Im Textileinzelhandel werden Flächen ausgeweitet und die Sortimentierung durch Shop in Shop-Konzepte an die Hersteller übertragen. Zugleich werden durch Flächenoptimierungen die beratenden und dienstleistenden Funktion der Verkäufer immer weniger als eigentliches Asset betrachtet. Die Abhängigkeit von den Herstellern ist oftmals so groß, dass der Handel keinen genuinen Mehrwert mehr erbringt.

Und da hilft dann auch kein Onlineshop weiter.

Diese Analyse von Jürgen Dax, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes des deutschen Textileinzelhandels,  bestätigt in gewissem Sinn das Samwer-Verdikt über die “total schlimmen Verkäufer” und die düstere Zukunft des Einzelhandels. Dem kann man natürlich entgegenhalten, dass viele Marken sich den Handel auf der Fläche weiter halten werden, aber das direkte Geschäft mit dem Endkunden via Internet gerne selbst oder mit wenigen ausgewählten Partnern vornehmen möchten. Der “selektive Vertrieb” ist eine Bedrohung durchaus auch der vermeintlich zum Sieg verdammten Online-Pureplayer.

Aber das ist ja keine Strategie für den Einzelhandel. Die Diskussion zeigte, wie schwer es für den stationären Handel ist, über Mehrwertdienstleistungen den Bestand abzusichern. Klar, das Klangstudio beim Elektronikhändler oder der Schneiderei-Service sind da Möglichkeiten. Aber in Berlin ist es für mich besser, direkt bei Tommy Hilfiger Karteninhaber zu werden. Dann werden die Jeans oder Jakets für mich kostenlos angepasst.

Ich glaube eher, dass man einen Hebel in den Prozessen findet. Über einen Online-gestützten schnellen Schneider-Service habe ich schon gesprochen. Genauso könnte die taggleiche Vermittlung von Elektronik-Dienstleistungen etwas sein, auch wenn hier Onlinehändler hier keinen systemischen Nachteil haben.

Vor allem aber müssen sich die Prozesse in der Beschaffung ändern. Auf meine Frage nach dem saisonalen Zukauf im stationären Handel beschrieb Dax mir das zentrale Problem von knapp der Hälfte der stationären Textiliten: Sie ordern sehr früh fürs Jahr und haben wenig Kapital, zwischendrin zu füllen. D.h. sie hängen von den definierten Trends der Marken oder großen Lieferanten ab.

Als hätte sich die Entstehung der Nachfrage nicht geändert. Als hätte es ASOS.com nie gegeben.

Vergesst mal Zalando und vergesst mal Primark. ASOS ist kein VC-gepämpertes Online-Wunderkind, sondern ein Musterbeispiel für die Kraft von Online-Prozessen.

Ein Star trägt Mode

Ein Trend entsteht

Die Mode wird adaptiert und gefertigt

Nach 14 Tagen sind die Produkte verfügbar.

Damit (und nicht als Marken- und Category-Killer) ist ASOS sehr schnell profitabel gewachsen und heute ein Händler, um den sich die Marken reißen.

Ist es im Modehandel wirklich unumgänglich, als stationärer Händler sechs bis zwölf Monate im voraus zu ordern? Oder läge nicht gerade die Chance darin, durch bessere Prozesse Trends (auch regionale) zu erkennen und dann das Sortiment danach zu schärfen?

Yalook hat zu besten Zeiten mit dem regionalen Kleiderschrank sehr deutlich nachgebildet, dass es Nachfrage-Unterschiede gibt. Google kann Schnupfen-Epidemien prognostizieren und sicher auch sehr granular aufkommende Marken/Farb/Material/Produkt-Tendenzen abbilden.

Ich warte noch auf den Intermediär, der den stationären Händlern solche Informationen anbietet und zudem die Suche und das Ordern passender Ware auch in kleinen Mengen erleichtert. Warum sollte das nicht ein großer Versender sein, der so als Partner der stationären Läden auftritt? Wäre das nicht eine Chance für KeenOn oder andere Anbieter, die derzeit vor allem Restanten abschleusen?

Über den Autor:

Martin Groß-Albenhausen ist Geschäftsführer der BVH Service GmbH in Berlin und betreut im Bundesverband des Deutschen Versandhandels (BVH) die Themen e-Commerce, Social Media und Marketing. Zuvor war er 13 Jahre Chefredakteur und Herausgeber des Branchendienstes “Versandhausberater”.

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