internethandelDie Zeitschrift Internethandel (auch mit eigenem Blog) interviewte den Shopbetreiber-Blogger Carsten Föhlisch, Rechtsanwalt und Justitiar von Trusted Shops, für die aktuelle Ausgabe. Das Thema lautete “Einbußen durch Widerrufsrecht bei Shopbetreibern”. Hintergrund war unsere Umfrage und Studie zum Thema, an der sich 588 Shopbetreiber mit ihren Erfahrungen beteiligt haben. Lesen Sie hier den Volltext des Interviews oder laden Sie sich das PDF herunter.

Herr Föhlisch, in welchem Maß ist der Umsatz von Onlinehändlern vom Widerrufs- bzw. Rückgaberecht betroffen?
Die direkten Umsatzverluste durch Widerrufe und Rückgaben betragen laut unserer Umfrage durchschnittlich 4,36 Prozent vom Gesamtumsatz der Shops, was bei einem durchschnittlichen Jahresumsatz der Umfragenteilnehmer i.H.v. 479.000 Euro einem Anteil von über 20.000 Euro pro Jahr entspricht. Besonders nachteilig für den Händler ist, dass er bei Waren über 40 Euro neben den Hinsendekosten im Regelfall auch die Rücksendekosten tragen muss. Diese belasten Händler vor allem bei kleineren Bestellungen zwischen 40 und 100 Euro erheblich. So ist es nicht verwunderlich, dass insgesamt 43 Prozent der Händler die Belastung durch das Widerrufs- bzw. Rückgaberecht in finanzieller Hinsicht als hoch bzw. sehr hoch empfinden.

Wie viel Prozent der Bestellungen werden widerrufen beziehungsweise zurückgegeben?
Durchschnittlich 4,15 Prozent aller Bestellungen werden im Rahmen des Widerrufs- bzw. Rückgaberechts zurückgegeben. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich. Häufig entspricht das gelieferte Produkt nicht den Erwartungen des Käufers. Aber auch zu lange Lieferzeiten veranlassen Verbraucher, vom Kaufvertrag zurückzutreten.

Welche Branchen sind am stärksten von Widerrufen beziehungsweise Rückgaben betroffen?
Spezialanbieter, die im stationären Handel kaum erhältliche Produkte vertreiben, sind wesentlich geringer belastet als die durch eine erhöhte Rückgabequote stärker betroffene Bekleidungs- und Elektronikbranche.

Wie bewerten die Händler Widerrufs- und Rückgaberecht?
74 Prozent der befragten Händler sehen keinen bzw. nur einen sehr geringen Vorteil für den Absatz im Onlineshop durch das Widerrufs- bzw. Rückgaberecht. Die Nachteile bzw. der Arbeitsaufwand sind präsenter als die Vorteile durch ein erhöhtes Kundenvertrauen und damit verbundene Mehrumsätze. Nahezu alle Umfrageteilnehmer sprachen sich für transparentere und vor allem rechtssichere vorgegebene Formulierung des Widerrufs- und Rückgaberechts aus, da hier in der Vergangenheit sehr viel abgemahnt wurde. Außerdem ist es ein großes Anliegen der Händler, dass der Käufer generell die Rücksendekosten tragen soll.

Treten häufig Probleme bei der Rückabwicklung auf?
Nahezu 80 Prozent der befragten Unternehmer hatten bereits Probleme mit der Rückabwicklung beim Widerrufsrecht. Beschädigungen der Originalverpackung stehen dabei an erster Stelle, ein Weiterverkauf ist dann nur noch mit wirtschaftlichen Einbußen möglich. Aber auch Benutzungen oder Beschädigungen der Ware kommen häufig vor.

Nutzen viele Händler die Möglichkeit, Vielretournierer von zukünftigen Bestellungen auszuschließen?
Um die wirtschaftlichen Schäden durch das Widerrufsrecht einzudämmen, nutzen 39 Prozent der Teilnehmer die Möglichkeit, den häufig retournierenden Käufer von zukünftigen Bestellungen auszuschließen. 18 Prozent versuchen, zunächst den Kunden zu kontaktieren und für Aufklärung zu sorgen. Nur ein sehr kleiner Teil der Teilnehmer lässt es auf einen Rechtsstreit mit dem Kunden ankommen.

Wie bewertet Trusted Shops die Regelungen des Widerrufs- und Rückgaberechts in Deutschland?
Das Widerrufsrecht ist für den Kunden eine gute Sache. Die deutsche Regelung geht mit einer zweiwöchigen Widerrufsfrist und Tragung der Rücksendekosten im Regelfall durch den Händler aber über die europäische Vorgabe (7 Werktage Frist, Kostentragung durch den Verbraucher) weit hinaus. Dies verkompliziert den grenzüberschreitenden Handel und führt zu Wettbewerbsnachteilen. Die deutsche Sonderregelung zu den Rücksendekosten (40-EUR-Klausel) ist missbrauchsanfällig und viel zu kompliziert. Schließlich gibt es zu wenig konkrete Ausnahmetatbestände für Waren, bei denen eine Rücknahme wirtschaftlich unzumutbar ist, etwa für Downloads oder Hygieneartikel. Hier ist aber der europäische Gesetzgeber gefragt, klare Ausnahmen zu schaffen und die Verbraucherrechte in den Mitgliedsstaaten zu harmonisieren. Dann könnte man auch über die von der Bundesregierung avisierte europäische Musterbelehrung nachdenken. (nvd)

Das Interview führt Nina von Dahlern. Hier finden Sie das Interview als PDF-Download.

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