eResult LogoNehmen wir an, Google kauft einen „großen“, am Markt etablierten Händler. Dieser verfügt über ein breites Sortiment und nutzt unterschiedliche Vertriebskanäle: Einen Online-Shop, mehrere  Printkataloge und einige Läden im stationären Einzelhandel. Der zweite Beitrag zu diesem Thema widmet sich der Frage, wie eine optimale Sortimentstruktur für einen Online-Shop aussehen könnte.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema im folgenden Gastbeitrag von Thorsten Wilhelm.

Nachdem ich mich im ersten Beitrag zur Serie Google und Online-Shopping mit dem Thema „Content“ auseinander gesetzt habe, möchte ich mich heute der Strukturierung des Sortiments widmen.

Im ersten Schritt widmet sich Google einer Optimierung des Online-Shops.

Wie würde Google dabei vorgehen? Meine These: Google würde die Produkte nach Zielgruppen strukturieren und sortieren! Warum? Um den Online-Shopper in seiner Entscheidungsfindung zu unterstützen.

Schauen wir uns dazu einmal an, wie Online-Shops z. B. im Sortiment „Sport & Freizeit“ derzeit vorgehen. Fast jeder Shop bietet eine Kategorisierung nach Warengruppen oder Sportarten an, z. B. Bekleidung, Fitnessgeräte, Golf, Tennis, Wintersport. Häufig anzutreffen: Ein Zugang zu den Produkten über Markennamen wie z. B. Adidas, Nike etc. Der markenbewusste Shop-Besucher kann sich so,  mit nur einem Klick, eine Liste mit allen Sportartikeln „seiner“ Marke anzeigen lassen. Einige Online-Shops bieten zusätzlich Preiskategorien wie unter 50 Euro und 50-75 Euro usw. oder Themeneinstiege an wie z. B. Fußball WM 2010 oder Zelten im Winter.

Solche alternativen Einstiege in das Gesamtsortiment unterstützen den Shop-Besucher bei seiner Informationsbeschaffung und Entscheidungsfindung. Sie haben zudem beratende Funktion und regen ungeplante Käufe an: „Ah, super, die haben ja schon die neuen Trikots der deutschen Nationalmannschaft – mal nachschauen was die kosten.“

Das geht aber noch deutlich besser …

Lassen Sie uns dazu einen Ausflug in ein gut sortiertes,  kundenfreundliches Sportfachgeschäft unternehmen, und aufmerksam beobachten wie sich Verkäufer und Kunden dort verhalten.

Wir beobachten einen ca. 35 Jahre alten Mann, mit einem gepflegten Äußeren, der in einem hochwertigen Anzug und mit schnellem Schritt in den Laden „stürmt“. Er bewegt sich ohne große Umwege direkt in die Golf-Abteilung. Er schaut sich dort zunächst Golfschläger an, geht danach zu den Golfschuhen, nimmt 2 Schuhe in die Hand, legt sie wieder ins Regal, wendet sich kurz der Golfbekleidung zu und kehrt anschließend zu den Sets mit Golfschlägern zurück.

Ein aufmerksamer Verkäufer beobachtet dieses Verhalten und bietet ihm nach wenigen Minuten seine Unterstützung bei der Auswahl von Produkten an. Der Verkäufer hat die Vermutung, dass dieser Kunde noch nicht bzw. erst seit wenigen Jahren Golf spielt, über ein überdurchschnittliches  Einkommen verfügt, wenig Zeit zum Einkaufen hat und Golf als Mittel zum „Impression Management“ einsetzt.
Um seine Thesen zu überprüfen, stellt er im Beratungsgespräch noch an geeigneten Stellen Fragen und lenkt geschickt auf bestimmte Themen hin – wie z. B. die Kosten einer Clubmitgliedschaft. Ausgestattet mit konkreten Informationen, gelingt es dem Verkäufer, den Shop-Besucher beim Kauf eines hochpreisigen Schlägersets und einem neuen Paar Golfschuhe beratend zu unterstützen. Nach nur 15 Minuten verlässt ein sichtlich zufriedener Kunde das Sportgeschäft.

Schöne, nette Story – aber was lässt sich daraus für einen Online-Shop ableiten?

Sicherlich verschiedene Dinge. Ich persönlich leite daraus ab, dass ein Online-Shop „seine Kunden“ kennen muss, wenn er sie beraten und zufriedenstellen will. Viele Shop-Betreiber kennen die Trampelpfade ihrer Besucher, wissen welche Produkte sie in die Warenkörbe legen, welche Warenkörbe „liegen gelassen“ werden und wo Abbrüche stattfinden. Alles wichtige Daten, die nötig sind, um den eigenen Shop permanent zu optimieren.

Was aber häufig fehlt: Daten zum Alter der Kunden, deren  Interessen (z. B. betriebene Sportarten), Stellung im Beruf, Wertvorstellungen, Persönlichkeitsmerkmale und Daten zur Zufriedenheit mit dem Online-Shop.

Als Betreiber eines großen Online-Shops würde sich Google, so meine These, diese Daten schnellstmöglich beschaffen. Idealerweise über regelmäßige Umfragen am Ende von Bestellprozessen, beim Verlassen des Online-Shops oder auch über einen Hinweis auf Umfragen im Newsletter.

Ausgestatte mit diesen Daten, kann Google Artikel eines Sortimentes, z. B. „Sport & Freizeit“, einzelnen Kundengruppen zuordnen. Je mehr Daten vorliegen, desto eindeutiger gelingt diese Zuordnung. Daten sammeln ist daher erst mal angesagt und nötig.

Google stellt so beispielsweise fest, dass Golfschläger der Marke Silverline (im Halbset max. 400 Euro) und Golfschuhe von Nike (bis 120 Euro) signifikant oft von Kunden bestellt werden die:

  • zwischen 30 und 40 Jahren alt sind,
  • in einer Beziehung leben,
  • (noch) keine Kinder haben,
  • über ein hohes Einkommen verfügen und
  • seit 1-3 Jahren ihrem Hobby Golf sporadisch nachgehen.

E-Commerce Experten, Einkäufer und Verkäufer leiten auf Basis dieser Daten eine Bezeichnung für diese Kundengruppe ab. Sie einigen sich auf „sportlich ambitionierte Wochenendgolfer“.

Wie werden die gewonnenen Erkenntnisse umgesetzt?

Auf den Produktdetailseiten von Silverline Schlägersets wird explizit und deutlich darauf hingewiesen, dass diese Schläger überwiegend von sportlich ambitionierten Golfern gekauft werden, die 1-2 Mal pro Woche Golf spielen. Zudem werden zusätzliche Produkte als Kaufempfehlungen angeboten: „Sportlich ambitionierte Wochenendgolfer favorisieren auch …“ – an dieser Stelle erscheint u.a. ein Golfschuh der Marke Nike (bis zu 120 Euro).

In der Navigation des Sortiments „Sport & Freizeit“ gibt es  zusätzliche Einstiege ins Golfsortiment, differenziert nach Kundengruppen:

Golfschläger und Schuhe für:

  • Gelegenheitsgolfer
  • sportlich ambitionierte Wochenendgolfer
  • leistungsorientierte Golfer
  • ….

Kunden, die als sportlich ambitionierte Wochenendgolfer identifiziert wurden, erhalten zudem 2-3 mal im Jahr einen Newsletter, in dem auf neue Produkte, Golfkurse und Golfreisen für fortgeschrittene Golfer hingewiesen wird. In den Newslettern werden auch Tipps & Tricks zur Verbesserung der Schlagtechnik unterbreitet.

Mit Hilfe der weiterhin, permanent stattfindenden Kundenumfragen erkennt Google mit der Zeit, wie viele „sportlich ambitionierte Wochenendgolfer“ sich nach 2 Jahren zu „leistungsorientierte Golfern“ entwickeln und wie viele dieses Kundensegments den Golfsport aufgeben, um sich dem Radsport zuzuwenden. Diese Informationen werden ebenfalls bei der Gestaltung von Produktdetailseiten und Newslettern beachtet.

Nach 2-3 Jahren Erfahrung mit einem „umfragebasierten“, kundenorientierten Online-Shopping vermeldet Google im Sortiment „Golf“ eine Conversion Rate von 25% und nimmt so dem Wettbewerb immer mehr Marktanteile ab.

Was halten Sie von diesen Überlegungen? Teilen Sie meine positive Einschätzung? Und: Gibt es bereits Online-Shops, die derart vorgehen?

P.S.: Der „smarte“ 35- jährige Kunde des Sportfachgeschäfts würde ganz sicher den Einstieg: „leistungsorientierter Golfer“ wählen, obwohl er mit dem Golfen erst begonnen hat.

Der Autor:

Thorsten WilhelmThorsten WilhelmThorsten Wilhelm, Gründer & geschäftsführender Gesellschafter der eResult GmbH (Göttingen, Kiel, Frankfurt am Main) ist seit 1996 als Forscher und Berater für „Usability“ und „Online-Marketing“ tätig. Er studierte an der Universität Göttingen Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Marketing und Wirtschaftspsychologie. Im Anschluss war er mehrere Jahre in der wissenschaftlichen Grundlagenforschung am Institut für Marketing und Handel der Universität Göttingen tätig (Forschungsschwerpunkte User-Tracking, Usability, Werbewirkung und statistische Datenanalysen). Dort leitete er auch eine Vielzahl von Forschungsprojekten. Im Jahr 2000 gründete Herr Wilhelm zusammen mit Frau Prof. Dr. Yom, Herrn Prof. Dr. Silberer und Dr. Wohlfahrt die eResult GmbH. Herr Wilhelm ist aktives Mitglied im Marketing-Club Göttingen, im Berufsverband der Usability Professionals und begeisteter Blogger (www.usabilityblog.de).

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