Neues Muster - alte ProblemeEigentlich sollte es sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass seit 1.4.2008 die neue Musterbelehrung des Bundesjustizministeriums gilt. Seit 1.10.2008 ist auch die Übergangsfrist abgelaufen, so dass das alte Belehrungsmuster nicht mehr verwendet werden darf. Doch einige Shops verwenden immer noch das akut abmahngefährdete “frühestens” aus der alten Belehrung oder basteln am Originalwortlaut des neuen Musters herum. Nun wurden diese Fehler zum ersten Mal abgestraft – in Form von neuen, unnötigen Abmahnungen.

Lesen Sie mehr über neue Abmahnfallen des alten und neuen Widerrufsmusters.

Erneut haben sich die deutschen Gerichte mit Detailfragen der Widerrufsbelehrung befasst. Ein Hinweis auf die im neuen Muster genannten Paragrafen über die Pflichten im Fernabsatz und elektronischen Geschäftsverkehr als Voraussetzung für die Fristbeginn und eine Aufklärung über mögliche Wertersatzpflichten des Verbrauchers als Rechtsfolge des Widerrufs seien unverzichtbar, so das LG Frankfurt und das OLG Hamm. Das OLG München entschied zudem, eine eBay-Belehrung über einen Ausschluss des Widerrufsrechts bei “Versteigerungen” sei irreführend.

Neues Muster darf nicht einfach gekürzt werden

In dem vom LG Frankfurt mit Urteil vom 07.10.2008 (2-18 O 242/08) entschiedenen Fall wurde ein Online-Händler wegen der Verwendung folgender Widerrufsbelehrung abgemahnt:

“WIDERRUFSRECHT:
Sofern Sie als Verbraucher handeln, können Sie Ihre Vertragserklärung innerhalb von einem Monat ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Ware widerrufen. Diese Widerrufsbelehrung übermitteln wir Ihnen nochmals gesondert in Textform. Die Frist beginnt am Tag nachdem Sie die Ware und die Widerrufsbelehrung in Textform erhalten haben. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Ware.”

Hier wurde der (in Gestaltungshinweis 3 zur Musterbelehrung) etwas versteckte Hinweis “und auch nicht vor Erfüllung unserer Informationspflichten gemäß § 312c Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1, 2 und 4 BGB-InfoV sowie unserer Pflichten gemäß § 312e Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 3 BGB-InfoV” einfach weggelassen – versehentlich oder weil es dem Verwender zu intransparent erschien.

Hinweis auf die Voraussetzungen des Fristbeginns

Das LG Frankfurt entschied, dass die Belehrung fehlerhaft ist, weil sie nicht darauf hinweist, dass die Frist nicht vor Erfüllung der Informationspflichten des Unternehmers aus § 312c Abs. 2 BGB und der Pflichten aus § 312e Abs. 1 BGB beginnt. Diese Voraussetzungen für den Lauf der Widerrufsfrist waren in dem “frühestens” der alten Belehrung enthalten und können nun nicht einfach weggelassen werden:

„Die Antragsgegnerin belehrte vorliegend durch die beanstandete Widerrufsbelehrung nicht entsprechend dem Mustertext der Widerrufsbelehrung (Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3) bei Fernabsatzverträgen. Es fehlte in jedem Fall der Hinweis darauf, dass die Frist nicht vor Eingang der Ware beim Empfänger beginnt und es fehlt die Vervollständigung, dass die Frist nicht vor Erfüllung der Pflichten gemäß § 312 c Abs. 2 BGB iVm. § 1 Abs. 1,2 und 3 BGB-InfoV zu laufen beginnt.

Auch wenn sich die Pflichten für einen Verbraucher erst nach Lektüre der entsprechenden Normen des BGB erschließen, kann der Verwender nach der Intention des Gesetzgebers nicht auf die entsprechende Belehrung verzichten, zumal ihm durch das Muster zur Rückgabebelehrung auch die Formulierung vorgegeben wird.“

Es handele sich auch nicht lediglich um Bagatellverstöße, so das LG Frankfurt (vielen Dank an Rechtsanwalt Dr. Ole Damm für die Mitteilung der Entscheidung).

Hinweis auf mögliche Wertersatzansprüche

Das OLG Hamm (Beschluss v. 26.08.2008, 4 W 85/08) entschied, dass ein Hinweis auf die mögliche Wertersatzpflicht des Verbrauchers in der Widerrufsbelehrung vollständig enthalten sein muss, auch wenn die Frage, ob dieser Wertersatzanspruch überhaupt besteht, nicht abschließend geklärt ist und gerade dem EuGH zur Klärung vorliegt (vielen Dank an Rechtsanwalt Dr. Tim Becker für die Mitteilung der Entscheidung):

„Der Hinweis über die den Verbraucher treffende Wertersatzpflicht ist eine unverzichtbare Information nach § 312c Abs. 2 i.V. mit § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV. Wird die mögliche Wertersatzpflicht überhaupt nicht erläutert, liegt ein nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs zum Nachteil der Verbraucher oder der Mitbewerber vor (vgl. OLG Zweibrücken MMR 2008, 257).“

Darüber hinaus hat das OLG Hamm deutlich gemacht, dass die Entscheidung des EuGH, wonach dem Unternehmer, der eine fehlerhafte Ware geliefert hat, kein Wertersatzanspruch für die Nutzung der fehlerhaften Ware bis zum Austausch durch eine neue zustehe, zu keiner anderen Beurteilung führe.

eBay-Auktionen sind keine „Versteigerung“

Über die Nennung von Ausnahmen vom Widerrufsrecht hatte das OLG München (Urteil v. 31.01.2008, 29 U 4448/07) zu entschieden. Im entschiedenen Fall hat ein Händler, der seine Waren auch im Wege einer eBay-Auktion anbietet, in seiner Widerrufsbelehrung darauf hingewiesen, dass dem Kunden bei Verträgen, die in Form von Versteigerungen geschlossen werden, kein Widerrufsrecht zustehe.

OLG München entschied, dass dies irreführend sei. Die Verwendung des Begriffs “Versteigerung” bei eBay sei geeignet den Eindruck zu erwecken, dass – entgegen der Rechtslage – dort kein Widerrufsrecht bestehe:

„Denn der Begriff Versteigerung wird im allgemeinen Sprachgebrauch auch für Verkäufe gegen Höchstgebot verwendet, wie sie die Beklagte anbietet … Entsprechend verwendet auch der Bundesgerichtshof nicht nur in der oben angegebenen, sondern auch in anderen Entscheidungen den Begriff Versteigerung für derartige Geschäfte …

Auch die zahlreichen Fundstellen, die die Beklagte dazu angeführt hat, dass es sich bei den Verkäufen gegen Höchtangebot über eBay nicht um Versteigerungen im Sinne von § 312d, § 156 BGB handelt, weisen darauf hin, dass ohne derartige Erläuterungen der Begriff Versteigerung zumindest doppeldeutig ist und deshalb entsprechender Aufklärung bedarf.“

Aktuelle Musterbelehrung unbedingt verwenden

Man kann es nicht oft genug wiederholen: Zu diesen Abmahnungen wäre es nicht gekommen, wenn die Händler das aktuelle Muster des Bundesjustizministeriums verwendet hätten. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum immer wieder auf eigene Faust und ohne Not an diesen Formulierungen herumgebastelt wird. Wie schon früher führt dies dazu, dass sich der Händler nicht mehr auf die Privilegierung des § 14 BGB berufen kann, wonach er bei unveränderter und vollständiger Verwendung des Musters des gesetzlichen Vorgaben genügt.

Das neue Muster hat nun schon eine ganze Zeit gehalten, d.h. es gab keine erfolgreichen Abmahnungen. Zudem soll es nächstes Jahr durch Überführung in ein formelles Gesetz absolut unangreifbar gemacht werden. Dennoch gibt es offenbar immer wieder Händler oder Anwälte die meinen, klüger zu sein als der Gesetzgeber. Was dabei herauskommt zeigen die aktuellen Entscheidungen: Unnötige Abmahnungen. (cf)

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