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Muss sich ein Online-Händler den Verkauf über Internet-Plattformen verbieten lassen?

Sportartikelhersteller wie Adidas würden generell den Vertrieb ihrer Waren über Plattformen wie eBay, Amazon oder ricardo.ch verbieten, hieß es vor Kurzem. Hierfür will Adidas neue Bedingungen aufstellen. Der Verkauf auf Plattformen, die gebrauchte oder beschädigte Waren anbieten oder mehrere Verkäufer für ein und dasselbe Produkt haben, soll in Zukunft unzulässig sein. Der Vertrieb über eBay und Amazon sei mit dem Markenimage der Adidas-Produkte nicht vereinbar.

Ein Fall für das Kartellamt?

Verbunden mit dem wohl zutreffenden Hinweis, dass dies erst der Anfang eines Trends sei, hat dies einige Diskussionen ausgelöst und die Frage aufgeworfen, ob große Markenhersteller solche Vorgaben überhaupt machen dürfen.

Unterdessen meldet die Financial Times Deutschland, dass das Bundeskartellamt bestätigt habe, das Vorgehen von Adidas auf mögliche unzulässige Wettbewerbsbehinderungen zu untersuchen; ein klares Indiz, dass Markenhersteller bei den Vorgaben für Online-Händler nicht vollkommen freie Hand haben.

Das Kartellrecht macht den Herstellern und Großhändlern Vorgaben in Bezug auf Bindungen der nächsten Vertriebsstufe: Grundsätzlich muss der Einzelhändler frei bestimmen können, an wen er auf welchem Wege seine Produkte weiterverkauft.

Generell gilt: je größer der Marktanteil der Hersteller, umso restriktiver sind die Möglichkeiten, den Wiederverkäufern Beschränkungen aufzuerlegen.

Spürbare Wettbewerbsbeschränkungen sind in aller Regel verboten.

Entsprechende Vorgaben in Vertriebsverträgen sind nichtig und können auch mit Bußgeldern der Kartellbehörden belegt werden. Sofern das Bundeskartellamt tatsächlich Ermittlungen in aufnimmt, wird es prüfen, ob in der Beschränkung des Online-Vertriebs eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung liegt.

Die Sicht des Herstellers

Hersteller von Markenprodukten mit besonderem Image wollen ihre Markenpolitik in der Regel durch alle Absatzkanäle durchsetzen. Da macht das Internet keine Ausnahme. Qualitative Kriterien, die den stationären Händlern – mindestens mittelbar auch in deren Interesse – seit Jahren auferlegt werden, finden im Internet ihre Fortsetzung.

Das ist legitim und nutzt auch den Online-Händlern. Mit solchen Anforderungen können das Image der Marke gestärkt, Investitionen von Händlern geschützt oder bestimmte Produktsicherheitsaspekte umgesetzt werden.

Schaut man auf die Produktpräsentation, lässt sich nicht leugnen, dass Markenprodukte von den Endkunden auf Amazon anders wahrgenommen werden, als in einem exklusiven Shop-in-Shop, der allein diese Marke führt oder auf Spezial-Websites, die ein produktspezifisches Umfeld bieten.

Zwar können Hersteller gegen die einfache Möglichkeit im Netz die Preise zu vergleichen nichts einwenden, doch müssen sie nicht dulden, dass durch die Art des Preisvergleichs ihr über die Jahre aufgebautes Image leidet.

Ob die Wahrung der Markenqualität oder andere Aspekte aber einen generellen Ausschluss von Drittplattformen rechtfertigen, hängt sehr von der konkreten Ausgestaltung der Plattformen ab und ist letztlich eine Frage des Einzelfalls.

Die Sicht der Händler

Deutlich diffuser ist die Sicht der Shopbetreiber. Eine einheitliche Sicht der Händler lässt sich kaum formulieren. Stationären Einzelhändlern, die in ihren Geschäften, aber auch online viel für die Marken tun, werden eBay-Anbieter ebenfalls ein Dorn im Auge sein.

Shopbetreiber, die mit Abverkäufen über Plattformen gute Erfahrungen gemacht haben, werden neu auferlegte Beschränkungen im Online-Vertrieb sehr kritisch sehen und als Bevormundung empfinden.

Vertriebssystem entscheidet

Generell sind spürbare Wettbewerbsbeschränkungen untersagt. Ob der Ausschluss bestimmter Internet-Plattformen rechtlich ausnahmsweise zulässig ist, hängt unter anderem von der Art des Vertriebssystems ab, in das der betroffene Händler eingebunden ist. Hier gelten bei Alleinvertriebssystemen andere Vorgaben, als etwa im Selektivvertrieb.

Beschränkungen in Alleinvertriebsverträgen kaum zu rechtfertigen

Bei Alleinvertriebssystemen wird den Händlern ein konkretes Gebiet oder eine bestimmte Kundengruppe exklusiv zugewiesen. Solchen Händlern darf zwar eine aktive Ansprache von nicht zugewiesenen Kunden verboten werden.

Der Online-Vertrieb wird aber grundsätzlich als passive Vertriebsform angesehen, so dass den Exklusivvertriebspartnern in aller Regel weder ein eigener Online-Shop noch der Vertrieb über eBay und Amazon verboten werden darf.

Zulässig ist jedoch das Verbot jeder Maßnahme, die nicht zugewiesene Kunden auf das eigene Online-Angebot locken und zum Kauf ermuntern soll. Die Schwierigkeit liegt hier also in der Frage, wann es sich um eine solche aktive Form der Kundenansprache handelt.

Im Selektivvertrieb entscheidet die Qualität

Insbesondere hochwertige Produkte werden häufig in Selektivvertriebssystemen vertrieben, bei denen der Hersteller seine Händler nach festgelegten qualitativen Kriterien auswählt und sich gegenüber allen Händlern verpflichtet, die Waren ausschließlich an diesen Kriterien entsprechende Händler zu liefern.

Im selektiven Verrieb kann der Ausschluss des Vertriebs über Plattformen mit solchen Qualitätsanforderungen gerechtfertigt sein.

Allerdings ist der Hersteller bei der Festlegung der Qualitätskriterien nicht vollkommen frei. Zwar steht ein Selektivvertriebssystem grundsätzlich jeder Marke offen, bei der es in der Natur des vertriebenen Produktes liegt, dass bestimmte Anforderungen an den Weiterverkauf gestellt werden.

Es muss sich dabei nicht unbedingt um besonders exklusive Luxus-Marken handeln.

Der Hersteller darf aber nur solche Kriterien aufstellen, die objektiv geeignet und erforderlich sind, einem legitimen Zweck (also etwa der Imagepflege) zu dienen. Dabei darf der Hersteller nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes grundsätzlich nicht zwischen offline und online differenzieren.

Wer seine Waren offline in Discountmärkten anbietet, darf zum Beispiel online nicht ein Shop-in-Shop-System verlangen. Grundsätzlich müssen hier die gleichen Maßstäbe gelten, soweit sich Unterschiede nicht direkt aus den Eigenheiten des Internets als Vertriebskanal ergeben.

Ob einzelne Kriterien – etwa der Ausschluss von eBay als Verkaufweg – zulässig sind, ist bisweilen schwierig zu beurteilen. Der Hersteller von Scout-Schulranzen etwa hatte seinen Händlern den eBay-Verkauf generell untersagt.

In anschließenden gerichtlichen Auseinandersetzungen gewann der Hersteller vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe; vor dem Berliner Landgericht war dagegen der Händler erfolgreich.

Neue Hersteller-Richtlinien – was tun?

Ähnlich wie die Adidas und Scout verfahren viele Hersteller oder Großändler, wenn sie ihre Rechte bei dem Vertrieb im Netz wahren wollen. Den Händlern werden – oft durch Zusätze zu den bestehenden Verträgen – Vorgaben für den Online-Verkauf oder die Online-Werbung gemacht.

Händler, die sich an diese Vergaben nicht halten, werden anschließend entweder überhaupt nicht mehr beliefert oder in anderer Weise gegenüber anderen Händlern schlechter behandelt. Häufig ändern sich aufgrund einer geänderten Rabattstruktur dann die Einkaufspreise für die betreffenden Shopbetreiber.

Online-Händler sind gegen solche Beschränkungen ihrer Lieferanten nicht machtlos. Wen neue Vorgaben der Lieferanten beeinträchtigen, sollte zunächst prüfen lassen, ob diese Beschränkungen kartellrechtlich zulässig sind.

Ist das nicht der Fall, sollte man unter Hinweis auf die Vorgaben des Kartellrechts an den Lieferanten herantreten und eine Einigung suchen.

Notfalls kann der Händler auch mit gerichtlicher Hilfe gegen unberechtigte Lieferbeschränkungen vorgehen.

Auch ein Anspruch des Online-Händlers auf Weiterbelieferung zu den bisherigen Konditionen ist denkbar. Wird der Händler in eine andere Händler-Kategorie eingestuft und erhält deswegen schlechtere Einkaufskonditionen, kann ein Anspruch auf Wiederherstellung des alten Zustandes bestehen.

Selbst wenn die den Händlern auferlegten Beschränkungen mit dem Kartellrecht vereinbar sind, steht der Händler nicht vollständig rechtlos. Er kann etwa prüfen, ob die von dem Händler auferlegten Vorgaben auch auf andere Weise einzuhalten sind, also ein Kompromiss auf tatsächlicher Ebene möglich ist.

Wenn etwa die Vorgabe lautet, dass ein echter Marken-Shop innerhalb des Onlineshops betrieben werden müsse, so könnte etwa geprüft werden, ob ein solcher Shop nicht auch unter der Drittplattform, wie etwa unter amazon.de möglich ist. Immerhin findet sich dort zum Beispiel ein gesonderter Shop der Marke Puma (www.amazon.de/puma-shop).

In Anbetracht des großen Umsatzpotentials von Amazon und eBay dürfte dies in vielen Fällen einen akzeptablen Kompromiss darstellen. Dass dies von einzelnen Händlern allein nicht zu bewerkstelligen ist, liegt auf der Hand.

Für den Händler wichtiger ist jedoch der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Händler innerhalb eines Selektivvertriebssystems. Stellt der Shopbetreiber fest, dass einzelnen Händlern der Weiterverkauf auf Amazon oder über eBay weiterhin gestattet ist, kann er verlangen, dass auch diesen Händlern der Vertrieb über solche Drittplattformen umgehend untersagt wird.

Geht der Hersteller bzw. Großhändler nicht mit dem gebotenen Nachdruck gegen solche Verstöße vor, besteht wiederum ein Anspruch des Händlers, ebenfalls auf solchen Drittplattformen anbieten zu dürfen. Auf diese Weise können auch Händler, die sich den – zulässigen – Beschränkungen unterwerfen, für eine Gleichbehandlung sorgen.

Über die Autoren

RA Lukas Bühlmann

Lukas Bühlmann ist Rechtsanwalt und Inhaber der Züricher Kanzlei Bühlmann Rechtsanwälte AG und berät Unternehmen vorwiegend in den Bereichen Vertrieb, E-Commerce, Werbung und Wettbewerb sowie Produktrecht. Er unterstützt seine Mandanten insbesondere bei der rechtssicheren Ausgestaltung ihrer Online-Geschäftskonzepte und des Vertriebs über Webshops. Weitere Informationen zu Bühlmann Rechtsanwälte finden Sie unter www.br-legal.ch.

RA Dr. Martin Schirmbacher

Martin Schirmbacher ist Fachanwalt für IT-Recht und seit Jahren in der auf Medien und Technologie spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei HÄRTING Rechtsanwälte (www.haerting.de) tätig. Er prüft dort unter anderem Online-Geschäftskonzepte seiner Mandanten und zeigt Wege zur rechtssicheren Ausgestaltung der Geschäftsidee.