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Haben Sie die Nutzungsrechte an der Bedienungsanleitung zu Ihren Waren?

nutzungsrecht bedienungsanleitung Verkaufen Sie Waren, für die man eine Bedienungsanleitung benötigt? Dann sollten Sie unbedingt Ihren Online-Shop überprüfen und auch, ob Sie die Nutzungsrechte an der Bedienungsanleitung besitzen. Ein Urteil des OLG Frankfurt eröffnet neue Abmahnfallen.

Das OLG Frankfurt a.M. hatte sich im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung unter anderem mit der Frage zu beschäftigen, ob und inwieweit ein Anbieter von Hebebühnen eine Urheberrechtsverletzung dahingehend begangen hatte, dass er im Rahmen von Internetverkaufsangeboten auch eine Bedienungsanleitung zur Verfügung gestellt hat (Urteil vom 26. Mai 2015, Az.: 11 U 18/14).

Bedienungsanleitungen können Sprachwerk sein

Zunächst beschäftigten sich die Richter mit der Frage, ob die streitgegenständlichen Bedienungsanleitungen, die verfügbar gemacht worden waren, tatsächlich über das Urheberrecht schutzfähig sind.

Hierbei stellte das Gericht auf die Schutzfähigkeit als so genanntes Schriftwerk als Untergruppe des Sprachwerkes gemäß § 2 UrhG ab.

Für die Richter erfüllten die Darstellungen diese Kriterien. Die Bedinungsanleitungen waren als so genanntes Schriftstück und damit als Sprachwerk schutzfähig.

Die erforderliche so genannte Schöpfungshöhe, die bei urheberrechtlich geschützten Werken, wie einem Sprachwerk, immer geprüft werden muss, war nach Ansicht der Richter überschritten.

Die Richter begründeten wie folgt:

„Die Bedienungsanleitung stellt in ihrer Gesamtheit ein schutzfähiges Schriftwerk gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG dar. Als persönlich geistige Schöpfungen im Sinne von § 2 UrhG sind Erzeugnisse anzusehen, die durch den Inhalt oder durch ihre Form oder durch die Verbindung von Inhalt und Form etwas Neues und Eigentümliches darstellen.

Bei Sprachwerken gilt insofern der Grundsatz der “kleinen Münze”. Dabei kann bei wissenschaftlichen Werken die Schutzfähigkeit ihre Grundlage allein in der – notwendig schöpferischen – Form der Darstellung finden. Sie sind deshalb schutzfähig bei einer eigenschöpferischen Gedankenformung und -führung des dargestellten Inhalts und/oder der besonders geistvollen Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes.

Die Urheberrechtsschutzfähigkeit Gebrauchszwecken dienenden Schriftgutes erfordert ein deutliches Überragen des Alltäglichen, des Handwerksmäßigen, der mechanisch-technischen Aneinanderreihung des Materials. Auf dieser Grundlage ergibt sich vorliegend, dass das Schriftwerk der Bedienungsanleitung über hinreichende Schutzfähigkeit verfügt.

Die Länge des streitgegenständlichen Textes – dies ist die Grundvoraussetzung – gibt Raum, die Reihenfolge der Darstellung zu schützen. Die Reihenfolge selbst ist Ausdruck einer eigenschöpferischen, eigentümlichen Gedankengestaltung und –führung und individueller Prägung. Der Kläger hat die von ihm ausgewählten Informationen zu den verschiedenen Einzelbereichen in der Weise angeordnet, dass dem Leser im Anschluss an die Vermittlung allgemeiner Informationen Erläuterungen in der Reihenfolge dargelegt werden, wie er sie üblicherweise nach Erwerb des Produkts benötigt.

So folgen den allgemeinen Informationen zu den Themen Sicherheit, erforderliche Kennzeichnung und Hauptkomponenten Erläuterungen über die Montage und Aufstellung, den Betrieb, die Wartung und Pflege, sowie über Entsorgung des Produkts. Insbesondere die sprachliche Darstellung im Abschnitt der Montage und Aufstellung zeichnet sich durch eine prägnante Anordnung der technischen Inhalte in Gestalt einer sprachlichen Einzelanleitung der vorzunehmenden Handlungsschritte aus, die zur Verbesserung der Übersichtlichkeit in Einzelabschnitte unterteilt ist, wobei einzelne Aspekte durch besondere Darstellung als „Hinweis“ hervorgehoben sind.

Die besondere Übersichtlichkeit und Verständlichkeit wird an anderer Stelle durch eine tabellarische Darstellung gewährleistet. Daher ergibt sich nach Maßgabe eines Gesamtvergleichs, dass die sprachliche Darstellung das Alltägliche, Handwerksmäßige der mechanisch-technischen Aneinanderreihung des Materials deutlich übersteigt und damit eine persönliche geistige Schöpfung beinhaltet.“

Anbieter konnte Erschöpfung nicht nachweisen

Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, einmal erworbene Waren zusammen mit Bedienungsanleitungen, die bei dem Kauf zur Verfügung gestellt wurden, weiterzuverkaufen.

Diesbezüglich sieht das Urheberrecht explizit im Rahmen des Verbreitungsrechtes, das dem Urheber oder Nutzungsberechtigten zusteht, eine Ausnahmeregelung in § 17 Abs. 2 vor.

Jedoch muss derjenige, der hier das Recht der so genannten Erschöpfung des Urheberrechts an dem konkreten Schriftwerk, also hier der Bedienungsanleitung, geltend macht, dies auch darlegen und beweisen.

Dies konnte der beklagte Internethändler nicht.

Dazu führte das Gericht wie folgt aus:

„Zwar erhielt der Beklagte vom Kläger bei Verkauf der Hebebühnen im Jahr 2011 auch entsprechende Bedienungsanleitungen. Aus dem Vortrag des Beklagten ist aber nicht die substantiierte Behauptung zu entnehmen, dass es sich bei der Bedienungsanleitung, die Gegenstand des Testkaufs war, um eine der ihm vom Kläger überlassenen handelte.

Der Beklagte hat insoweit einerseits vorgetragen…, der Kläger habe ihm Hebebühnen mit entsprechenden Bedienungsanleitungen im Jahr 2011 veräußert und dabei gewusst, dass der Beklagte die Hebebühnen weiterveräußern werde. Hiermit macht der Beklagte geltend, er habe Bedienungsanleitungen, die er vom Kläger im Zuge des Erwerbs 2011 erhalten habe, beim Weiterverkauf solchen Hebebühnen beigefügt, die er ebenfalls 2011 vom Kläger erhalten habe.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 23.7.2013 … hat der Beklagte erklärt, er habe keine Kopien, sondern die Originalbedienungsanleitung in den Verkehr gebracht. Er hat weiter erklärt, es sei für ihn nicht feststellbar, ob es sich bei der Hebebühne, die Gegenstand des Testkaufs war, um eine der 2011 vom Kläger erhaltene oder um eine baugleiche eigene handele.

Damit macht er geltend, die ihm vom Kläger überlassenen Bedienungsanleitungen auch beim Weiterverkauf eigener baugleicher Hebebühnen verwendet zu haben. Dies ist bereits nicht nachvollziehbar, da dem Beklagten beim Erwerb im Jahre 2011 nur eine beschränkte Anzahl von Bedienungsanleitungen – entsprechend der Anzahl der vom Kläger erworbenen Hebebühnen – überlassen worden war. Jedenfalls bleibt vollkommen unklar, ob es sich bei der konkreten Bedienungsanleitung, die Gegenstand des Testkaufs war, um eine der dem Beklagten vom Kläger überlassenen Bedienungsanleitungen handelte. Zudem ist der beweisbelastete Beklagte insoweit beweisfällig geblieben. …“

Fazit

Die Folge war, dass hier im vorliegenden Fall Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden konnten. Für E-Commerce-Anbieter gilt, dass nur dann Bedienungsanleitungen im Zusammenhang mit Waren angeboten werden sollten, wenn und soweit die Ware entsprechend ordnungsgemäß erworben worden sind.

Um von vorneherein rechtliche Problematiken zu vermeiden, sollte jedoch darauf geachtet werden, dass explizit neben dem Ankauf von Waren auch eine entsprechende Nutzungsrechteeinräumung seitens des Herstellers und/oder Händlers erfolgt, entsprechende Bedienungsanleitungen auch im Rahmen von Internetverkaufsangeboten zur Verfügung zu stellen.

Geschieht dies nicht und es kann nicht eindeutig eine Erschöpfung nachgewiesen werden, so besteht die Gefahr über das Urheberrecht wegen einer Rechtsverletzung in Anspruch genommen zu werden.

Über den Autor

RA Rolf Albrecht

Rolf Albrecht ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz sowie Fachanwalt für Informationstechnologierecht in der Kanzlei volke2.0. Rechtsanwalt Albrecht schreibt regelmäßig als Gastautor Beiträge für den Shopbetreiber-Blog.