Der grenzüberschreitende Handel in Europa stockt noch. Schuld daran sind auch die komplizierten Regelungen in Bezug auf die Mehrwertsteuer. Bisland müssen sich Händler ab Erreichen der Lieferschwelle in jedem Lieferland steuerlich registrieren und dort die Mehrwertsteuer abführen. Damit soll aber bald schluss sein.
Die EU-Kommission hatte bereits vor einem Jahr ihre Pläne vorgestellt, wie Online-Händler in Zukunft die Mehrwertsteuer beim grenzüberschreitenden Handel abführen müssen. Die Wirtschafts- und Finanzminister haben sich jetzt auf die Umsetzung dieser Pläne geeinigt. Die Damit wird eine wirkliche Verbesserung für alle Händler geschaffen.
Eine Anmeldung im Sitzland des Unternehmers
Bisher sind die steuerrechtlichen Regelungen für Unternehme sehr kompliziert. Erreicht ein Händler für Lieferungen in ein Land die entsprechende Lieferschwelle, muss er sich im Lieferland steuerlich registrieren und dort eine eigene Steuererklärung abgeben und auch in diesem Land dann die Mehrwertsteuer abführen.
Das macht große Schwierigkeiten, denn man muss sich dann an andere Steuerregeln halten, die Sprachbarriere kommt hinzu. In manchen Ländern muss die Erklärung durch bestimmte Personen, wie z.B. Steuerberater eingereicht werden etc.
In Zukunft soll auch bei Warenlieferungen gelten, was für digitale Dienstleistungen heute schon gilt: Der Unternehmer soll die Mehrwertsteuer in seinem Sitzland anmelden und abführen.
Schrittweise Änderungen bis 2021
Um dieses Ziel zu erreichen, werden die Regelungen bis 2021 schrittweise angepasst. Dazu heißt es in der Pressemitteilung der EU-Kommission:
- Vereinfachung der Mehrwertsteuerregelungen für Start-ups, Kleinstunternehmen und KMU, die Waren online an Kunden in anderen EU-Mitgliedstaaten verkaufen. Für Kleinstunternehmen richtet sich die Mehrwertsteuer auf grenzüberschreitende Verkäufe im Wert von weniger als 10 000 EUR im Jahr nach den Vorschriften des Landes, in dem die Unternehmen ihren Sitz haben. Davon werden 430 000 Unternehmen in der EU profitieren. Für KMU werden einfachere Verfahren für grenzüberschreitende Verkäufe im Wert von bis zu 100 000 EUR im Jahr gelten. Diese Maßnahmen treten am 1. Januar 2019 in Kraft.
- Alle Unternehmen, die online Waren an ihre Kunden verkaufen, können ihren EU-Mehrwertsteuerpflichten über ein einheitliches nutzerfreundliches Online-Portal in ihrer Landessprache nachkommen. Ohne das Portal wäre eine Mehrwertsteuerregistrierung in jedem EU-Mitgliedstaat erforderlich, in den das Unternehmen verkaufen möchte. Genau das wird von Unternehmen als eines der größten Hindernisse für Kleinunternehmen beim grenzüberschreitenden Handel bezeichnet.
- Großen Online-Marktplätzen wird die Verantwortung dafür übertragen, dass die Mehrwertsteuer abgeführt wird, wenn Unternehmen in Drittländern Waren an Verbraucher in der EU verkaufen. Hierzu zählen Verkäufe von Waren, die von Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern bereits in Warenlagern (sogenannten Erfüllungszentren) innerhalb der EU gelagert werden, welche häufig dem Zweck dienen, Waren mehrwertsteuerfrei an Verbraucher in der EU zu verkaufen.
- Es wird so künftig Steuerhinterziehungen vorgebeugt, bei denen für Waren von außerhalb der EU ein Wert von weniger als 22 EUR angegeben wurde, um eine Befreiung von der Mehrwertsteuer in Anspruch zu nehmen, was zu Marktverzerrung und unlauterem Wettbewerb führen konnte. Zuvor konnten Betrüger hochwertige Waren in kleinen Paketen verpacken und auf dem Etikett einen falschen Warenwert angeben, der unter dem Schwellenwert von 22 EUR lag, sodass die Waren von der Mehrwertsteuer befreit waren. Dies führte zu inakzeptablen Mindereinnahmen von 1 Mrd. EUR, die anderenfalls an die EU-Mitgliedstaaten abgeführt worden wären.
Durch die neuen Vorschriften ist gewährleistet, dass die Mehrwertsteuer in dem Mitgliedstaat entrichtet wird, in dem der Endverbraucher ansässig ist, was zu einer gerechteren Verteilung der Steuereinnahmen zwischen den EU-Mitgliedstaaten führt. Sie werden dazu beitragen, einen neuen Ansatz für die Erhebung der Mehrwertsteuer in der EU, der bereits für den Verkauf von elektronischen Dienstleistungen etabliert ist, zu festigen und eine der wichtigsten Zusagen im Rahmen der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt in Europa zu erfüllen. Die heute erzielte Einigung ist überdies ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer endgültigen Lösung für einen einheitlichen europäischen Mehrwertsteuerraum, wie in den jüngsten Vorschlägen der Kommission für eine Reform des Mehrwertsteuersystems in der EU dargelegt.
Die einzige Anlaufstelle für Online-Verkäufe von Waren soll 2021 einsatzbereit sein, sodass die Mitgliedstaaten Zeit haben, die IT-Systeme, auf denen das System basiert, zu aktualisieren.
Rechtliche Regelungen im Lieferland beachten
Der Verkauf innerhalb der EU wird durch die geplanten Neuerungen stark vereinfacht. Ein großer Bürokratie-Stein wird aus dem Weg geräumt.
Wer aber ins Ausland verkauft, muss die verbraucherschützenden Normen im Lieferland beachten.
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Bildnachweis: Sebastian Duda/shutterstock.com
Grundsätzlich schön, das man sich nicht mehr in jedem Land einzeln registrieren muss. Aber ganz ohne Lieferschwellen bzw. nur einer Regelung für 10.000 EUR Gesamtumsatz ist das ganze natürlich Mist.
Wir haben in zwei Ländern die Lieferschwellen überschritten und führen dort Mehrwersteuer ab. Das größere Problem war gar nicht die Anmeldung im jeweiligen Land sondern die technische Umsetzung in Online Shop, Warenwirtschaft und Buchhaltung.
Dort unterschiedliche Steuersätze zu verwalten ist gar nicht so einfach, ganz zu schweigen davon dass man dem Kunden ja Bruttopreise anzeigen muss, was gar nicht so einfach ist bei X verschiedenen Steuersätzen.
Zumal die Regelungen welche Produkte dem normalen und welche dem verminderten Satz unterliegen ja von Land zu Land unterschiedlich sind. D.h. im Extremfall kann man sich ab dem ersten EUR mit mehr als 100 Steuersätzen rumschlagen wobei für ein und das selbe Produkt im einen Land der normale im nächsten Land wieder der verminderte oder womöglich sogar noch ein dritter oder vierter Steuersatz berechnet wird. Mir ist kein Shopsystem bekannt bei dem ich auf Artikelebene für jedes Land eingeben kann ob für den entsprechenden Artikel der Normalsatz oder der ermäßigte Satz (Frankreich hat z.B. gleich 4 Steuersätze) gilt.
Im Ergebnis wird das wieder mal dazu führen, das viele kleineren Händler feststellen dass die technischen Hürden viel zu hoch sind und dann werden sie ihren Shop fürs Ausland komplett abschalten.
Man kann mit eigenen Ländershops arbeiten, dann hat man die Schwierigkeit nicht, in einem Shop alles abbilden zu müssen.
Da wird der Händler mit 2000 EUR Jahresumsatz in Österreich aber dreimal überlegen ob er deshalb dann einen eigenen Ländershop einrichtet…. Da sperrt er die Österreicher lieber aus. Und so werden dann aus den 2000 EUR auch nie mehr werden.
Die Regelung ist wieder mal gut für die großen Unternehmen die die Lieferschwelle sowieso sofort überschreiten. Die sparen dann ein paar Kröten für die Steueranmeldung, die sie vermutlich sowieso nicht gespürt haben. Für die kleinen die bisher unter der Lieferschwelle waren, bedeutet es in der Praxis einen enormen technischen Aufwand weil weder Shop, Wawi oder Buchhaltung darauf eingerichtet sind.
Ich glaube, Sie haben die Maßnahmen nicht richtig gelesen:
“Für Kleinstunternehmen richtet sich die Mehrwertsteuer auf grenzüberschreitende Verkäufe im Wert von weniger als 10 000 EUR im Jahr nach den Vorschriften des Landes, in dem die Unternehmen ihren Sitz haben. Davon werden 430 000 Unternehmen in der EU profitieren. Für KMU werden einfachere Verfahren für grenzüberschreitende Verkäufe im Wert von bis zu 100 000 EUR im Jahr gelten. “
Ich hab das schon richtig gelesen. 10.000 EUR sind aber schon bei relativ wenigen Verkäufen erreicht. Bei fünf Ländern die man anbietet sind das grade mal 2000 EUR pro Land – damit bekommt man die Kosten für extra Ländershops nicht rein.. Und das “einfachere Verfahren für grenzüberschreitende Verkäufe im Wert von bis zu 100 000 EUR im Jahr” – was soll das schon sein? Vermutlich muss man dann die Umsätze nur vierteljährlich statt monatlich anmelden.
Mir scheint die EU vergisst einfach das sie aus 28 Mitgliedsländern besteht. Das langfristige Ziel soll ja sein, daß jeder Verbraucher in jedem Land bestellen und jeder Händler in jedes Land liefern kann. Das erreiche ich aber nur indem ich bürokratische Schwellen pro Land und nicht pro Unternehmen festlege. Im Prinzip wäre das ziemlich einfach: Bis zu einem Umsatz pro Jahr und Land von z.B. 10.000 EUR wird der Verkauf als Inlandsverkauf gewertet und man muss weder Wee Registrierungen, Verpackungsregistrierungen oder Steueranmeldungen vornehmen. Erst dann wenn sich der Verkauf in einem Land als lohnend rausstellt, muss man dann eben die bürokratischen Hürden nehmen.
Ich sehe in der neuen Regelung auch eine Verschlechterung bzw. Verschärfung. Es gibt Länder, in die kann man bislang für 100.000 Euro Waren exportieren und man muss sich nicht beim dortigen Finanzamt anmelden. Selbst für ein Land wie Österreich gilt noch die Grenze von 35.000 Euro. Wenn die neue Grenze bei 10.000 Euro liegt, muss man in der Tat für jedes Land schnell Sonderregelungen beachten. Das hört sich nicht gut an! Und ich stimme llamaz voll zu, dass die Umsetzung in Shopsystemen und einfachen Warenwirtschaftssystemen/Buchhaltungen nahezu unmöglich ist.
Hallo,
also, verschiedene Steuersätze lassen sich eigentlich im Shop hinterlegen.
Schwieriger finde ich die Shopgestaltung für den Endkunden, wenn es unterschiedliche Preise gibt und der Kunde eigentlich nur nach dem günstigsten Angebot schaut und im schlimmsten Fall erst im Checkout von anderen “teuren”(?!) Preisen erfährt. (Ist das dann auch schon eine Irreführung/Abmahnung, weil der Kunde vorher sein Land nicht ausgewählt hat??) 😉
Auch, wenn solch eine Änderung vielleicht nur wenige hundert(?) Euro kostet, ist es für Kleine Händler sehr sehr schmerzvoll, hier zu investieren.
Als große Bremse wirkt aber das hier: “Wer aber ins Ausland verkauft, muss die verbraucherschützenden Normen im Lieferland beachten.” Für Kleinunternehmen oder Einzelhändler schier unmöglich (selbst TrustetShops & Co-Gütesiegel bieten hier nur wenige Länder an!).
Es ist doch wie mit der Cookie-Richtlinie, die oberste Gesetzgebung hat wohl auch “endlich” gemerkt, daß dies Standard ist und ist selbst von den ganzen Pop-up-Hinweisen genervt, daß sich diese Art der Hinweispflicht wohl sehr wahrscheinlich nicht durchsetzen wird – ein Glück (hoffentlich! Smartphones sind noch schlimmer im “Datenschutz”, aber leider kümmert sich hier niemand drum).
Ich hätte keine Lust, Shops zu besuchen, wo erst ein lästiges Popup-Fenster die Länderauswahl anzeigt… mich nerven jetzt schon die ganzen, blöden Cookie-Fenster, obwohl sie noch gar nicht Pflicht sind, aber viele schon mal gut damit verdient haben.
Warum werden die Grenzen und Hürden für die Händler nicht so einfach gemacht, wie bei Kunden auch? Der Kunde kennt keine Grenze(n) und kauft (wenn er es denn will) unbeschwert weltweit ein (akzeptiert die Händler oder zukünftig “einheitliche EU-AGBs” usw. sowie den Händler-Gerichtsstand) und fertig. 😉
Klar, ist natürlich viel zu einfach und man verdient nicht viel dran – schlimm? Bestimmt.
Aber schön, daß sich etwas tut, wenn auch nur langsam.
Herzliche Grüße
Nils
Hallo Nils,
die Preise dürfen natürlich nicht im Checkout anders sein als auf der Produktseite. Das versteht sich von selbst. Das ist noch ein Grund, weswegen sich eigene Ländershops anbieten, statt über einen Shop alles machen zu wollen.
Gleichzeitig will man aber von der EU aus Geoblocking und unterschiedliche Preise für Kunden in anderen Ländern verbieten…. Das passt doch alles irgendwie nicht zusammen…
Die regulieren da munter rum und haben offenbar gar nicht die Expertise um zu erkennen wenn sich bestimmte Regelungen wiedersprechen oder mit anderen in Konflikt kommen.
Unterschiedliche Preise sollen nicht verboten werden. Das war ganz am Anfang mal der Plan, jetzt steht das aber nicht mehr im Verordnungstext. Und das Geoblocking-Verbot hat nichts mit den Regeln über die Mehrwertsteuer zu tun.
So ganz kann ich die Verbesserung für KMU nicht erkennen. Bislang gilt eine Lieferschwelle von mindestens 35.000/Land. Das bedeutet, bei einer gleichmäßigen Verteilung, kann ich mehrere 100.000 Euro in EU Länder liefern. Künftig gilt eine kumulierte Lieferschwelle von 100.000.-
Was ändert sich für Händler die 100.000 überschreiten? Gibt es auch für diese die vereinfachte Anmeldung über ein zentrales EU Steuerportal?
Gelten diese 10000€ bzw. 100000€ pro Land oder insgesamt? Es liest sich für uns so, als ob es insgesamt gelten würde. Dies würde eine deutliche Verschlechterung und einen erheblichen Mehraufwand für uns als mittelständisches Unternehmen bedeuten. Aktuell haben wir auch in 2 Ländern die Lieferschwellen überschritten und führen dort Steuern ab. Wenn wir dann aber für alle Länder eine Meldung erstellen müssen, wäre das bürokratisch ein erheblicher Mehraufwand. Ganz zu schweigen von der Umsetzung mit den Shopsystemen/Buchhaltung, die diese Problematik aktuell nicht ausreichend berücksichtigen. Einzelshops für jedes Land, sehe ich für ein Unternehmen in unserer Größe nicht als Lösung an.