Trotz der im Beitrag “Kennzeichnung der Ware mit geografischer Herkunftsangabe” dargestellten EU-Verordnung und ähnlichen nationalen Gesetzen, unterscheidet sich die Rechtsprechung in Deutschland und Polen bezüglich möglicher Fehlvorstellungen des durchschnittlichen und vernünftigen Verbrauchers über die tatsächliche geografische Herkunft des Produkts.

Ähnliche Gesetze, andere Rechtsprechungslinien

Das „Himalaya Salz” Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31. März 2016., Az. I ZR 86/13 bestätigt eine recht strenge Rechtsprechungslinie der deutschen Gerichte in Bezug auf die Anwendung der geografischen Herkunftsangaben. In einem ähnlichen Sachverhalt, ist das Appellationsgericht Bialystok im Urteil vom 19. März 2015, Az. I ACa 923/14 in dem Rechtsstreit zwischen zwei Herstellern von Mineralwässer hingegen zu einer deutlich milderen Entscheidung gekommen.

In beiden Fällen mussten die Gerichte anhand nationaler Regelungen unter Berücksichtigung der EU-Verordnung zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel die Frage beurteilen, ob in vorliegenden Fällen eine Gefahr der Irreführung über die geografische Herkunft des Produkts besteht.

Geprüft wurde es durch beide Gerichte anhand des aus dem EU-Recht stammenden Leitbildes des durchschnittlichen, verständigen und rationalen Verbrauchers.

BGH: Himalaya-Salz muss direkt aus dem Himalaya kommen

a) Sachverhalt

Die Beklagte betreibt einen Online-Versandhandel. Im Dezember 2011 bot sie auf ihrer Webseite ein als „Raab Himalaya Salz gemahlen” bezeichnetes Produkt an. Auf dessen eingeblendeter farbiger Verpackung befand sich unterhalb der Angabe “Kristallsalz” der Hinweis “Kristallines Speisesalz aus der Region des” und darunter die farblich und räumlich abgesetzte hervorgehobene Angabe “Himalaya”.

In einer Produktbeschreibung im Internet hieß es: “Kristallines Speisesalz aus der Region des Himalaya ist circa 250 Millionen Jahre alt. Das Salz wird traditionell abgebaut und von Hand selektiert. Gönnen Sie Ihrem Körper das Beste aus der Natur. Kristallines Salz aus dem Himalaya ohne Verwendung von Zusatzstoffen.”

Tatsächlich stammte das so beworbene Salz nicht aus Himalaya-Hochgebirgsmassiv, sondern aus dem etwa 200 km entfernten Salzabbaugebiet der Salt Range, einer Mittelgebirgskette in der pakistanischen Provinz Punjab.

Nach der Maßgabe des § 127 I MarkenG hingegen dürfen die geografischen Herkunftsangaben nicht für Waren benutzt werden, die nicht aus dem Ort, der Gegend, dem Gebiet oder dem Land stammen, das durch die geografische Herkunftsangabe bezeichnet wird, wenn bei der Benutzung solcher Namen, Angaben oder Zeichen für Waren anderer Herkunft eine Gefahr der Irreführung über die geografische Herkunft besteht.

Im Laufe des Verfahrens wurde jedoch vorgetragen, dass das Salzabbaugebiet der Salt Range nach den wissenschaftlichen Kriterien der Geologie oder der Geografie möglicherweise dem Himalaya zuzurechnen ist. Außerdem wurde das Produkt zwar als „Raab Himalaya Salz gemahlen” bezeichnet, jedoch wurde in der Produktbeschreibung weniger auffällig die Angabe gemacht, das Salz stamme nur „aus der Region des Himalaya“.

Unter den wissenschaftlichen Kriterien der Geologie sollte also zumindest der weitere Hinweis in der Produktbeschreibung „Kristallines Speisesalz aus der Region des Himalaya“ mit Sicherheit nicht als irreführend und falsch bewertet werden.

b) Entscheidung

Der BGH war jedoch in dem Urteil vom 31. März 2016., Az. I ZR 86/13 der Auffassung, dass es in der Sache nicht auf die genaue geografische Einordnung ankommt, sondern auf den Eindruck, den die konkrete grafische Gestaltung mit geografischen Herkunftsangabe beim Durchschnittsverbraucher hervorrufen kann.

Nach der Auffassung des BHG wurde in dem vorliegenden Fall zu auffällig mit der Bezeichnung „Himalaya“ geworben.

„Der angemessen informierte und aufmerksame Durchschnittsverbraucher entnehme der Angabe „Himalaya Salz“, dass das so bezeichnete Produkt im Bereich des Himalaya-Massivs abgebaut werde. Er rechne daher nicht damit, dass es tatsächlich in der von diesem Hochgebirgsmassiv durch eine breite besiedelte Ebene getrennten und deshalb als eigenständiger, deutlich niedrigerer Mittelgebirgszug erscheinenden Salt Range abgebaut werde. Die durch die Angabe „Himalaya Salz“ in der Angebotsüberschrift hervorgerufene und durch die weiteren Angaben im streitgegenständlichen Internetauftritt nicht ausgeräumte Fehlvorstellung des Verbrauchers über die geografische Herkunft des Produkts sei geeignet, seine Kaufentscheidung wesentlich zu beeinflussen. Der Umstand, dass das Salzabbaugebiet der Salt Range möglicherweise nach wissenschaftlich-geologischen oder geografischen Kriterien dem Himalaya zuzurechnen sei, stehe der Annahme einer Irreführung nicht entgegen. Für die Beklagte sei es ohne weiteres möglich und zumutbar, Fehlvorstellungen des Verbrauchers durch die eindeutige oder jedenfalls deutlichere Beschreibung des Abbaugebiets oder die Verwendung der Bezeichnungen „Kaisersalz“ oder „Alexandersalz“ entgegenzuwirken (…)“

„Das Berufungsgericht hat weiterhin rechtsfehlerfrei angenommen, eine Fehlvorstellung des Verbrauchers über das Abbaugebiet des beworbenen Salzes sei nicht durch die nachfolgende Produktbeschreibung ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang hat es mit Recht berücksichtigt, dass der Hinweis „Kristallines Salz aus der Region des Himalaya“ der blickfangmäßigen Produktüberschrift nicht unmittelbar zugeordnet ist. (…) Das Berufungsgericht hat daher zu Recht mit berücksichtigt, dass sich für den Verbraucher aus der einerseits den Hinweis „aus der Region des Himalaya“ und andererseits die Angabe „aus dem Himalaya“ enthaltenden und damit ambivalenten Produktbeschreibung nicht klar und unmissverständlich ergibt, dass das beworbene Salz nicht aus dem Gebiet des Himalaya-Massivs, sondern aus einer davon deutlich entfernten und räumlich abgegrenzten Gebirgskette stammt“.   

Appellationsgericht Bialystok: Angabe eines anderen Orts als Herstellungsort ist nicht immer irreführend

Würde der Online-Versandhandel das „Himalaya-Salz“ in Polen verkaufen und dort beklagt, so hätte er deutlich größere Chancen auf eine günstigere Entscheidung.

In einem vergleichbaren Fall hat in zweiter Instanz das polnische Appellationsgericht in Bialystok (Urteil vom 19. März 2015, Az. I ACa 923/14) das Urteil des Gerichts erster Instanz aufrechterhalten und ist zu der Entscheidung gekommen, dass eine Kennzeichnung der Ware mit dem Namen eines anderen als des Herstellungsortes nicht immer als irreführend bewertet werden muss.

Das Appellationsgericht in Bialystok ist somit der bisherigen polnischen Rechtsprechungslinie bezüglich Kennzeichnung der Ware mit geografischen Angaben gefolgt.

a) Sachverhalt

Das Appellationsgericht musste den Rechtsstreit zwischen zwei Herstellern von Mineralwasser entscheiden. Einer von Ihnen nahm auf die Etiketten seiner Wasserflaschen (Produktbeschreibung) eine geografische Bezeichnung auf, obwohl das von ihm verkaufte Wasser tatsächlich von einem anderen, 50 km entfernten Ort stammt. Beide Orte gehören jedoch nach den wissenschaftlich-geologischen Kriterien zu dem gleichen Naturalgebiet.

Die geografische Bezeichnung auf dem Etikett wurde ähnlich wie im „Himalaya Salz“ Fall grafisch hervorgehoben. Im Gegensatz zum oben beschriebenen Fall befand sich jedoch an einer weniger deutlich sichtbaren Stelle des Etikettes auch eine präzise Information über die tatsächliche Entnahmestelle des Wassers. Es wurde der genaue Ort und nicht die Region angegeben.

Die Klage des Wettbewerbers zielte darauf, dem Beklagten das Inverkehrbringen der Wasserflaschen mit der bisherigen (seiner Meinung nach irreführender) Kennzeichnung auf dem Etikett sowie die Verwendung der Bezeichnung mit der geografischen Angabe, die nicht der tatsächlichen Herkunft entspricht, in der Werbung zu untersagen.

b) Entscheidung

Das Appellationsgericht hat sich genau wie der BGH auf das Leitbild des durchschnittlichen Verbrauchers berufen, jedoch die Ansicht des Klägers nicht geteilt.

„Art. 10 des Gesetzes über die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, das bei der Beurteilung von Tatbestandsmerkmalen der unlauteren Handlung anwendbar ist, bezieht sich auf einen vernünftigen und seiner Kaufentscheidungen bewussten Kunden. (…) Der durchschnittliche Verbraucher stellt keine ungebildete, nicht orientierte Person dar, die Informationen des Produzenten außer Acht lässt und sich nur nach seiner Intuition richtet. Im Lichte des europäischen und nationalen Rechts ist nur das Muster eines durchschnittlichen Verbrauchers richtig, das annimmt, dass der Verbraucher aufmerksam, vernünftig, rational und bewusst ist sowie die Informationen des Produzenten unter dem Gesichtspunkt ihrer Übereinstimmung mit den für diesen Verbraucher wichtigen Kriterien analysiert“.

Nach der Auffasung des Gerichts soll also der durchschnittliche, vernünftige Verbraucher insbesondere in der Lage sein, die gesamten Informationen auf dem Etikett (Produktbeschreibung) zu analysieren, also auch den angegebenen Herkunftsort (tatsächliche Entnahmestelle des Wassers) und nicht nur den ersten und grafisch auffälligen Abschnitt. Nicht ohne Bedeutung war hier auch die Tatsache, dass sowohl die tatsächliche Entnahmestelle des Wassers als auch die auf dem Etikett angegebene und 50 km entfernte geografische Bezeichnung, ethnografisch, wirtschaftlich und kulturell dem gleichen Naturgebiet gehören, das sich sehr guter Umweltbedingungen erfreut.

Das Gericht stellte fest, dass die Verwendung der Kennzeichnung der Ware mit der geografischen Angabe eines anderen als des konkreten Herstellungsorts nicht zur Irreführung der Verbraucher führt, wenn auf dem Produkt deutlich auch der tatsächliche Herkunftsort (in dem gegebenen Fall die Entnahmestelle des Wassers) genannt wird und wenn die Größe, Form und das Etikett der Verpackung sich von der Verpackung der Wettbewerber unterscheidet. Ähnliche Sachverhalte haben auch andere polnische Gerichte gleich entschieden, unter anderem auch das Oberste Gericht.

Fazit

Im Himalaya-Salz Fall hat der Beklagte deutsche Online-Versandhandel in der Beschreibung des Produktes „Raab Himalaya Salz“ auch die weitere (jedoch deutlich weniger auffällige) Angabe „Kristallines Speisesalz aus der Region des Himalaya“ platziert.

Der BGH ist nach der Auslegung des Begriffes eines Durchschnittsverbrauchers zu der Entscheidung gekommen, dass solche Angaben für den durchschnittlichen Verbraucher irreführend bezüglich Herkunft des Produktes sein können. Das Interesse des Verbrauchers, nicht über die Herkunft des Produkts in die Irre geführt zu werden, ist laut BGH gegenüber dem Interesse des Werbenden an der Nutzung der geografischen Herkunftsangabe deutlich höher zu bewerten.

Hingegen würde die gleiche Angabe in der Produktbeschreibung durch die polnischen Gerichte angesichts der bisherigen Rechtsprechung mit großer Wahrscheinlichkeit so ausgelegt, dass die Worte „aus der Region“ für einen aufmerksamen, vernünftigen, rationellen und bewussten Verbraucher, der in der Lage sein sollte, alle Informationen auf der Produktverpackung und in der Produktbeschreibung des Produzenten zu analysieren, einen ausreichenden Hinweis darstellen, dass das angegebene Salz nicht direkt aus dem „Himalaya-Hochgebirgsmassiv“, sondern aus einem davon entfernten Gebiet, d.h. „aus der Region des Himalaya-Hochgebirgsmassiv“ stammt.

In den Entscheidungsgründen ist auffällig, dass obwohl beide Gerichte sich auf das Idealbild des durchschnittlichen und vernünftigen Verbrauchers berufen, sie etwas abweichende Vorstellungen von einem solchen durchschnittlichen Verbraucher haben.    

Allerdings darf man hier ein kleines Detail nicht außer Acht lassen, das den deutschen Himalaya-Salz Fall von dem polnischen Mineralwasser-Rechtsstreit unterscheidet. So hat nämlich der polnische Mineralwasser-Hersteller in der Produktbeschreibung (auf den Etiketten der Wasserflaschen) genau, wenn auch an unauffälliger Stelle, die tatsächliche Entnahmestelle des Wassers angegeben. Im Himalaya-Salz Fall hat der Händler in der Produktbeschreibung dagegen eher unpräzise auf die „Region des Himalaya“ hingewiesen.

Würde er in der Produktbeschreibung diese „Region des Himalaya“ grafisch augenfälliger und präziser konkretisieren – z.B. „aus der Region des Himalaya: Salt Range“, so hätte er vielleicht größere Chancen auf eine günstigere und mildere Entscheidung des BGH. Angesichts der strengen deutschen Rechtsprechungslinie ist dies jedoch unsicher.

Haben Sie Fragen zum Cross-Border-Handel? Setzen Sie sich mit uns in Verbindung, wir unterstützen Sie gerne im Cross-Border-Verkauf. (mj)

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