Abmahnmissbrauch spielt insbesondere im Online-Handel eine große Rolle. Fehler sind im Internet schnell gefunden und dann die Abmahnung aus Standard-Textbausteinen genauso schnell verschickt. Große Wirtschaftsverbände sagen solchen schwarzen Schafen jetzt den Kampf an.
Die Verbände betonen in ihrem Positionspapier zunächst, dass das deutsche System der privatrechtlichen Rechtsdurchsetzung eine gute Lösung darstellt und es keine (zusätzlichen) behördlichen Instrumente geben muss.
Reform der Abmahnung
Neben dem klaren Bekenntnis zum Instrument der Abmahnung fordern die Verbände in ihrem Papier aber Reformen:
“Ausgehend von dem klaren Bekenntnis zu dem Rechtsinstrument der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung und zu einer primär privatrechtlich organisierten Rechtsdurchsetzung erachten die unterzeichnenden Organisationen eine differenzierte und auf die konkreten Problemstellungen fixierte Anpassung des Wettbewerbsrechts für erforderlich.
Dabei gehört nicht das Instrument der Abmahnung als solches, d. h. für das gesamte UWG und andere Gesetze, auf den Prüfstand. Vielmehr sind einzelne Nachjustierungen des Rechtsrahmens erforderlich, um Missbrauch von vornherein weitgehend auszuschließen.”
Forderungen der Wirtschaftsverbände
Die Verbände machen dann auch konkrete Vorschläge, wie das Institut der Abmahnung reformiert werden kann, um den Abmahnmissbrauch zu bekämpfen.
Dabei unterscheiden sie zwischen Abmahnungen durch Mitbewerber und Abmahnungen durch Verbände.
Teilweise keine Berechtigung zur Abmahnung
Eine Forderung lautet, dass das Gesetz eine abschließende Liste von Verstößen enthalten sollte, bei denen Mitbewerber gar keine Abmahnung mehr aussprechen dürfen, also nicht aktivlegitimiert sind.
Bei allen anderen sollen Mitbewerber verpflichtet werden, konkreter als bisher darzulegen, woraus sich die behauptete Mitbewerbereigenschaft ergeben soll.
Reduzierung des finanziellen Anreizes für den Abmahnenden
Der andere Hauptansatzpunkt gegen Abmahnmissbrauch ist es, den finanziellen Anreiz für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen zu senken.
Nicht gefordert wird dabei aber eine generelle Verpflichtung zur “kostenfreien Erstabmahnung” oder eine pauschale Deckelung der Abmahnkosten.
Allerdings soll es ebenfalls eine im Gesetz vorgesehene Liste geben, die den zu Grunde zu legenden Streitwert nach Verstößen deckelt. So machen die Verbände auch direkt einen Vorschlag zur Gesetzesänderung:
Nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG könnte folgender Satz 3 eingefügt werden:
„Aufwendungen für eine anwaltliche Dienstleistung sind nur bis zur Höhe von xxx EUR (z. B. 100 EUR) zu ersetzen,
wenn die Abmahnung eindeutige und leicht feststellbare Zuwiderhandlungen betrifft, insbesondere bei
- a) Verstößen gegen außerhalb dieses Gesetzes geregelte Informations- und Impressumspflichten,
- b) Verstößen gegen Aufklärungspflichten über gesetzliche Vertragsrechte,
- c) bei Verstößen, die nach ihrer Art und Schwere den Verstößen zu Buchstabe a) oder b) entsprechen,
es sei denn, diese Zuwiderhandlung beeinträchtigt die Interessen des Abmahners nachweislich schwerwiegend.
Wer bekommt die Vertragsstrafe?
Ein weiterer Punkt betrifft die Zahlung der Vertragsstrafe. Denn die Abmahnkosten an sich stellen keinen wirklichen Anreiz zur Abmahnung dar. Wirklich lukrativ wird das Geschäft erst, wenn der Abgemahnte gegen die Unterlassungserklärung verstößt und dann eine Vertragsstrafe zahlen muss.
Dabei fordern die Verbände, dass die Vertragsstrafe in einfach gelagerten Fällen zukünftig an Staatshaushalt gezahlt werden soll. Damit würde ein wirklicher finanzieller Anreiz zur Abmahnung wegfallen.
Schließlich soll auch der Begriff der Missbräuchlichkeit im Gesetz konkretisiert werden.
In einem „Insbesondere“-Katalog sollten entsprechend der bisherigen Rechtsprechung mehrere Fallgruppen gesetzlich konkretisiert werden, z. B.:
- die Abmahnung ergeht vorrangig wegen des Gebührenerzielungsinteresses und hinsichtlich marginaler Rechtsverstöße, die für sich genommen keine Auswirkungen auf den Wettbewerb haben und deshalb kein nennenswertes wirtschaftliches oder sonst beachtliches Interesse an der Verfolgung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes besteht,
- die aus der eigentlichen Geschäftstätigkeit des Abmahners erzielten Einnahmen treten im Vergleich zu dem Umfang der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen deutlich zurück,
Änderungen beim fliegenden Gerichtsstand
Der fliegende Gerichtsstand soll nach Auffassung der Verbände in einfach gelagerten Fällen entfallen. In dem Forderungskatalog heißt es dazu:
“Die Regelung des „Fliegenden Gerichtsstands“ im Lauterkeitsrecht sollten jedenfalls für einfach gelagerte Fälle i. S. d. § 12 Abs. 1 S. 3 n. F. aufgehoben werden. Die bestehende Regelung des „Fliegenden Gerichtstands“ in den nicht einfach gelagerten UWG-Fällen sowie in anderen Rechtsbereichen wie z. B. dem Presse-, Marken- und Patentrecht wird dadurch nicht in Frage gestellt.”
Darüber hinaus soll das Einigungsstellenverfahren vor den Einigungsstellen der IHK als verpflichtendes vorgeschaltetes Verfahren festgelegt werden. Dieses ist wesentlich günstiger als das gerichtliche Verfahren.
Abmahnungen durch unseriöse Vereine
Auch Abmahnungen durch Vereine sollen nach dem Forderungspapier durch strengere Auflagen begrenzt werden. So sollen die Kriterien für die Zulassung von Vereinen mit Klagebefugnis verschärft werden, um unseriöse Verein von Abzock-Abmahnungen abzuhalten. Dazu heißt es in dem Forderungspapier:
“Die Zulassung als klagebefugter Verein sollte nur unter bei Vorliegen der folgenden Voraussetzungen in Betracht kommen:
- Personelle Ausstattung: Verband muss über eigene Juristen verfügen, die Abmahnungen selbst für den Verband aussprechen, nicht hinter dem Verband stehende Anwälte
- Finanzielle Ausstattung: Verband muss über ausreichende Mittel verfügen, nicht nur Abmahnungen auszusprechen, sondern Prozesse führen zu können. Es ist nachzuweisen, wie hoch die durch Mitglieder aufgebrachten Mittel sind, welche Einnahmen aus Abmahnungen, welche aus Vertragsstrafen erzielt werden, welche sonstigen Einnahmen bestehen und in welchem Umfang. der Verein ggf. mit staatlichen Mitteln gefördert wird. Die Finanzierung darf nicht überwiegend aus Rechtsverfolgung (Abmahnungen, Vertragsstrafen) erfolgen.
- Verband spricht nicht nur Abmahnungen aus, sondern gibt auch Beratung und Informationen über Rechtslage im Wettbewerbsrecht; bei Wettbewerbsvereinen kann die Beratung/Information auf Mitglieder beschränkt werden, ist aber gegenüber dem Bundesamt für Justiz zu belegen.
- Verband muss nachvollziehbare Berechnung seiner Abmahnpauschale vorlegen, § 12 UWG
- Verband muss eine verifizierte Mitgliederliste vorlegen und – jedenfalls bei Wettbewerbsvereinen – auch gegenüber Abgemahnten veröffentlichen, soweit datenschutzrechtlich nichts entgegensteht. Ggf. ist bezüglich des Umfangs der Offenlegungspflicht zwischen Wettbewerbsvereinen und Verbraucherschutzvereinen zu differenzieren.
- Verband muss seine Tätigkeiten und Finanzen regelmäßig gegenüber dem Bundesamt der Justiz belegen (Was unter „regelmäßig“ zu verstehen ist, sollte im Gesetz konkretisiert werden, z. B. „nach einem Jahr nach der Eintragung und dann alle zwei/fünf Jahre“)
- Bei der Überprüfung ist nachzuweisen, welche Verfahren geführt werden (Standard-Fälle ohne Risiko, häufig derselbe Rechtsverstoß oder auch schwierige Fallgestaltungen und Rechtsfragen mit Musterprozessen, die der Rechtsfortbildung dienen) – wenn ausschließlich Standard-Fälle nachgewiesen werden, ist im Rahmen einer Gesamtsicht der Entzug der Aktivlegitimation zu prüfen. Auch ist nachzuweisen, in wie vielen Fällen Vertragsstrafen geltend gemacht wurden und in welcher Gesamthöhe. Hieran soll erkennbar werden, ob der Verein vor allem deshalb abmahnt, um letztlich hohe Vertragsstrafen geltend machen zu können (finanzielles Eigeninteresse).
- Gerichte können Auskünfte beim Bundesamt über den jeweiligen Verband einholen, die über die Einsichtnahme in die Liste hinausgehen.”
Komplette Forderungen zum Download
Bildnachweis: Sebastian Duda/shutterstock.com
Ich halte den hier aufgestellten Rahmen für eine Nachjustierung der Ausgestaltung des UWG für absolut erforderlich, gut durchdacht und sehe es als eine moderate Zusammenstellung der Mindestanforderungen an. Als Inhaberin eines online-shops und Rechtsassessorin muss ich mich immer wieder mit mißliebigen Abmahnungen herumärgern, auch wenn ich sie in den meisten Fällen abwenden kann, so machen sie doch viel unnötige und lästige Arbeit. Der Ärger im Umgang mit diesen Abmahnung steigt insbesondere, wenn und da mir klar ist, dass ich mich mit meinem Gegner nur auseinandersetzen muss, weil er eine angebliche Lücke in meinen AGBs entdeckt haben will, ich aber weiß, dass er lediglich Geld mit dieser Gesetzeslücke verdienen möchte.
Vielen Dank für den tollen Beitrag! Es ist wirklich an der Zeit das die Abmahnungen berechtigt ausgesprochen werden und noch nur in Massenmails Panik bei Onlinehändlern und Bloggern verursachen. Hoffentlich kommt die Änderung bald!
Liebe Grüße,
Michael
Sehr begrüßenswerter Ansatz. Wollen wir hoffen, dass es nicht nur bei dieser Erklärung bleibt und die Politik hier auch Taten folgen lässt, die sich dann auch im Gesetz niederschlagen.
Vielen Dank für die ausführliche Information. Die Initiative ist besonders zu begrüßen. Da an die Moral der Abmahner nicht appelliert werden kann, vor allem wenn gar keine vorhanden ist, muss eine neue Gesetzgebung her.
Wir als Logistikdienstleister und Betreiber von mehreren Onlineshops begrüßen den dargelegten Ansatz stark und können nur hoffen, dass das Thema Abmahnungen zukünftig keine Wildwüchse mehr treibt. Die Gesetzgebung ist gefordert und muss endlich einmal Taten sprechen lassen. Der eingeschlagene Weg ist auf alle Fälle richtig.
Wird höchste Zeit, dass diesem “Geschäftsmodell” endlich das Wasser abgegraben wird. Neue Regelungen wären sehr zu begrüßen.
Ich kann zwar die guten Absichten, die hinter diesem Vorhaben stehen, nachvollziehen, aber das Ganze geht doch eindeutig in die falsche Richtung.
Bei “einfach gelagerten Fällen” soll der Rechtsverletzer also privilegiert werden, indem die Abmahnkosten gedeckelt werden und der fliegende Gerichtsstand nicht gilt? Und bei Sachverhalten, die kompliziert und ungeklärt sind, also hingegen der Rechtsverletzer in den sauren Apfel beißen und höhere Abmahnkosten bezahlen und den fliegenden Gerichtsstand gegen sich gelten lassen?
Das muss doch genau umgekehrt sein: Bei einem “einfach gelagerten Fall” dürfte der Rechtsverstoß auch dem juristischen Laien ersichtlich sein. Warum soll der dann in irgendeiner Weise einen Vorteil ziehen, wenn er sich um die Rechtslage einen Dreck kümmert?
Der Unternehmer hingegen, der sich seriös beraten lässt und der bei einem ungeklärten Sachverhalt einen durchaus vertretbaren Standpunkt einnimmt: Der soll dann dagegen viel höhere Abmahnkosten tragen?
Das macht doch keinen wirklich Sinn und führt im Ergebnis nur dazu, dass sich die meisten bei den einfach gelagerten Fällen nicht mehr an das Gesetz halten werden.
Auch enthält das Vorhaben wieder erneut riesige Öffnungsklauseln, die durch die Gerichte selbst ausgelegt werden müssen:
– einfach gelagerte Fälle
– schwerwiegende Fälle
– usw.
Insbesondere die Unterscheidung hinsichtlich des zuständigen Gerichts (fliegender Gerichtsstands) verletzt klar Art. 103 GG und ist verfassungswidrig.
Abmahnungen sollten verboten werden stattdessen sollte die gegenseitige Rücksichtnahme gefördert werden.
Statt “Da hast du Mist gebaut, zahl mir 500€” sollte es lieber “Du hast da Mist gebaut, das änderst du am besten so und do” heißen.
Auch Anwälte sollten stärker in die Pflicht genommen werden. Z.B. ein Verbot Abmahnungen auszusprechen oder zu klagen ohne vorherige Kontakt mit Lösungsangebot. Das muss natürlich für den Abgemahnten kostenlos sein.
Bis dato ist hier wohl noch nichts passiert bzw. umgesetzt worden. Ein sehr wichtiger Aspekt wäre die Beweisbarkeit von Gewerblichen Abmahnern. Dies zu Beweisen ist sehr schwierig und führt dazu das immer mehr Online-Händler darunter leiden und die Abmahner machen was Sie wollen. Ein Aktueller Abmahner bei eBay hat nur 3 Angebote und Verkauft im Monat etwa 10 Artikel. Da dieser zwar im selben Sortiment Verkauft aber eben nicht in der selben Warengruppe wäre es dann unsinnig eine Abmahnung zu erhalten da ich ja seinen Verkauf nicht störe. Des weiteren muss es eine Zeitliche Begrenzung der Unterlassungserklärung geben.
Ist es einem Abmahnverein gestattet Mitglieder zu kaufen um als Verein zu agieren?
In dem mir vorliegenden Fall hat ein Verein Unternehmer abgemahnt mit dem Hinweis man würde auf die Abmahnung verzichten wenn der abgemahnte Mitglied werde. Weiterhin würde der Abgemahnte künftig vor weiteren Abmahnungen geschützt sein.
Dieser Unternehmer ist seit Jahren Mietglied in diesem Verein aus Angst einen Fehler zu begehen.