Dem Verbraucher steht bei Online-Einkäufen grundsätzlich ein Widerrufsrecht zu. Hiervon gibt es aber zahlreiche Ausnahmen. So gilt dies z.B. nicht bei Verträgen über die Lieferung von Waren, deren Preis auf den Finanzmärkten Schwankungen unterliegt. Das AG Borken hat hierzu nun eine interessante Entscheidung gefällt: Goldbarren fallen nicht unter diese Ausnahme.
Das AG Borken (Urt. v. 26.2.2014, 15 C 290/13) hatte sich mit der interessanten Frage zu beschäftigen, ob dem Verbraucher beim Kauf von Goldbarren ein Widerrufsrecht zusteht oder nicht.
Preisschwankungen
Hintergrund des Streits war § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. (heute § 312g Abs. 2 Nr. 8 BGB). Demnach besteht ein Widerrufsrecht nicht bei
“Verträge[n] zur Lieferung von Waren oder zur Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, mit Anteilen an offenen Investmentvermögen im Sinne von § 1 Absatz 4 des Kapitalanlagegesetzbuchs und mit anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten”
Kauf von Goldbarren
Ein Händler bot bei eBay das Produkt “Goldbarren 24 Karat 1 Grain 999,9 Feingold Gold Barren Neu Aurum Au” zum Preis von 8,39 Euro an. Dieses Angebot umfasste insgesamt 51 Artikel, von denen 47 Stück vom 3.6.2013 bis 10.7.2013 zu diesem Preis verkauft wurden.
Der Händler wies in seinem Angebot auf das Widerrufsrecht und die oben genannte Ausnahme hin.
Ein Verbraucher (der spätere Kläger) kaufte bei diesem Händler am 18.6.2013 insgesamt elf dieser Goldbarren. Der Kunde zahlte den Kaufpreis via PayPal. Er unterlag beim Kauf allerdings einem Irrtum: Er hatte statt “Grain” “Gramm” gelesen. Ein Grain entspricht allerdings nur rund 0,065 Gramm.
Erklärung des Widerrufs
Nicht einmal eine Stunde nach dem Kauf erklärte der Kunde den Widerruf. Der Händler reagierte nicht, sondern forderte vielmehr den Kaufpreis bei PayPal ab.
Der Verbraucher erklärte seinen Widerruf nochmals per Einschreiben, mit dem er gleichzeitig die Ware zurückschickte, und forderte die Kaufpreiserstattung. Der Händler verweigerte jedoch die Annahme und antwortete via eBay mit dem Hinweis auf § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB. Er meinte, ein Widerrufsrecht stünde dem Verbraucher hier nicht zu.
Der Kläger forderte den Händler noch mehrmals zur Abholung des Einschreibens auf, auch sein Anwalt tat dies noch mehrmals.
Letztlich klagte der Verbraucher auf Rückzahlung. Er war der Meinung, es handle sich vorliegend um ein Festpreisangebot, die entsprechende Widerrufsrechts-Ausnahme sei hier gar nicht einschlägig.
Der Händler dagegen vertrat auch vor Gericht noch die Auffassung, dass die Ausnahme hier einschlägig sei und dem Verbraucher daher ein Widerrufsrecht nicht zustehe.
Der Händler muss erstatten
Das Gericht folgte hier der Ansicht des Verbrauchers und verurteilte den Händler zur Erstattung des Kaufpreises. Außerdem stellte es fest, dass er sich in Annahmeverzug befindet.
Das Gericht war nicht der Meinung, dass die Ausnahme hier einschlägig war.
“Ein Ausschlussgrund gemäß § 312 d Abs. 4 Ziff. 6 BGB ist nicht gegeben; es handelt sich insoweit nicht um eine Spekulationen unterliegende Kaufsache.”
Die Ausnahme sei – wie jede andere auch – eng auszulegen. Als Kriterium sei auf den aleatorischen Charakter des Vertrages abzustellen, so das Gericht. Die Ausnahme greife nur bei Rechtsgeschäften, denen der Charakter eines Spekulationsgeschäftes innewohne.
“Sinn und Zweck ist es, dem Verkäufer nicht einseitig das Risiko einer volatilen Drittpreisbildung aufzuerlegen. Der Käufer soll sich bei günstigen Kursentwicklungen innerhalb der Widerrufsfrist nicht zulasten des Verkäufers einseitig von dem Vertrag lösen können.
Diese Gefahr besteht jedoch nicht, wenn der Preis der Kaufsache nicht unmittelbar und wesentlich von Kursschwankungen abhängt.
Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Preis der Kaufsache so maßgeblich vom Verkäufer bestimmt wird, dass das einseitige Auferlegung des Risikos der volatilen Drittpreisbildung nicht auftreten kann.”
Gold wird an der Börse gehandelt
Das Gericht stellt als nächstes fest, dass Gold an der Börse gehandelt und so der Preis ermittelt wird.
Allerdings stellte der vom Händler festgesetzte Preis von 8,39 Euro pro Artikel ein Vielfaches des Wertes dar, der durch den Goldpreis ermittelt würde. Selbst wenn man einen “Zuschlag” für die Abnahme von Kleinstmengen hinzurechnen würde, gäbe es noch immer eine große Divergenz zwischen Preis und Goldwert.
Zum Zeitpunkt des Kaufes lag der Goldpreis bei 1.368 US-Dollar je Feinunze (480 Grain). Hieraus ergibt sich ein Goldpreis von 2,13 Euro pro Artikel (bei entsprechender Umrechnung nach dem Tageskurs).
Der Händler bot insgesamt 51 dieser Artikel an, und verkaufte innerhalb von einem knappen Monat 47 davon – alle zum gleichen Preis von 8,39 Euro. Im gleichen Zeitraum sank der Goldpreis allerdings um 11%, der Preis der Produkte sank allerdings nicht mit.
Damit konnte sich der Händler auch nicht mehr darauf berufen, dass der Preis von Schwankungen abhing. Das Gericht stellte vielmehr fest:
“Insofern fehlt es hier an dem Risiko, der einseitigen Auferlegung von Kursschwankungen.
Eine unmittelbare und wesentliche Abhängigkeit von den Goldkursen wird nicht nachgewiesen, vielmehr handelt es sich um einen durch den Beklagten diktierten Festpreis.”
Fazit
Die Entscheidung des AG Borken ist eine Einzelfallentscheidung. Goldhändler, die ihre Produkte über einen langen Zeitraum trotz Schwankungen des Goldpreises zum Festpreis verkaufen, können sich nachträglich nicht auf diese Ausnahme vom Widerrufsrecht berufen. Werden Goldbarren dagegen (wie dies eigentlich der Regelfall ist) zum Tagespreis angeboten und verkauft, der Verkaufspreis also an die Kursschwankungen angepasst, fallen solche Verträge auch unter die Ausnahme und dem Verbraucher steht kein Widerrufsrecht zu. (mr)
[hubspotform whitepaper=”true” title=”Gratis Whitepaper-Download ‘Ausnahmen vom Widerrufsrecht'” image_path=”” image_text=”Die Ausnahmen vom Widerrufsrecht sind sehr abstrakt im Gesetz formuliert. Die Rechtsprechung hat sich aber bereits mit mehreren Fällen beschäftigt, die wir übersichtlich für Sie zusammengestellt haben, damit Sie sicher mit Retouren umgehen können.” copy_text=”” portal_id=”603347″ form_id=”154f09d0-9036-4000-96e1-5db59cfd91da” css=””]
Bildnachweis: Piotr Adamowicz/shutterstock.com
Interessanter Beitrag! Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind immer spannend. Eine Frage: Aktuell gab es Diskussionen zu Bitcoints, So wie ich es verstanden habe wird es als Ware gesehen. Kann man diese zurückgeben?
@Stanislaw
Soweit ich das System von Bitcoints verstanden habe, handelt es sich nicht um Waren. “Waren” sind im Gesetz definiert als körperliche Gegenstände. Bitcoints sind ja aber nur virtuell und es gibt sich nicht als “Plastikchips” o.Ä.
Auch die Definition von “digitalen Inhalten” passt nicht wirklich auf Bitcoints. Also bleibt nur noch eine Kategorie übrig: Dienstleistungen. M.E. müsste man Bitcoints also fernabsatzrechtlich als Dienstleistungen einstufen. Damit besteht ein 14-tägiges Widerrufsrecht, welches unter bestimmten Umständen zum Erlöschen gebracht werden kann. Details dazu finden Sie hier.
Auf was sich diese Ausnahme vom Widerrufsrecht alles genau bezieht, hatte ich mich beim ersten Lesen der Ausnahmen bereits gefragt. Rein theoretisch müssten davon doch auch Tintenpatronen und Tonerkartuschen bzw. allgemein EDV-Verbrauchsmaterial, Kopierpapier sowie auch diverses anderes Computerzubehör wie z. B. Festplatten davon betroffen sein, denn da sind es oft auch nur Tagespreise oder vllt. Wochenpreise, die können sich auch ständig ändern und das eher unberechenbar, mal nur minimal, dass es kaum erwähnenswert ist und manchmal so extrem, womit man eben garnicht gerechnet hat.
@Frau P
Die von Ihnen angesprochenen Produkte fallen aber relativ eindeutig nicht unter die Ausnahme, weil sie nicht an den Finanzmärkten gehandelt werden und ihr Preis daher auch nicht von Schwankungen auf den Finanzmärkten abhängig ist. Eine normale Preisänderung, wie sie bei jedem Produkt vorkommt, fällt nicht unter diese Ausnahme.
Zu beachten ist ja in dem konkreten Fall und Urteil, daß der Verkäufer bei dem Kunden ja zum einen einen Irrtum erwecken wollte, indem er die in Deutschland völlig unübliche Bezeichnung “grain” verwendete und damit erreichen wollte, daß der Käufer an “GRAMM” denkt…und zum anderen, daß sein Preis so weit weg vom Edelmetallpreis war, daß ihm in der Tat kleinere Schwankungen nichts ausmachen. Anders dürfte es beim Kilo-Goldbarren aussehen, der für unter 5% Aufgeld auf das Edelmetall verkauft wird….
Das Aufgeld bei Barren über 250 Gramm liegt meistens deutlich bei unter 1 % insbesondere wenn es sich um Wiederverkäufe handelt. Damit Gold unter Anlagegold fällt und damit als Anlageprodukt durchgeht, müssen ja auch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, die 1 Grain Barren, wei weitem nicht erfüllen. Leider gibt es solche Versuche auf Ebay immer wieder. Ich nenne mal als weiteres Stichwort nur: vergoldete 1 DM-Stücke.
Wer ernsthaft Gold als Geldanlage kaufen möchte, der kommt um einen seriösen, aber auch teureren Händler nicht herum. Am besten man vergleicht die Preise auf Portalen wie http://www.goldpreis.de und schaut sich verschiedene Barren und Gewichte an.
Diesen unsäglichen “Grain”-Anbietern sollte man komplett den Garaus machen… “grain” ist keine in Deutschland übliche Gewichtseinheit, insbesondere dürfte die Abkürzung “g” oder “gr” von den Verbrauchern als Abkürzung für das viel gebräuchlichere “Gramm” verstanden werden. Insoweit sind Angebote unter Vortäuschung von GRAMM und tatsächlicher Lieferung von “grain” mindestens wettbewerbswidrig, wenn nicht ein Betrugsversuch.
Wie ist das bei anderen Produkten aus Gold, wie zum Beispiel Schmuck? Hier schwankt der Preis ja auch … aber natürlich werden diese Produkte in der Regel nicht zu Tagespreisen verkauft.
Für diese gilt auch ein Widerrufsrecht, es sei denn, es handelt sich um versiegelte Hygieneartikel