Eine korrekte Belehrung über das Widerrufsrechts ist kompliziert, aber dank der Musterbelehrungen in der BGB-InfoV möglich. Allerdings waren diese Muster nicht immer korrekt. Früher stand in diesen, dass die Frist “frühestens mit Erhalt dieser Belehrung” beginne. Mit dieser Belehrung beginne die Frist überhaupt nicht zu laufen, da diese Belehrung falsch ist, entschied nun das LG Gießen.
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Das LG Gießen (Urteil v. 24.02.2010, Az: 1 S 202/09) hatte über den Widerruf eines Verbrauchers zu entscheiden, welchen er ca. 6 Monate nach Vertragsschluss erklärte.
Am 26.01.2007 bestellte der Verbraucher einen Computer und bezahlte per Vorkasse. Am 14.02.2007 lieferte die Beklagte den Computer aus.
Fehlerhafte Widerrufsbelehrung
Der Warenlieferung war eine Rechnung beigefügt, auf der es hieß:
“Verbraucher können ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angaben von Grünen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.”
Der Kläger erhob zunächst Mängelrügen und schickte den PC an die Beklagte zurück. Mit einer E-Mail vom 18.07.2007 erklärte er den Rücktritt vom Vertrag und verlangte die Kaufpreiserstattung. Die Beklagte erkannte jedoch die Mängelrügen nicht an. Daraufhin schaltete der Verbraucher seinen Anwalt ein, welcher am 30.07.2007 den Widerruf des Vertrages gemäß §§ 312b, 355 BGB erklärte.
Entscheidung des AG Gießen
Das AG Gießen verurteilte die Beklagte im Wege eines Versäumnisurteils dazu, den Kaufpreis i.H.v. 1.866,45 Euro zu erstatten. Gegen dieses Versäumnisurteil legte die Beklagte Einspruch ein. Daraufhin hob das Amtsgericht das Urteil wieder auf und wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dass der Kläger den Kaufvertrag nicht innerhalb der Widerrufsfrist widerrufen hätte. Die Belehrung sei ordnungsgemäß erfolgt, sodass die Widerrufsfrist ab Zusendung der Ware zwei Wochen betragen hätte.
Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung ein.
Widerrufsfrist hatte noch nicht begonnen
Das LG entschied, dass der Kläger den Vertrag zwar nicht innerhalb von zwei Wochen widerrufen hätte, aber dieser Umstand unerheblich sei. Die Widerrufsfrist hatte noch nicht zu laufen begonnen, da die Belehrung nicht ordnungsgemäß i.S.d. § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB erfolgte.
“Die von der Beklagten verwendete Klausel enthält keinen ausreichenden Hinweis auf den Beginn der Widerrufsfrist und trägt damit nicht den gesetzlichen Anforderungen Rechnung, die an eine Belehrung gestellt werden (§ 312d Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 355 Abs. 2 BGB).
Nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt die Widerrufsfrist mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die unter anderem einen Hinwies auf den Fristbeginn zu enthalten hat, in Textform mitgeteilt worden ist.”
Das Ziel dieser Vorschrift sei es, dem rechtsunkundigen Verbraucher über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren. Dieses Ziel erfordere eine möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Belehrung.
“Frühestens mit Erhalt der Belehrung”
Die von der Beklagten verwendete Belehrung genügte jedoch nicht diesen Anforderungen, da sie den Verbraucher nicht richtig über den Beginn der Widerrufsfrist informierte.
“Aus Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Verbrauchers, auf den abzustellen ist, kann die Klausel den Eindruck erwecken, die Belehrung sei bereits erfolgt, wenn er sie lediglich zur Kenntnis nimmt, ohne dass sie ihm entsprechend den gesetzlichen Anforderungen in Textform mitgeteilt worden ist. Die Belehrung ist ferner nicht möglichst umfassend. Der Verbraucher kann der Klausel wegen des verwendeten Worts “frühestens” zwar entnehmen, dass der Beginn des Fristlaufs noch von weiteren Voraussetzungen abhängt. Er wird jedoch im Unklaren gelassen, um welche Voraussetzungen es sich dabei handelt.”
Verwendung des Musters schützt nicht
Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses verwendete der Händler das damals (im Januar 2007) aktuelle Muster aus der BGB-InfoV, um den Verbraucher über sein Widerrufsrecht zu belehren. Die half dem Händler jedoch nicht. Das Gericht hielt die Belehrung für nicht ausreichend, da sie nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für eine korrekte Belehrung erfüllte:
“Dass die Widerrufsbelehrung der Beklagten inhaltlich der damals geltenden, inzwischen mit Wirkung vom 01.04.2008 hinsichtlich der Widerrufsfrist geänderten Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV entspricht, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Kammer teilt die Auffassung des Landgerichts Halle, Urteil v. 13.5.2005, 1 S 28/05, sowie des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts, Urteil vom 25.10.2007, 16 U 70/07, dass sich die auf der Ermächtigung in Artikel 245 EGBGB beruhende Verordnung alter Fassung, da sie den gesetzlichen Anforderungen des § 355 BGB nicht entspricht, nicht mehr in den Grenzen von der Verordnungsermächtigung hält und daher nichtig ist.”
Revision wird zugelassen
Da die Belehrung über den Fristbeginn fehlerhaft war, entschied das Gericht, dass die Widerrufsfrist noch gar nicht begonnen hatte, sodass auch die Ausübung des Widerrufsrechtes noch nicht verfristet stattfand. Neben den knapp 1.900 Euro Kaufpreis musste der Händler auch noch ca. 300 Euro an Zinsen dem Kunden erstatten.
Das Gericht hat aber gegen diese Entscheidung die Revision zugelassen, da die Frage der Wirksamkeit der BGB-InfoV grundsätzliche Bedeutung hat. Die Revision wird beim BGH unter dem Aktenzeichen VIII ZR 82/10 geführt. Sobald eine Entscheidung vorliegt, werden wir Sie darüber informieren.
Fazit
Der Händler hat sich in dem Fall an die Vorgaben des Verordnungsgebers gehalten und sich rechtssicher gefühlt. Ob der Staat für die fehlerhafte Verordnung haftet, ist nicht geklärt. Die Verwendung des derzeitigen Musters wurde noch nicht erfolgreich abgemahnt.
Ab dem 11. Juni 2010 werden die Vorschriften zum Widerrufs- und Rückgaberecht neu geordnet, was zur Folge hat, dass die Musterbelehrungen in den Rang eines formalen Gesetzes gehoben werden und damit die Rechtssicherheit für den Händler weiter steigt. Die korrekte Verwendung der gesetzlichen Muster kann dann nicht mehr abgemahnt werden. (mr)
An sich schon wieder eine Schweinerei – da hält sich der Händler an die Vorgaben und benutzt den Mustertext des Gesetzgebers, und kriegt trotzdem einen drüber… Interessant ist auch wieder, für wie dumm die Gerichte die Kunden einstufen…
Hallo,
die ganze Diskussion veranlaßt mich etwas satirisches zu äußern:
so langsam bekomme ich Zweifel an unseren hervorragenden Juristen Europas.
Irgendwann habe ich gelernt, daß die Gesetzte unseres Landes für alle Menschen, welche sich darin aufhalten gelten. Sollte ein Mensch nun unwissentlich gegen ein Gesetz verstoßen wird ihm generell vorgeworfen, daß der das betreffende Gesetz hätte kennen müssen. „ Nichtwissen schützt vor Strafe nicht“ gilt da sinngemäß.
Beim Verbraucher jedoch endet diese Auffassung schlagartig.
Es hat den Anschein daß folgender Grund vorliegen könnte:
Man stelle sich vor: ein Bürger verstößt beispielsweise gegen eine schwammig gestaltete Vorschrift im Straßenverkehr. Er muß den darauf folgenden Strafzettel zahlen, auch wenn er den Gesetzestext nicht vorher als für Laien verständliche Belehrung 2x in schriftlicher Form und vor Ablauf einer 14- tägigen Frist in min. zweifacher Ausfertigung auf einem nichtflüchtigen Medium vor dem Betreten des öffentlichen Verkehrsraums in den dafür erforderlichen Rucksack gesteckt bekam.(natürlich nicht ohne eine schriftliche Bestätigung, daß er es auch gelesen und verstanden habe)
Klar der Staat bekommt ja Geld rein wenn der Bürger aus Unwissenheit was falsch macht —ist doch gut so , er soll ja lernen,—. Achso– belehrt werden , aber bitteschön immer brav bezahlen.
Anders ist das beim Einzelhandel im Internet, wenn man da genauso vorginge würde ja kein Jurist was verdienen können. Allenfalls würde man den Verbraucher darauf hinweisen, daß es ihn nicht vor Nachteilen (s.o.)
schützt wenn er unwissend ist und das Gesetz nicht liest. Analog dazu würde auch der Händler nicht vor Nachteilen geschützt sein, wenn er die betreffenden Gesetze nicht kennt.
Unsere tüchtigen Anwälte haben da offenbar einen „luftleeren“ Raum durch eine scheinbar neue Art des Versandhandels zu finden geglaubt.
Dem ist aber eigentlich nicht so. Jedenfalls ist jeder Bürger unseres Landes und Jeder der sich in unserem Land aufhält zum Einhalten der Gesetze verpflichtet. Dies beinhaltet Rechte und Pflichten.
Was um alles in der Welt hat diese tüchtigen und eifrigen Rechtskundigen geritten, diese Grundlage für unser
Gesellschaftliches Zusammenleben in Frage zu stellen?
Irgendwann bekommen die Händler eine Abmahnung wegen Diskriminierung der Verbraucher, weil sie diese durch die vielen Belehrungen als völlig verblödet erscheinen lassen.
mfg