Schon öfter berichteten wir hier im Blog darüber, ob AGB-Klauseln nun abgemahnt werden können oder nicht. Die Gerichte sind sich in dieser Frage nicht einig. Auch das OLG Celle hat in dieser Frage eine Entscheidung getroffen und festgestellt, dass fehlerhafte AGB-Klauseln gleichzeitig einen Wettbewerbsverstoß darstellen und somit abgemahnt werden können.

Im entschiedenen Fall des OLG Celle (Urteil v. 28.02.2008, Az: 13 U 195/07) hat ein Mitbewerber einen Betreiber von Lottodiensten wegen fehlerhafter AGB und irreführender Werbung durch Flyer abgemahnt. Im Flyer heißt es:

“Legen Sie die gewählte Lottokarte einfach an der Kasse vor. Direkt im Anschluss an den Bezahlvorgang werden Ihre Kontodaten mit Hilfe ihrer Bank-Karte in unser System eingelesen (…). Alle Ihre Gewinne werden automatisch auf Ihr Konto überwiesen!”

Weiter stand in den Teilnahmebedingungen, dass die Verfügungsbeklagte sich von den Spielteilnehmern bevollmächtigen lasse, etwaige Sachgewinne zu veräußern und den Veräußerungserlös einer gemeinnützigen Organisation zu spenden. In den AGB des Lottodienstebetreibers fanden sich ferner folgende AGB-Klausel:

“Die Teilnahme an den von (…) als Vermittler angebotenen Lotterieprodukten richtet sich nach den nachfolgenden AGB und den AGB der Landeslotteriegesellschaft, an die der Auftrag vermittelt wurde. Diese senden wir Ihnen auf Wunsch gerne zu. Diese AGB akzeptieren Sie mit jeder einzelnen Scheinabgabe. Die AGB von (…) werden dabei neben den AGB der Lottogesellschaft Vertragsbestandteil. …
(…) ist von den Bestimmungen des § 181 BGB befreit“

OLG Celle: Klausel ist unwirksam

Das OLG Celle hat dem Antragssteller bis auf die „§ 181 BGB-Befreiungsklausel“ zugestimmt und die Entscheidung des Landesgerichts abgeändert, die den Antragsgegner auf Unterlassung verurteilt.

Das Gericht hat zunächst entschieden, dass es sich bei den im Flyer enthaltenen beanstandeten Aussagen um irreführende Werbung (§ 8 Abs. 1 UWG i. V. m. §§ 3, 5 Abs. 1 UWG) handele. Der Flyer erwecke den Eindruck, der Spielteilnehmer erhalte alle etwaigen Gewinne, wenn er die Lottokarte mit seinem Tipp an der Kasse vorlege und seinen Einsatz bezahle. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, aus der Formulierung, alle Gewinne würden “überwiesen”, ergebe sich, dass der Spielteilnehmer keinen Anspruch auf die Auskehrung von Sachgewinnen erhalte. Es sei schon fraglich, ob einem Durchschnittsverbraucher, der beim Lesen des Flyers die situationsangemessene Aufmerksamkeit aufbringt, auffalle, dass Sachgewinne nicht überwiesen werden können.

Klausel verursacht beim Verbraucher Fehlvorstellungen

Die Verfügungsbeklagte hat eingewendet, die beanstandete Werbeaussage verursache keine Fehlvorstellung, weil der Spielteilnehmer sich über Sachgewinne keine Gedanken mache. Sonderauslosungen würden nur regional beworben, sodass beispielsweise ein Kunde in Hannover gar nichts von einer Sonderauslosung der vermittelten Lotterie in Brandenburg wisse.

„Damit hat die Verfügungsbeklagte keinen Erfolg. Sie hat bereits nicht dargetan, dass ein vermittelter Spielvertrag nicht auch mit einer Landeslotteriegesellschaft zustande kommen kann, die ihre Sachgewinne am Wohnort des Spielteilnehmers bewirbt. Außerdem ist es unerheblich, ob der Kunde von den Sonderauslosungen weiß.
Ein durchschnittlicher Lotto-Spieler geht ganz selbstverständlich davon aus, dass jeder auf seinen Tipp entfallende Gewinn an ihn ausgezahlt wird, auch wenn der Spieler sich nicht immer bewusst ist, welche Hauptgewinne, Sondergewinne, Geldgewinne, Sachgewinne u.s.w. es im Einzelnen gibt. Dieser Eindruck wird durch die streitbefangene Werbeaussage noch verstärkt.“

Gewinne waren nicht klar erkenntlich

Nach Ansicht des OLG Celle sei die angegriffene Aussage noch deswegen irreführend, weil der Spielteilnehmer nicht alle auf seinen Tipp entfallenden Gewinne erhalte. Die Verfügungsbeklagte habe sich in ihren Teilnahmebedingen vorbehalten, etwaige Sachgewinne aus Sonderauslosungen zu veräußern und den Veräußerungserlös zu spenden (Ziff. 4 e der Teilnahmebedingungen).

„Soweit die Verfügungsbeklagte behauptet, dass die Teilnahme an Sonderauslosungen regelmäßig an die Zusatzlotterien 6 und Spiel 77 oder an die Glücksspirale gekoppelt sei, und dass diese bei fast allen vermittelten Lotterie-Produkten nicht enthalten seien, ist das unerheblich. Eine Irreführung wäre auch dann zu bejahen, wenn die genannten Zusatzlotterien mit Sachgewinnen nur bei einigen wenigen bei (…) vermittelten Lotterie-Produkten enthalten wären und wenn es nur bei einem Teil dieser Zusatzlotterien zu Auslosungen von Sachgewinnen käme.“

AGB waren zusätzlich noch intransparent

Auch die folgende AGB-Klausel sei nach Ansicht des OLG Celle unlauter im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, weil sie gegen das in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB enthaltene Transparenzgebot verstöße:

“Die Teilnahme an den von (…) als Vermittler angebotenen Lotterieprodukten richtet sich nach den nachfolgenden AGB und den AGB der Landeslotteriegesellschaft, an die der Auftrag vermittelt wurde. Diese senden wir Ihnen auf Wunsch gerne zu. Diese AGB akzeptieren Sie mit jeder einzelnen Scheinabgabe. Die AGB von (…) werden dabei neben den AGB der Lottogesellschaft Vertragsbestandteil.”

Der Verstoß besteht darin, dass für den Kunden nicht erkennbar werde, auf welche AGB einer Landeslotteriegesellschaft die Beklagte verweise:

„In Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann ein Verweis auf andere allgemeine Regelungen zulässig sein. Das setzt aber voraus, dass beide Klauselwerke wirksam in den Vertrag einbezogen werden. Dazu muss der Verwender seinem Vertragspartner die Kenntnisnahme von allen Bedingungen ermöglichen. Ein bloßer Verweis auf weitere, nicht mit abgedruckte Bedingungen reicht regelmäßig nicht aus, um auch sie in das Vertragswerk einzubeziehen (BGH, Urteil vom 19. Januar 2005 – XII ZR 107/01; Palandt/Heinrichs, 67. Aufl., § 305 Rn. 36 m.w.N.).
Im Streitfall hätte die Verschaffung der Möglichkeit, in zumutbarer Weise vom Inhalt der Geschäftsbedingungen der Landeslottogesellschaft Kenntnis zu nehmen, vorausgesetzt, dass die Geschäftsbedingungen der Landeslottogesellschaft in den (…)-Filialen zur Kenntnisnahme bereitgehalten worden wären (vgl. Palandt/Heinrichs a.a.O. Rn. 34).“

Wer wird Vertragspartner?

Von dem Zusendungsangebot könne der Kunde bis zum Vertragsabschluss nicht in zumutbarer Weise Gebrauch machen, weil der Vertrag bereits zu Stande komme, wenn die von der Verfügungsbeklagten elektronisch übermittelten Daten in der Zentrale der jeweiligen Lotteriegesellschaft aufgezeichnet und auf dem sicheren Speichermedium abgespeichert seien.

Die Behauptungen, dass der Verfügungsbeklagten bei Abschluss des jeweiligen Vermittlungsvertrages nicht wisse, an welche Lotteriegesellschaft sie den Spielvertrag vermittle und dass es technisch nicht möglich sei, dem Kunden schon vor Abgabe des Spielscheins die betreffende Landeslotteriegesellschaft und deren Geschäftsbedingungen mitzuteilen, habe sie nicht glaubhaft gemacht.

Fehlerhafte AGB-Klausel ist abmahnbar

Weiterhin hat das OLG Celle entschieden, dass die Verwendung unwirksamer AGB als unlauterer Wettbewerb im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG anzusehen sei, sofern diese, wie hier, das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher wesentlich beeinflussen. Bei den §§ 305 ff. BGB handele es sich um Vorschriften, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, so das OLG Celle. Diese Ansicht teilen auch das KG Berlin (Beschluss v. 3.4.2007, 5 W 73/07) und OLG Hamm (Urteil v. 30. März 2006, 4 U 3/06).

“Die entgegengesetzte Auffassung des OLG Hamburg (Beschluss v. 13.11.2006, 5 W 162/06) und des OLG Köln (Urteil v. 30.3.2007, 6 U 249/06) wird im Wesentlichen damit begründet, dass nicht jede verbraucherschützende Norm dazu bestimmt sei, das Marktverhalten zu regeln; die §§ 305 ff. BGB gehörten – von bestimmten Fällen abgesehen – nicht zu den Marktverhaltensregelungen, da sie darauf gerichtet seien, das individuelle Verhältnis der Vertragsparteien zueinander zu bestimmen.
Dies überzeugt den Senat nicht. Die Anwendung der §§ 305 ff. BGB setzt für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen voraus. Ihr Zweck ist nicht nur der Schutz der individuellen Interessen des jeweiligen Vertragspartners, sondern ein typisierter Interessenschutz der Marktgegenseite (KG a.a.O.). Es handelt sich deshalb bei den §§ 305 ff. BGB um Vorschriften, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.“

Die Verfügungsklägerin hat ferner geltend gemacht, der letzte Satz in Ziff. 1 e) der Geschäftsbedingungen “(…) ist von den Bestimmungen des § 181 BGB befreit” verstoße gegen § 307 Abs. 1 BGB, weil die Klausel keine Konkretisierung der Befreiung von den einschränkenden Bestimmungen des § 181 BGB enthalte, insbesondere keine Beschränkung dieser Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot ausschließlich für Zwecke der Wahrnehmung der treuhändlerischen Aufgabe der Bildung von Spielgemeinschaften vorsehe. Dieser Auffassung könne nicht gefolgt werden, so das OLG Celle:

„Es braucht nicht entschieden zu werden, ob in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine nicht gegenständlich beschränkte Befreiung von der Bestimmung des § 181 BGB nach § 307 BGB unwirksam ist. Denn in der angegriffenen Klausel ist eine solche gegenständliche Beschränkung enthalten. Die Befreiung der Verfügungsklägerin von den in § 181 BGB geregelten Beschränkungen eines Vertreters kann naturgemäß nur so weit greifen, wie die Verfügungsklägerin zur Vertretung bevollmächtigt worden ist.
Dazu bestimmt § 1 e der Teilnahmebedingungen, dass der Teilnehmer die Verfügungsklägerin bevollmächtigt, in seinem Namen einen Gesellschaftsvertrag zur Gründung einer Tippgemeinschaft zu gründen, Geschäftsbesorgungsverträge zur Vermittlung der Spielteilnahme mit der Spielgemeinschaft zu schließen, für die Spielgemeinschaft Spielverträge mit den Lottogesellschaften abzuschließen und Rechtsgeschäfte zu tätigen, die dem Gesellschaftszweck der Spielgemeinschaft dienen. Nur in Bezug auf diese Vollmacht ist im letzten Satz von Ziff. 1 e der Teilnahmebedingungen eine Befreiung von den Bestimmungen des § 181 BGB geregelt. Somit lässt sich die beanstandete (…). Da dies eindeutig ist, bleibt für eine “kundenfeindlichste Auslegung” kein Raum.“

Der Senat hat schließlich der Auffassung des Landgerichts zugestimmt, dass die Klausel 4 e der Teilnahmebedingungen, wonach die Verfügungsbeklagte sich von den Spielteilnehmern bevollmächtigen lässt, etwaige Sachgewinne zu veräußern und den Veräußerungserlös einer gemeinnützigen Organisation zu spenden, überraschend im Sinn des § 305 c Abs. 1 BGB und daher unwirksam sei. Der geltend gemachte Anspruch, die Verwesung dieser Klausel zu unterlassen, steht der Klägerin gemäß §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG zu. (mr)

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