Das Partnervermittlungsportal “Parship” verlangt unglaublich hohe Beträge als Wertersatz von seinen Kunden, wenn diese ihre Mitgliedschaft widerrufen. Das OLG Hamburg hatte diese Praxis gebilligt. Jetzt hat abschließend auch der BGH zu der Frage entschieden.
Die Verbraucherzentrale Hamburg hatte das Vermittlungsportal “Parship” vor dem LG Hamburg verklagt, weil es dessen Wertersatzforderungen für überhöht hielt.
Während das LG Hamburg die Klage als berechtigt ansah, war das OLG Hamburg (Urt. v. 2.3.2017, 3 U 122/14) anderer Meinung und hob die Entscheidung des Landgerichts auf.
Vertragsinhalt maßgeblich
Der Kläger war der Ansicht, dass für die Höhe des Wertersatzanspruches maßgeblich sei, wie lange der Kunde die Plattform bis zum Widerruf nutzen konnte. Parship dagegen legte eine komplizierte Rechnung zu Grunde, die dazu führte, dass höchstens 75 % der Jahresmitgliedschaft an Wertersatz gezahlt werden musste. Für vielleicht gerade mal 14 Tage Nutzungszeit.
Daher müsse der Wertersatz auch anteilig an der Zeit (pro rata temporis) berechnet werden, meinte die Verbraucherzentrale Hamburg.
Dem gegenüber stand die Auffassung von Parship selbst:
“Kern des Leistungsversprechens der Beklagten sei bei der Premium-Mitgliedschaft nicht das Zugriffsrecht auf die Mitgliederdatenbank, sondern – wie bei der klassischen Partnervermittlung auch – die Kontaktaufnahme zu einer bestimmten Anzahl möglichst genau passender potentieller Lebenspartner. Aus diesem Grund verbinde die Beklagte die Premium-Mitgliedschaft mit einer Kontaktgarantie und unterbreite ihren Nutzern computergestützt möglichst gut passende Partnervorschläge.”
Auf Grund dieser Annahme berechnete das Unternehmen den Wertersatz anhand des Gesamtpreises.
Die Rechnung findet wie folgt statt:
Der vereinbarte Produktpreis wird durch das Verhältnis der tatsächlich in Anspruch genommenen Kontakte zu den vertraglich garantierten Kontakten dividiert. Anschließend wird das Ergebnis dieser Rechnung mit 0,75 multipliziert, sodass der Kunde am Ende nur maximal 75 % des Gesamtpreises zahlen muss.
Im vorliegenden Fall hatte der Kunde die Mitgliedschaft mit 6 Monaten Laufzeit zum Preis von 269,40 Euro gebucht. Dieses Leistungspaket garantierte dem Kunden fünf Kontakte.
Zu dem Zeitpunkt, als er den Widerruf erklärte, hatte der Kunde bereits 13 Kontakte in Anspruch genommen.
Dies ergab nach der Rechnung von Parship eine Wertersatzforderung in Höhe von 202,41 Euro.
Der Kläger hielt dies für zu viel und ist der Ansicht, dass eine derart hohe Wertersatzsumme dazu geeignet ist, bei dem Kunden den Eindruck zu erwecken, er müsse ein Reuegeld zahlen.
Keine zeitanteilige Berechnung
Das OLG Hamburg wies die Klage ab. Die Verbraucherzentrale verlangte,
“die Beklagte zu verurteilen,
es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, gegenüber einem Verbraucher, der seine auf den Abschluss eines Vertrages über die – von der Beklagten gegen Zahlung einer nach Zeitabschnitten bemessenen Pauschale andauernd zu gewährende – Nutzung einer im Internet bereitgestellten Plattform zur Anbahnung von Lebenspartnerschaften gerichtete Willenserklärung gemäß § 312 d Abs. 1 S. 1 BGB a. F. bzw. § 312 g Abs. 1 BGB n.F. widerrufen hat, – wie in dem als Anlage K 2 mit dem Tenor verbundenen E-Mail Ausdruck – zu behaupten, er sei verpflichtet, für die vor dem Widerruf erfolgte Nutzung der über die Plattform zugänglichen Dienste einen Wertersatz zu leisten, der den dem Zeitraum vom Tag der ersten vertragsgemäßen Nutzungsgewährung bis zum Tag des Zugangs der Widerrufserklärung bei der Beklagten entsprechenden Anteil der vertraglichen Pauschale übersteigt”
Dies lehnte das Gericht allerdings ab.
Gerade vor dem Hintergrund, dass im Rahmen der erstmaligen Anmeldung ein umfassendes Persönlichkeitsprofil des Kunden erstellt wird, nahm das Gericht an, dass ein nicht unerheblicher Teil der von Parship erbrachten Leistung schon innerhalb der Widerrufsfrist erbracht worden war.
Weil sich die Leistung also nicht gleichmäßig über die Vertragslaufzeit erstreckt, sondern auch aus werthaltigen einmaligen Leistungen besteht, ist es nicht gerechtfertigt, den Wertersatz nur an der verstrichenen Zeit gemessen zu berechnen, so das OLG Hamburg.
Entscheidung des BGH
Gegen das Urteil des OLG Hamburg legte die Verbraucherzentrale Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH ein. Damit wollte sie erreichen, dass das Urteil aus Hamburg in einem Revisionsverfahren noch einmal überprüft wird.
Der BGH (Beschl. v. 30.11.2017, I ZR 47/17) hat die Nichtzulassungsbeschwerde allerdings zurückgewiesen. Damit ist die Entscheidung des OLG Hamburg rechtskräftig.
Zur Begründung führte der BGH aus:
“Die Vorschriften des Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher und des § 358 Abs. 8 BGB ergeben keinen Anhaltspunkt, dass die von der Klägerin verlangte ausschließlich zeitanteilige Abrechnung vorgegeben ist.
Vernünftige Zweifel an der Würdigung durch das Berufungsgericht bestehen nicht.”
Von einer weiteren Begründung sah das Gericht ab.
Fazit
Anbieter von Dienstleistungen sind also nicht zwingend auf eine Berechnung des Wertersatzes nach Zeitablauf angewiesen. Wenn der Hauptteil der Dienstleistung zum Beginn der Laufzeit erbracht wird, dann kann auch ein Großteil der vereinbarten Vergütung fällig sein, auch wenn der Kunde nur wenige Tage nach Vertragsschluss widerruft.
Übrigens: Damit Unternehmer gar nicht erst in die komplizierte Berechnung des Wertersatzes beim Widerruf von Dienstleistungen einsteigen müssen, sollte man das Widerrufsrecht vorzeitig zum Erlöschen bringen. (mr)
Sehr geehrter Herr Rätze,
zu der Anregung, das Widerrufsrecht vorzeitig zum Erlöschen zu bringen, folgende Ergänzung. Dies wäre wohl nur bei DL möglich, die innerhalb der Frist vollständig erbracht werden (sofern auch die sonstigen Voraussetzungen des Art 16 lit a VR-RL erfüllt sind), bei Dauerschuldleistungen somit wohl schwer machbar. Hier böte sich nur das Zuwarten mit der Leistung an, was aber von Kunden wiederum nicht goutiert würde.
Beste Grüße
Huberta Maitz-Straßnig
“Art 16 VR-RL Die Mitgliedstaaten sehen bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen kein Widerrufsrecht nach den Artikeln 9 bis 15 vor, wenn
a) bei Dienstleistungsverträgen die Dienstleistung vollständig erbracht worden ist, wenn der Unternehmer die Erbringung mit der vorherigen ausdrücklichen Zustimmung des Verbrauchers und dessen Kenntnisnahme, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert, begonnen hatte;”
Da haben Sie natürlich Recht. Sorry, wenn das im Fazit falsch rüber gekommen sein sollte.
Es scheint mir eine Überinterpretation zu sein, dass der BGH die Wertersatzberechnung von parship gebilligt hat. Man muss den Beschluss vor dem Hintergrund des Klageantrages bewerten. Dieser lautete (siehe Urteil des OLG Hamburg, Urteil vom 02.03.2017, 3 U 122/14):
„es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, gegenüber einem Verbraucher, der seine auf den Abschluss eines Vertrages über die – von der Beklagten gegen Zahlung einer nach Zeitabschnitten bemessenen Pauschale andauernd zu gewährende – Nutzung einer im Internet bereitgestellten Plattform zur Anbahnung von Lebenspartnerschaften gerichtete Willenserklärung gemäß § 312 d Abs. 1 S. 1 BGB a. F. bzw. § 312 g Abs. 1 BGB n.F. widerrufen hat, – wie in dem als Anlage K 2 mit dem Tenor verbundenen E-Mail Ausdruck – zu behaupten, er sei verpflichtet, für die vor dem Widerruf erfolgte Nutzung der über die Plattform zugänglichen Dienste einen Wertersatz zu leisten, der den dem Zeitraum vom Tag der ersten vertragsgemäßen Nutzungsgewährung bis zum Tag des Zugangs der Widerrufserklärung bei der Beklagten entsprechenden Anteil der vertraglichen Pauschale übersteigt;“
Diesem Antrag konnte – wegen des letzten Teils – nur dann entsprochen werden, wenn tatsächlich lediglich eine zeitabhängige Abrechnung in Betracht kommt und jede andere Abrechnungsart falsch ist. Allein die Feststellung der unzutreffenden Wertersatzberechnung in dem konkreten Fall hätte also nicht genügt, um der Klage mit diesem Antrag stattzugeben.
Der BGH meint nun, aus den Vorschriften der VRRL und dem § 358 Abs. 8 BGB, ergebe sich nicht, dass eine „ausschließlich zeitanteilige Abrechnung“ vorzunehmen ist. Und genau deswegen hat er den Antrag auf Zulassung der Revision zurückgewiesen.
Wichtig ist hier das Wort „ausschließlich“.
Aus dem Beschluss kann also nur abgeleitet werden, dass ein Wertersatz auch jenseits einer zeitanteiligen Abrechnung bestimmt werden kann. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass die von parship vorgenommene Berechnung zutreffend ist.
Ich stimme zu. “Wenn der Hauptteil der Dienstleistung zum Beginn der Laufzeit erbracht wird” ist auch hier einer der wichtigsten Sätze des Autors. Leider hat der Autor dies nicht selbst erkannt.
Denn was genau erbringt Parship denn tatsächlich? Vor allem stellt es eine Plattform bereit. Man kann problemlos argumentieren, dass ein Hauptteil der Dienstleistung über die Monate verteilt erbracht wird. Jedes Mal, wenn der Kunde klickt, wird ein Teil der Dienstleistung erbracht. Jedes Mal, wenn ein Dritter das Profil des Kunden anschaut, wird ein Teil der Dienstleistung erbracht.
Genau dieser Teil der Dienstleistung ist es aber, die einen riesigen Teil der Kosten ausmacht. Wenn man also nun konsequent das Urteil weiterdenkt, bedeutet es: “Liebe Parship, lege mal offen, was ein Kunde an Serverlast über die volle Vertragslaufzeit erzeugt und was diese kostet. Lege mal offen, was das Abrufen des Profils von anderen für Sachkosten über Zeit verursacht, und was es kostet.”
Und schließlich: “Liebe Parship, lege mal offen, was du dir durch die Profilsperre und Accountsperre einsparst, weil A) der Kunde nicht mehr die Dienstleistung nutzen kann und B) das Profil des Kunden wegen Inaktivität nach hinten rutscht oder gar wegen Löschung nicht mehr abgerufen wird.”
Und letztendlich gibt es noch ein Detail, über dass ein Gericht nun nachdenken muss: “Ist die Messgröße von XX Kontakten über 6 Monate überhaupt realistisch oder ist diese Messgröße absichtlich so drastisch niedrig, dass der Wertersatz einfach nur so hoch wie irgendwie möglich getrieben wird?”
Und das letzte, was Parship gebrauchen kann ist folgende Fragestellung: “Was exakt ist ein ‘garantierter Kontakt’? Ist eine Antwort ‘Nein’ auf eine Kontaktanfrage schon ein ‘garantierter Kontakt’? Oder erst, wenn es zu einem Treffen im echten Leben kommt? Und überhaupt: Wie viele Fake-Profile gibt es dort wohl so?”
@Huberta: Doch, es gibt eine Möglichkeit, auch bei DL den Widerruf auszuschließen (Lieferung digitaler Inhalte, § 356 Abs. 5 BGB). Das wurde für Netflix & Co. geschaffen, damit die Leute nicht 13 Tage lang Filme runterladen und dann widerrufen.
Auch die ein oder andere Singlebörse versteht sich seitdem als “Streaming-Dienstleister” und schließt in den AGB unter Berufung auf diesem Paragraphen den Widerruf aus. Das wurde auf LG-Ebene bereits durchgeboxt (einfach googlen nach “Ausschluss des Widerrufsrechts bei Online-Datingportalen”)
Auch Verträgen über digitale Inhalte, die nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert werden, kann das Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen werden. Es kann nur vorzeitig zum Erlöschen gebracht werden.
Ich finde es sehr schade, dass es bei solch einer durchaus hochwertigen Dienstleistung immer wieder rechtliche Probleme bei Kündigungen o.Ä. gibt. Ich habe mich sehr viel mit Singlebörsen und Partnervermittlungen auseinandergesetzt und weiß daher, dass gerade die Produkte der großen Anbieter wie Parship oder ElitePartner (die ja zur gleichen Unternehmensgruppe gehören) sehr gut sind. Auch in meinen persönlichen Bekanntenkreis gibt es tatsächlich Menschen, die über diese Portale ihren Partner gefunden haben.
Die Unternehmen laufen gut und verdienen sehr viel Geld und da frage ich mich natürlich, warum es so viele unzufriedene Menschen gibt, wenn es um Wertersatz oder “zu späte” Kündigungen geht. ich meine, diese Portale machen einen jährlichen Umsatz im Millionenbereich, wie kann man sich dann um 60€ streiten? Wenn man Parship bei Google eingibt, dann findet man sehr viele negative Beiträge hinsichtlich der genannten Themen. Bei kleineren Börsen ist das nicht der Fall, die sind in der Regel kulanter. Wirklich schade!