Lesen am Bildschirm6 von 10 Webnutzern/-innen lesen Texte immer häufiger am Bildschirm – so das zentrale Ergebnis einer kürzlich durchgeführten eResult Studie. Ein überraschendes Ergebnis? Befragt wurde eine onlinerepräsentative Gruppe von 600 Webnutzern/-innen aus Deutschland.

Lesen Sie im folgenden Gastbeitrag mehr über die Ergebnisse der aktuellen Studie von eResult.

Die Fragestellung der Studie zum Leseverhalten:

„Wie hat sich Ihr Leseverhalten in den letzten Monaten verändert? Lesen Sie Texte zunehmend am Bildschirm oder drucken Sie Texte eher aus?“

59% gaben auf diese Frage die Antwort: „Anstatt Texte auszudrucken, lese ich immer öfter Texte am Bildschirm.“

Uns hat das Ergebnis zunächst überrascht. Viele Usability-Experten hatten in den letzten Jahren wiederholt darauf hingewiesen, dass Texte am Bildschirm nicht gelesen werden. Ich selbst habe das auch getan. Wir Usability-Experten konnten uns dabei auf Studien berufen, die vor 8-10 Jahren durchgeführt wurden. Inzwischen hat sich aber so einiges getan – und diese Veränderungen haben ihre Wirkungen.

Studie eResult

Erste Interpretation der Daten:

  • Die Verbreitung von Notebooks, Netbooks und mobilen Endgeräten nimmt zu. Wird mit solchen Geräten im Web gesurft, dann besteht in den meisten Fällen schlicht und ergreifend keine Möglichkeit zum Drucken – z. B. im Zug, auf dem Sofa, im Cafe, Hotelzimmer etc. Ob gewollt oder nicht, man muss am Bildschirm lesen, wenn man Informationen aufnehmen will.
  • Immer mehr Webnutzer-/innen lesen Blogs. In Blogs dominieren kurze Beiträge – im Vergleich zu klassischen Informations- und Nachrichtenportalen. Auch die Kommentare sind häufig nicht länger als 2-3 Sätze. Beiträge und Kommentare werden daher am Bildschirm gelesen und eher selten ausgedruckt.
  • Immer mehr reichweitenstarke Websites, wie z. B. Facebook oder XING, bieten die Möglichkeit, Statusmeldungen abzugeben, die aus maximal 140 Zeichen bestehen. Diese werden ebenfalls am Bildschirm gelesen – und nicht ausgedruckt.

Sicherlich gibt es weitere Gründe und Erklärungen für eine zunehmende Bereitschaft zum Lesen am Bildschirm. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie Ihre Überlegungen dazu in Form von Beitrags- und Studienkommentaren beisteuern.

Mögliche Schlussfolgerungen aus der Studie:

  • Das Verhalten von Nutzer im Web (hier: Lesen am Bildschirm) verändert sich relativ schnell.
  • Studienerkenntnisse die 8-10 Jahren „alt“ sind müssen kritisch hinterfragt werden. Wichtige Entscheidungen sollten nicht auf deren Basis abgeleitet werden.
  • Das Thema „Content-Usability“ muss wieder auf die Agenda von Website- und Shop-Betreibern.

Schaut man sich Online-Shops von Versandhändlern mit einem breiten Sortiment an, dann kommt schnell der Eindruck auf, dass sich die Betreiber wenig oder gar keine Mühe bei der Gestaltung von textlichen Produktbeschreibungen geben.

Verbale Produktbeschreibungen sind identisch und stets sehr kurz gehalten. Auch scheint man sich kaum Mühe in Bezug auf die Textstruktur und Textgestaltung zu geben. Sicherlich mit der „alten“ Erkenntnis im Hinterkopf „Nutzer lesen ja eh nicht am Bildschirm!“ Dies sollte sich unbedingt verändern, will man die Anforderungen von Nutzern an Produktdetailseiten erfüllen.

Gute Beispiele für umfangreiche und lesbare Produktbeschreibungen findet man derzeit vor allem in Online-Shops von Spezialversendern, wie z. B. Manufactum.

Manufactum Online-Shop

Ich hoffe, mit dieser Studie einen kleinen Beitrag zum Überdenken und Hinterfragen von „alten“ Erkenntnissen zum Lesen am Bildschirm geleistet zu haben.

Welche Schlüsse ziehen Sie aus den Studienergebnissen? Worin sehen Sie die zentralen Gründe und Erklärungen für eine zunehmende Bereitschaft zum Lesen am Bildschirm?

Methodische Eckdaten und Studienergebnisse:
In der eResult Download-Area können Sie einen Berichtsband zu Studie herunterladen: eResult Studie zu Veränderungen beim Lesen am Bildschirm. Die Daten wurden über den eResult Omnibus erhoben – einer monatlich durchgeführten Mehrthemenbefragung.

Der Autor:
Thorsten WilhelmThorsten Wilhelm, Gründer & geschäftsführender Gesellschafter der eResult GmbH (Göttingen, Kiel, Frankfurt am Main) ist seit 1996 als Forscher und Berater für „Usability“ und „Online-Marketing“ tätig. Er studierte an der Universität Göttingen Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Marketing und Wirtschaftspsychologie. Im Anschluss war er mehrere Jahre in der wissenschaftlichen Grundlagenforschung am Institut für Marketing und Handel der Universität Göttingen tätig (Forschungsschwerpunkte User-Tracking, Usability, Werbewirkung und statistische Datenanalysen). Dort leitete er auch eine Vielzahl von Forschungsprojekten. Im Jahr 2000 gründete Herr Wilhelm zusammen mit Frau Prof. Dr. Yom, Herrn Prof. Dr. Silberer und Dr. Wohlfahrt die eResult GmbH. Herr Wilhelm ist aktives Mitglied im Marketing-Club Göttingen, im Berufsverband der Usability Professionals und begeisterter Blogger (www.usabilityblog.de).

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