Die rechtsverletzende Nutzung bestehender Marken durch Onlinehändler führt oft zu Abmahnungen, die neben einer erheblichen Kostenfolge auch eine abgegebene strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zur Folge haben. Diese Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungserklärung ist zeitlich unbegrenzt gültig, solange der Onlinehändler seine Handlungen im geschäftlichen Verkehr vollbringt.

Lesen Sie mehr dazu in einem Gastbeitrag von RA Rolf Albrecht.

Im Rahmen eines Beitrages wurde bereits darauf hingewiesen, welche Auswirkungen das Löschen einer Marke auf einer Unterlassungserklärung haben kann.

Was passiert aber, wenn sich die Markenregistrierungsstelle zu einem wesentlichen Aspekt der strafbewehrten Unterlassungserklärung äußert?

Dem Unterlassungsschuldner kann unter bestimmten Umständen in diesen Fällen die Möglichkeit zustehen, eine Kündigung der geschlossenen strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung wegen Wegfalls der so genannten Geschäftsgrundlage zu erreichen.

Bestehender Unterlassungsvertrag

So entschied das OLG Frankfurt a. M. (Urt. v. 4.20.2012, 6 U 217/11). Nach einer voran gegangenen markenrechtlichen Abmahnung war es zu einem Unterlassungsvertrag zwischen den Parteien des Rechtsstreites gekommen.

Inhalt dieses Unterlassungsvertrages war es auch, dass eine Auflösung dann erfolgen würde, wenn und soweit die Löschung der zugrunde liegenden Marke erreicht würde.
Hintergrund dieser Entscheidung war ein eingeleitetes Löschungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt des abgemahnten Händlers gegen die Marke, aus der die ursprüngliche markenrechtliche Abmahnung ausgesprochen worden war.

Ebenso wurde im Rahmen der Unterlassungserklärung der Wille beider Parteien des Rechtsstreites offenbar, dass es sich bei der Marke, aus der hier eine Markenverletzung begründet werden sollte, um eine Wort-/Bildmarke handelte und beide Parteien davon ausgehen, dass der Bildbestandteil dieser Wort-/Bildmarke als unerhebliche Verzierung angesehen wurde.
Dies ergab sich aus der ursprünglichen Abmahnung und dem Antwortschreiben des abgemahnten Händlers.

DPMA sagt: Keine Löschung, aber bildwesentlicher Bestandteil der Marke

Nunmehr kam es überraschend dazu, dass das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) eine Löschung der Marke nicht vornahm, aber entgegen der Annahmen beider Parteien dem Bildbestandteil der eingetragenen Wort-/Bildmarke erheblich größere Bedeutung zumaß und dadurch die erforderliche Unterscheidungskraft, die überhaupt zur Markeneintragung folgte, begründete.

Aufgrund dessen kündigte der abgemahnte Händler die ursprünglich geschlossene Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung wegen Wegfallen der Geschäftsgrundlage. Die Richter des OLG Frankfurt am Main folgten dieser Ansicht im Berufungsverfahren.

Für die Richter liegt hier ein wichtiger Grund zur Kündigung des ursprünglich geschlossenen strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungsvertrages wegen des sog. „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ vor. Die Richter begründen die Ansicht wie folgt:

„Das beim DPMA von den Beklagten zu 1) eingeleitete Löschungsverfahren hat zwar nicht zur Löschung der klägerischen Marke geführt. Es hat aber gezeigt, dass die von beiden Parteien dem Unterlassungsvertrag zugrunde gelegte Annahme, der Bildbestandteil der Marke sei für die Verwechslungsgefahr ohne Bedeutung, gerade nicht von dem DPMA geteilt wurde.

So hat es den Wortbestandteil „fishtailparkas“ des streitgegenständlichen Wort-/Bildzeichens jedenfalls in Bezug auf die Ware „Oberbekleidung“ lediglich als beschreibend angesehen. Demgegenüber sei indessen die graphische Ausgestaltung des Zeichens geeignet, die erforderliche Unterscheidungskraft zu begründen.

Damit ist die Geschäftsgrundlage für den Unterlassungsvertrag, die sich ausdrücklich nur auf eine Verwendung des Wortbestandteils der Streitmarke bezieht, entfallen (§ 313 Abs. 2 BGB). Die für den Vertragsschluss wesentliche gemeinsame Vorstellung der Vertragsparteien, dass für den Ausgang des Löschungsverfahrens allein die Frage der Unterscheidungskraft des Wortbestandteils maßgeblich sein würde, hat sich im Nachhinein als falsch bzw. zumindest als zweifelhaft erwiesen. Insoweit wird auch nicht der Streit der Parteien, der mit dem Unterwerfungsvertrag beigelegt werden sollte, nachträglich wieder eröffnet.

Diese besondere Konstellation ist somit vergleichbar mit einem aufgrund einer Änderung der Gesetzeslage oder Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung bewirkten Wegfall des dem vertraglich vereinbarten Verbot zugrunde liegenden gesetzlichen Unterlassungsanspruchs, weil sich die hinter den Erklärungen stehende rechtliche Rahmensituation und die gemeinsame Bewertungsgrundlage nachträglich geändert haben.

Aufgrund dessen waren die Beklagten berechtigt, den Unterwerfungsvertrag zu kündigen (§ 313 Abs. 3 S. 2 BGB), wodurch der vertragliche Unterlassungsanspruch, der allein noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, für die Zukunft entfallen ist.“

Vertragsstrafe kann geltend gemacht werden

Ebenfalls zu entscheiden war über die Frage, ob wirksam eine Vertragsstrafe geltend gemacht werden könnte, wenn und soweit es zu einem Wegfall der strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung durch Kündigung kommen sollte.

Auch hier sehen die Richter des OLG Frankfurt bis zum Zeitpunkt der Kündigung und deren Eingang bei dem ursprünglichen abmahnenden Händler eine Möglichkeit, grundsätzliche Vertragsstrafenansprüche geltend machen zu können.

Insbesondere sehen die Richter keinen Anspruch auf Rückgängigmachung des Vertrages für den ursprünglich abgemahnten Händler und begründen die Ansicht wie folgt:

“Ein solcher Anspruch kann zwar unter Umständen in Betracht kommen, wenn sich der Schuldner aufgrund einer fahrlässig falschen Darstellung des Gläubigers zur Unterlassung verpflichtet hat. Er setzt jedoch voraus, dass ein Beteiligter nach Einleitung von Vertragsverhandlungen oder nach Begründung eines ähnlichen konkreten Verhältnisses Sorgfaltspflichten gegenüber einem anderen Beteiligten schuldhaft verletzt hat, die sich aus dem durch die Einleitung von Vertragsverhandlungen oder dergleichen begründeten besonderen Vertrauensverhältnis ergeben.

Insoweit ist allein eine objektiv unbegründete Abmahnung für sich noch nicht ausreichend. Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzukommen, insbesondere wenn dem Schuldner, zu dessen allgemeinem Lebensrisiko die Konfrontation mit unberechtigten Ansprüchen gehört, alles an die Hand gegeben wird, was er benötigt, um sich durch eigene Erkundigungen – und diese obliegen ihm selbst – über die Rechtslage zu vergewissern, statt „blindlings“ den Aussagen des Gläubigers zu folgen.

Vorliegend kann von einer für das Zustandekommen des Unterlassungsvertrages ursächlichen Sorgfaltspflichtverletzung des Klägers nicht ausgegangen werden, der im Übrigen aufgrund der Eintragung der Streitmarke auf die Richtigkeit der Amtsprüfung vertrauen durfte.

Dass der Kläger eine Auffassung vertreten hat, die später das DPMA nicht geteilt hat, stellt für sich keine Verletzung vorvertraglicher Pflichten dar, insbesondere ist dies nicht erkennbar von sachfremden, nicht schutzwürdigen Interessen getragen. Die Beklagten waren sich darüber hinaus der Zweifelhaftigkeit der Inanspruchnahme bewusst, wenn sie sich auch auf andere Gründe gestützt haben als die, die nach der Entscheidung des DPMA maßgeblich waren.”

Schließlich sieht das Gericht auch keinen Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB gegen die geltend gemachte Vertragsstrafe, da das Vorgehen des Abmahners hier einen solchen Grund nicht begründete:

“Die Berufung auf ein nicht (rechtzeitig) gekündigtes Vertragsstrafeversprechen kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn der vertraglich gesicherte gesetzliche Unterlassungsanspruch dem Gläubiger aufgrund einer zwischenzeitlich eingetretenen Änderung (z.B. Gesetzesänderung oder Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung) unzweifelhaft, d.h. ohne dass es weiterer Feststellungen oder einer Wertungsentscheidung bedarf, nicht mehr zusteht.”

Hier liegt zwar eine nachträgliche Veränderung der gemeinsamen rechtlichen Bewertungsgrundlage vor, die für die Abgabe der Unterwerfungserklärung ursächlich war, und die zur Kündigung des Unterlassungsvertrages berechtigt.

Anders als in dem Fall, in dem das DPMA eine Marke gelöscht hat, war hier der gesetzliche Unterlassungsanspruch nicht unzweifelhaft entfallen. Auch wenn man es nach der Entscheidung des DPMA im Löschungsverfahren zwischen den Parteien als feststehend ansieht, dass allein dem Bildbestandteil der Streitmarke Unterscheidungskraft zukommt, bedarf es einer zusätzlich vorzunehmenden Wertung, ob in diesem Licht die vom Kläger ursprünglich beanstandeten Markenverstöße nunmehr anders zu beurteilen sind.

Hier liegt es gerade nicht auf der Hand, ob die tatsächlichen Umstände eine Lösung vom Unterlassungsvertrag erlauben. Hierauf hat auch das Landgericht zu Recht hingewiesen.

Dies rechtfertigt es, den bestehenden Unterlassungsvertrag nur nach einer gestaltenden Erklärung als hinfällig zu betrachten. Das Erfordernis der Kündigungserklärung dient hier vor allem der Rechtssicherheit. Aufgrund der Kündigung hat der Gläubiger die Möglichkeit, eine Klärung herbeizuführen, bevor es zu weiteren Verstößen kommt.

Das Erfordernis der Kündigung bedeutet, dass sich der Schuldner entscheiden muss, ob er an dem Unterlassungsvertrag festhalten möchte oder nicht. Spricht er die Kündigung aus, macht er damit deutlich, dass nunmehr die Gefahr eines erneuten Markenrechtsverstoßes besteht. Der Markeninhaber kann daraus gegebenenfalls einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch herleiten.

Fazit

Auch diese Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. zeigt, dass markenrechtliche Unterlassungserklärungen angreifbar sein können, wenn und soweit wesentliche Bestandteile dieser Erklärung nachträglich wegfallen. Dies gilt insbesondere dann, wenn parallel zu einer markenrechtlichen Abmahnung und einem möglichen folgenden gerichtlichen Verfahren auch eine Löschung einer vermeintlich nicht eintragungsfähigen Marke begehrt werden soll.

zertifiziert“ risikobehaftet.

Über den Autor

RA Rolf Albrecht

Rolf Albrecht ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz sowie Fachanwalt für Informationstechnologierecht in der Kanzlei volke2.0. Rechtsanwalt Albrecht schreibt regelmäßig als Gastautor Beiträge für den Shopbetreiber-Blog.

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