Aktuell heiß diskutiert wird der Gesetzentwurf zum Schutz der Verbraucher vor Kostenfallen. Verbraucherministerin Aigner bevorzugt ein aufwändiges Doppel-Klick-Verfahren. DIHK und Trusted Shops haben einen pragmatischen Gegenentwurf unterbreitet und führen nun gemeinsam eine Umfrage zu diesem wichtigen Thema durch.
Ihre Meinung ist gefragt.
Geht es nach dem Willen der Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner, müssen Verbraucher bei Internetgeschäften künftig einem Vertragsschluss ausdrücklich zustimmen – und das gleich zweimal. Diese so genannte „Button-Lösung“ sieht vor, dass der Bestellvorgang künftig so zu gestalten ist, dass der Verbraucher seine Willenserklärung zum Vertragsschluss erst abgeben kann, nachdem er den hervorgehobenen Hinweis zu den Vertragskosten zur Kenntnis genommen und aktiv bestätigt hat.
Trusted Shops und der Deutsche Industrie und Handelskammertag (DIHK) stellt diesem Entwurf eine aus ihrer Sicht praxisnähere Alternative entgegen: Die Schaltflächen-Variante.
Hiernach reicht eine einmalige Bestätigung aus, da die Schaltfläche, mit deren Betätigung der Verbraucher seine Willenserklärung zum Vertragsschluss abgibt, beispielsweise mit den Worten “zahlungspflichtig bestellen” beschriftet sein muss. Diesen Entwurf hat Trusted Shops Justiziar Dr. Carsten Föhlisch bereits am 3. Februar bei einer Anhörung im Bundesjustizministerium vorgestellt und ist dabei auf großes Interesse der Fachkreise sowohl auf Verbraucher- als auch auf Wirtschaftsseite gestoßen. Gleichwohl möchte die Bundesverbraucherministerin derzeit nicht von Ihrem Vorschlag abweichen.
DIHK und Trusted Shops sind nun vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWI) gebeten worden, unter ihren Mitgliedern und Lesern nachzufragen, welche Lösung die Online-Händler bevorzugen würden. Dabei spielen für den Vergleich der beiden Varianten die technische Umsetzbarkeit und der Umsetzungsaufwand eine Rolle.
Die Ergebnisse werden nach der Auswertung den Ministerien als zusätzliche Arbeitsgrundlage zur Verfügung gestellt.
Sie können bis zum 03. April an der Umfrage teilnehmen.
Es entspricht eigentlich der allgemeinen Lebenserfahrung auch simpel gestrickter Kunden, dass die Bestellung von Waren in Internetshops mit Kosten verbunden ist. Auch ist es Standard, dass im Rahmen des Bestellprozesses über die Höhe der Kosten informiert wird. Welchen Sinn hat also dieser Gesetzesentwurf? Das Verschleiern entstehender Kosten, wie es einige unseriöse Download-Seiten vornehmen, führt doch bereits heute dazu, dass ein Vertrag und damit eine Zahlungsverpflichtung nicht zustande kommen. Im Ergebnis schützt dieser Gesetzentwurf den Verbraucher nicht zusätzlich, bringt jedoch für die Händler Kosten mit sich.
Bei ihrer Umfrage war übrigens das Kostenmaximum mit 2000 Euro für diese Umstellung angegeben. Ich möchte mal vorsichtig darauf hinweisen, dass eine Änderung im Bestellprozess nicht ungefährlich ist und die Kosten dieser Änderung nicht nur die Programmierung, sondern auch die vorherige Informationsbeschaffung über die dann hoffentlich korrekte Ausgestaltung der Änderung beinhalten.
Im Ergebnis eine Gesetzesänderung von größter Nutzlosigkeit: Unseriöse Anbieter werden weiterhin unberechtigte Forderungen per Inkasso durchzusetzen versuchen, während der allergrößte Teil der Händler bereits vorher keinen Zweifel daran gelassen hat, seine Waren nicht verschenken zu wollen. Erfreulich wäre es, wenn eine Ministerin ihre Zeit etwas sinnvoller nutzen könnte.
Hier noch einmal meine Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf, die so dem Bundesjustizministerium vorlag und am 3. Februar 2011 dort diskutiert wurde:
Stellungnahme zum Gesetzentwurf
Wenngleich das Ziel des Gesetzes, Kosten- und Abofallen im Internet entgegen zu wirken, zweifelsohne erstrebenswert und richtig ist, machen wir uns für den Fall der Umsetzung der geplanten Button-Lösung große Sorgen, dass hierdurch in erster Linie seriöse Händler mit wettbewerbsrechtlichen (teils missbräuchlichen) Abmahnungen wirtschaftlich geschädigt werden, der eigentliche Zweck des Gesetzes jedoch nicht oder nur in geringem Maße erreicht werden kann.
Verhinderung von Kosten- und Abofallen
Das Gesetz ist aus unserer Sicht nicht geeignet, Kosten- und Abofallen wirksam zu bekämpfen. Kennzeichnend ist für solche unseriösen Angebote seit eh und je, dass sie sich durch Verlagerung des Firmensitzes in das Ausland, Gründung ständig neuer Unternehmen, Wechsel der Geschäftsführer etc. der Rechtsverfolgung entziehen und sich ohnehin nicht an bestehende Gesetze halten. Vielmehr werden Verbraucherinnen und Verbraucher durch Drohungen mit Inkasso oder Schufa-Einträgen dazu veranlasst, nicht bestehende Forderungen gleichwohl zu zahlen, um „Ruhe“ zu haben.
Jedoch ist bereits das geltende Recht ein wirksamer Schutz gegen solche Kosten- und Abofallen, wenn es nur durchgesetzt und der Verbraucher darüber aufgeklärt wird. So kommt in vielen Fällen mangels wirksamer Einigung über einen kostenpflichtigen Vertrag überhaupt kein Vertrag zustande. Selbst wenn, wäre ein solcher Vertrag wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung anfechtbar.
Überdies besteht auch mindestens ein 14tägiges fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht, dessen Frist sich in vielen Fällen mangels rechtzeitiger, nicht formgerechter oder nicht vorhandener Belehrung über das Widerrufsrecht auf einen Monat, sechs Monate oder gar unbestimmte Zeit verlängert. Dies bestätigt auch die ganz überwiegende Rechtsprechung, lediglich in Einzelfällen haben Abofallenbetreiber daher überhaupt Gerichtsverfahren eingeleitet und in noch weniger Fällen vor Gericht Recht bekommen.
Aufklärungs- und Vollzugsdefizit
Grund für die Verbreitung von Kostenfallen ist in erster Linie ein Aufklärungsdefizit. Wären Verbraucherinnen und Verbraucher besser informiert, beraten und aufgeklärt, wüssten sie, dass sie solche unseriösen Forderungen nicht begleichen müssen und keine Schufa-Einträge zu fürchten haben. Eine derartige Aufklärung hat etwa die Stiftung Warentest vorgenommen.
Es wäre sinnvoll, in solche Kampagnen zu investieren und flankierend öffentlich-rechtliche und strafrechtliche Mittel voll auszuschöpfen. Aus eigener Erfahrung mit strafbaren Markenverletzungen wissen wir, dass die Staatsanwaltschaften Strafverfahren rasch einstellen, wenn ein Auslandsbezug vorliegt oder unklar ist, wer der Täter einer Internetstraftat ist. Dies ist auch bei Abofallen charakteristisch.
Die konsequente strafrechtliche Verfolgung sowie der Entzug von Gewerbeerlaubnissen sind wirksame Maßnahmen im Kampf gegen Abofallen. Die Annahme, dass durch eine bloße Gesetzesänderung die Verbraucher besser informiert seien und dann nicht mehr – auch künftig zu erwartende – unberechtigte Rechnungen zahlen, statt sie zu ignorieren, ist fernliegend. Soweit Mittel zur Aufklärung zur Verfügung stehen, könnten diese sinnvoller zur Aufklärung über die geltende Rechtslage sowie die personelle Ausstattung der Verbraucherzentralen und Strafverfolgungsbehörden verwendet werden
Unseriöse Unternehmen ignorieren Gesetze ohnehin
Schließlich zeigt die Erfahrung mit dem Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen vom 29. Juli 2009, dass unseriöse Anbieter schnell Wege finden, neue Gesetze zu umgehen. So stufen etwa viele Anbieter von unseriösen Download-Portalen ihre Leistung seit August 2009 nicht mehr als Dienstleistung ein, weil das Widerrufsrecht durch Neufassung des § 312d Abs. 3 BGB praktisch nicht mehr zum Erlöschen gebracht werden kann. Stattdessen werden Datei-Downloads nun als Lieferung von Waren eingestuft, die aufgrund ihrer Beschaffenheit zur Rücksendung nicht geeignet sind (§ 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB).
Ebenso ist absehbar, dass auch das vorliegende Gesetz – soweit es nicht vollständig ignoriert wird – von unseriösen Unternehmen umgangen wird, etwa indem ein hervorgehobener Kostenhinweis in Schritt 1 und eine Bestätigung der Kenntnisnahme in Schritt 5 erfolgt oder die Bestätigungs-Checkbox vorangekreuzt ist.
Auswirkungen auf seriöse Anbieter
Völlig unangemessen sind hingegen die Auswirkungen auf seriöse Anbieter, vor denen niemand geschützt werden muss, die jedoch von dem Gesetz voll getroffen werden. Es ist nicht nachvollziehbar, wie das BMJ zu der Annahme kommt, dass 30% der im Onlinehandel tätigen Unternehmen ihre Onlineshops nicht anpassen müssen. Vielmehr gibt es aktuell keinen einzigen Anbieter, der die Vorgaben des § 312e Abs. 2 BGB-E mit hinreichender Gewissheit bereits erfüllt. Dies liegt auch daran, dass die unbestimmten Formulierungen „hervorgehoben“, „deutlich gestaltet“ und „bestätigt“ einen erheblichen Interpretationsspielraum eröffnen.
Derzeit finden sich im Bestellablauf seriöser Händler zwar auf der letzten Seite regelmäßig Aufstellungen der Gesamtkosten, wie in § 312e Abs. 2 Nr. 1 BGB-E beschrieben, denn diese sind ja bereits in bestehenden Gesetzen geregelt. Diese Aufstellungen sind jedoch nicht „hervorgehoben“ und auch kein „Hinweis“, sondern eben eine Tabelle mit Produktbezeichnungen und Preisen. Auch ist unklar, warum das BMJ in der Begründung wie selbstverständlich davon ausgeht, dass die Bestätigung durch „Anklicken eines Buttons“ erfolgen kann und wie dieser Button dann genau zu bezeichnen ist.
“Button”- oder “Bestätigungs”-Lösung?
Der Wortlaut „bestätigen“ spricht klar für eine nicht vorangekreuzte Checkbox, die der Verbraucher aktiv und bewusst anhaken muss, wie dies derzeit etwa bei Bestellung eines E-Mail-Newsletters wegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG und § 13 Abs. 2 TMG praktiziert wird. Auch bleibt im Dunkeln, ob die Bestätigung der Kenntnisnahme des „Hinweises“ (der Tabelle?) mit anderen Zustimmungen, etwa der Kenntnisnahme der AGB, Datenschutzerklärung oder des Widerrufsrechts gekoppelt oder gar durch Aufnahme des Bestätigungstextes in die AGB oder sonstige Informationsdokumente erfolgen kann. Es bleibt mithin in hohem Maße unklar, wie eine rechtskonforme Gestaltung konkret auszusehen hat.
Selbst wenn die Shopsystem-Anbieter, Portale und Agenturen die Abläufe ihrer Bestellsoftware in der äußerst knapp bemessenen dreimonatigen Umsetzungsfrist nach bestem Wissen und Gewissen ändern, werden hierauf spezialisierte Anwälte wegen des großen Interpretationsspielraums die Konformität einzelner Gestaltungen mit § 312e Abs. 2 BGB-E im Wege der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung (Verstoß gegen Marktverhaltensregel) einer Klärung zuführen und sei es nur, um damit Gebühren auszulösen bzw. Kleinunternehmer einzuschüchtern, die – ähnlich den Abofallen-geplagten Verbrauchern – aus Angst vor Kosten und Ärger den Widerstand scheuen.
Neue Abmahnwellen?
Es wird Existenzgründer geben, die solche Auseinandersetzungen wirtschaftlich nicht verkraften und ihr Geschäft nach ein oder zwei Abmahnungen wieder aufgeben werden. Dies alles kann nicht im Sinne des Gesetzgebers und auch nicht im Sinne des Verbraucherschutzes sein.
Das Gesetz wird daher höchstwahrscheinlich zu neuen, völlig unnötigen „Abmahnwellen“ führen. Für die ohnehin schon durch Abmahnmissbrauch und eine unangemessen dichte Regulierung geplagten Onlinehändler ist dies – insbesondere weil das Gesetz zur Bekämpfung unseriöser Anbieter nicht geeignet ist – schlichtweg unerträglich.
Alternativvorschlag
Sollte sich der Gesetzgeber trotz der geäußerten erheblichen Bedenken gleichwohl entschließen, § 312e BGB zu ändern, sollten Wiederholungen bestehender Gesetze (PAngV, Art. 246 § 1 EGBGB), die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und die Beschreibung unklarer Abläufe unbedingt vermieden, sondern klare und unzweifelhafte Vorgaben gemacht werden.
Hierfür wäre eine „Button“-Lösung im wahrsten Sinne des Wortes statt einer „Hervorhebungs“-„Deutliche Gestaltungs“-„Bestätigungs“-Lösung bestens geeignet. Der Gesetzgeber könnte vorschreiben, wie der „Button“, der die kostenpflichtige Bestellung auslöst, zu bezeichnen ist:
§ 312e Abs. 2 BGB-E (Alternative)
„Bei einem Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr zwischen einem Unternehmer und Verbraucher, der eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat, hat der Unternehmer die Schaltfläche, die die verbindliche Vertragserklärung des Verbrauchers auslöst, mit den Worten „Kostenpflichtig bestellen“ zu beschriften. Ein Vertrag, der nicht unter Beachtung des Satzes 1 geschlossen wird, ist nichtig.“
Auf diese Weise könnten Verbraucherinnen und Verbraucher mindestens ebenso gut geschützt werden, da sie sich bei Klick auf einen solchen Button zwingend fragen würden, welche Kosten denn nun entstehen und für den Fall, dass dies nicht klar ist, den Bestellvorgang abbrechen würden. Auch eine Aufklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher über einen solchen verbindlichen Button-Text und die Nichtigkeitsfolge wäre sehr viel einfacher als die Erläuterung des aktuell sehr komplex ausgefallenen Gesetzestextvorschlags.
Die seriösen Händler hätten zudem eine klare Vorgabe, die ohne Weiteres durch Umbenennung des letzten Buttons im Bestellablauf umgesetzt werden könnte. Für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen auf Basis eines höchst interpretationsbedürftigen Gesetzes gäbe es keinen Raum.
Hintergrundbericht hier:
http://www.shopbetreiber-blog.de/2010/11/22/buttonloesung/
Vieleicht hilft es auch wenn jeder eine email an Frau Aigner sendet:
ilse.aigner@bundestag.de
Zitat:
“Welche Lösung halten Sie für besser geeignet, unseriöse Anbieter im Internet (sog. Abo- oder Vertragsfallen) zu bekämpfen?”
Wie wäre es noch mit der Möglichkeit “gar keine”. Schließlich kann keine noch so gut formulierte Lösung vor Betrug schützen oder den menschlichen Verstand oder den gut informierten Verbraucher ersetzen.
Anstatt den Verbrauchern bei Betrugsfällen gute Werkzeuge in die Hand zu geben, werden sie immer mehr entmündigt und den seriösen Anbietern immer mehr Steine in den Weg gelegt.