entstanden wären?

2. Steht Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU einer nationalen Bestimmung entgegen, gemäß der der Verbraucher in Fällen, in denen der Unternehmer zur telefonischen Kontaktaufnahme im Zusammenhang mit dem geschlossenen Vertrag einen Service-Dienst unter einer 0180-Nummer eingerichtet hat, diejenigen Kosten zu tragen hat, die ihm der Telekommunikationsanbieter für die Nutzung dieses Telekommunikationsdienstes berechnet, und zwar auch dann, wenn diese diejenigen Kosten übersteigen, die dem Verbraucher bei der telefonischen Kontaktaufnahme über eine gewöhnliche (geographische) Festnetz- oder Mobilfunk-Nummer entstanden wären?

Steht Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie einer solchen nationalen Bestimmung jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Telekommunikationsanbieter von dem Entgelt, dass er beim Verbraucher für die Kontaktaufnahme unter der 0180-Nummer erhebt, keinen Entgeltanteil an den Unternehmer abführt?”

Die Gerichte der Nationalstaaten können dem EuGH Fragen zur Entscheidung vorlegen, wenn es dabei um die Auslegung von europäischem Recht geht. Der EuGH beantwortet dann diese Fragen und erst dann wird das Verfahren vor dem nationalen Gericht fortgesetzt.

Höhere Kosten beim Anruf

Das in dem Verfahren beklagte Unternehmen bot einen telefonischen “Kundenservice” unter einer 0180-Nummer an. Bei Anrufen bei dieser Nummer entstanden für den Anrufenden Kosten von 14 Ct. pro Minute aus dem Festnetz und 42 Ct. pro Minute aus den Mobilfunknetzen.

Ruft der Verbraucher bei dieser Nummer an, kommt eine Vereinbarung über die Bezahlung dieser jeweiligen Kosten zu Stande. Eine solche Vereinbarung könnte aber nach § 312a Abs. 5 BGB unwirksam sein, wenn die Kosten das “Entgelt für die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes” übersteigen bzw. höher sind als der Grundtarif.

“Aus der Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf zu § 312 a Abs. 5 BGB (damals noch§ 312 a Abs. 4 BGB) ergibt sich, dass durch diese Regelung erreicht werden sollte, dass der Verbraucher den telefonischen Kontakt zum Unternehmer wegen Fragen oder Erklärungen zu einem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag nicht deshalb vermeidet, weil ihm hierdurch gesonderte Kosten entstehen. […]

Dadurch, dass der Verbraucher für einen Anruf bei einer Kundendienst-Hotline des Unternehmers nicht mehr als die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes zu vergüten habe, solle sichergestellt werden, dass der Unternehmer aus dem Betrieb der Hotline keine Gewinne ziehe (Bundestagsdrucksache 17/12637, Seite 52, Abschnitt “Zu Absatz 4”, Abs. 6).

Zu den Rufnummern, die dies gewährleisten würden, gehörten auch die Rufnummern für “Service-Dienste im Sinne von§ 3 Nr. 8 b TKG”, sofern von dem Anbieter des Telekommunikationsdienstes für das Gespräch kein Entgelt an den Unternehmer abgeführt werde (Bundestagsdrucksache 17/12637, ebenda).”

Die Bundesregierung ging bei der Umsetzung der VRRL in deutsches Recht wohl davon aus, dass Art. 21 VRRL nur verhindern soll, dass ein Unternehmer zusätzliche Gewinne für Anrufe bei Kundenhotlines generiert, so das Gericht. Den Schutz der Verbraucher vor höheren Kosten (egal, wer von diesen letztlich profitiert), hatte man dabei wohl nicht im Blick.

Würde man diesem Verständnis der Bundesregierung in ihrer Gesetzesbegründung folgen, dann wäre das Angebot einer 0180-Nummer als Kundenhotline dann zulässig, wenn der Unternehmer kein CashBack vom Telekommunikationsunternehmen erhält.

Was ist der Grundtarif?

Diese Auslegung, so das Gericht weiter, sei aber nicht zwingend. Man könne das Wort “Grundtarif” auch als “Ortstarif” verstehen. Für diese Auslegung könnte auch der Zweck der VRRL sprechen.

“Dieser könnte darin bestehen, zu verhindern, dass der Verbraucher nicht dadurch von einer telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Unternehmer abgehalten wird, dass dieser zur Kontaktaufnahme lediglich solche Rufnummern bereitstellt, bei deren Wahl hohe Kosten entstehen, die über denjenigen eines “normalen” Anrufs über eine gewöhnliche (geographische) Rufnummer liegen und deshalb abschreckend wirken.”

Hinzu komm, dass der Verbraucher nicht erkennen könne, ob der Unternehmer für Anrufe bei dieser Nummer ein CashBack erhält oder nicht.

Folgt man dieser Auffassung, wäre die Vereinbarung über die Kostentragung bei einer 0180-Nummer unwirksam und der Verbraucher müsste diese nicht zahlen (letztlich müsste dann der Unternehmer, der diese Nummer anbietet, die Kosten für die Anrufe an den Telekommunikationsanbieter bezahlen).

Auffassung der EU-Kommission nicht eindeutig

Auch aus dem von der EU-Kommission verfassten Leitfaden zur VRRL geht nicht klar hervor, was unter “Grundtarif” zu verstehen sei.

Es ließen sich jedoch Anhaltspunkte erkennen, dass die Kommission meint, der Verbraucher solle vor höheren Kosten als nach dem Ortstarif geschützt werden, so das Gericht.

Fazit

Da weder Richtlinie noch die Begründungen noch das deutsche Umsetzungsgesetz eindeutig formuliert sind, muss der EuGH diese Frage entscheiden. Es bleibt abzuwarten, für welche Auslegung er sich entscheidet. Da der EuGH in der Regel sehr verbraucherfreundlich urteilt, kann man wohl voraussagen, dass er entscheiden wird, dass der Verbraucher vor höheren Kosten geschützt werden soll, unabhängig von der Frage, ob der Unternehmer einen Teil des Entgeltes vom Telekommunikationsanbieter wieder bekommt. Wir werden weiter über das Verfahren berichten.

Das Verfahren wird beim EuGH unter dem Aktenzeichen C-568/15 geführt. (mr)

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