Die Werbung mit Kundenbewertungen soll besonders authentisch wirken, weil echte Kunden einen Online-Shop bewerten. Kunden machen aber gerne mal ihrem Unmut in Bewertungs-Kommentaren Luft. Ein Händler versuchte sich vor Gericht gegen die Kommentare “miserabler Service” und “schlechter Service” eines Kunden zu wehren. Das LG Köln hat die Klage jedoch abgewiesen.

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Das LG Köln (Urt. v. 8.5.2013, 28 O 452/12) hatte über die Zulässigkeit zweier Bewertungskommentare zu entscheiden, die ein Kunde bei amazon abgegeben hatte.

Negative Bewertungen

Am 30.8.2012 gab der Kunde eine schlechte Bewertung mit nur einem von 5 Sternen ab und verfasste dazu den folgenden Kommentar:

“Miserabler Service von X Computersysteme, Kundenfreundlich ist anders!”

Nach dem Kauf eines weiteren Produktes gab der Kunde erneut eine 1/5-Sterne-Bewertung ab mit folgendem Kommentar:

“Schlechter Service von X”

Das Besondere hierbei war, dass der Kundenservice und somit der komplette Versand auch notwendige Rücksendungen vollständig von Amazon abgewickelt wurden. Das klagende Unternehmen wurde hier nicht tätig.

Da der Kläger mit den Bewertungen nicht einverstanden war, mahnte er seinen Kunden zunächst ab. Damit forderte er Unterlassung und außerdem die Zahlung von 809 Euro Abmahnkosten. Da die Beklagte diesen Aufforderungen nicht nachkam, erhob der Kläger Klage vor dem LG Köln.

“Der Kläger behauptet, dass sein Service, wie die übrigen Kundenbewertungen bei Amazon zeigen würden, immer zuvorkommend sei und allen Anforderungen genüge.

Er ist der Auffassung, dass es sich bei den angegriffenen Äußerungen um unwahre Tatsachenbehauptungen handele. Vor dem Hintergrund, dass die Beklagte den Kläger nach ihrem Vortrag telefonisch nicht erreicht habe, seien die Äußerungen der Beklagten, dass der Service des Klägers „miserabel“, „unfreundlich“ bzw. „schlecht“ sei, die man so verstehen müsse, dass die Beklagte mit dem Kläger gesprochen habe, dieser aber unfreundlich bzw. nicht bereit gewesen wäre, einen zuvorkommenden Service zu leisten, jedenfalls unwahr.”

Außerdem behauptete der Kläger, dass der Kunde hier im Zusammenwirken mit einem Mitbewerber die Bewertung abgegeben hätte. Die Bewertende sei die Ehefrau eines Mitbewerbers und habe eine Bewertung unter ihrem Mädchennamen abgegeben.

Die Beklagte rügte zunächst die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts, weil sie den angesetzten Streitwert von 10.000 Euro als überhöht empfand. 1.000 Euro Streitwert pro Bewertung seien vollkommen ausreichend.

Versuch der Kontaktaufnahme

Die Beklagte habe nach der ersten Bestellung zu geschäftsüblichen Zeiten versucht, den Kläger unter der im Impressum angegebenen Telefonnummer mehrfach zu erreichen, um Fragen zum bestellten Produkt zu stellen. Allerdings war niemand zu erreichen.

“Die lückenlose Erreichbarkeit eines Verkäufers sei für die Beklagte essenzieller Bestandteil der Service-Leistungen eines Online-Händlers. Aus diesem Grund habe sie den Service des Klägers als miserabel bewertet, denn ein telefonisch nicht erreichbarer Vertragspartner könne keinen Service bieten und erwecke berechtigtes Misstrauen.”

Bei der Bestellung des zweiten Produktes habe die Beklagte aufgrund der Abläufe und der Darstellung bei Amazon erst in der Bestellbestätigungs-Mail gemerkt, dass sie wieder beim gleichen Händler etwas bestellt hatte. Hiernach versuchte sie erneut, den Händler mehrfach telefonisch zu erreichen. Wieder ohne Erfolg.

Unabhängig davon handle es sich aber bei den Kommentaren ohnehin um Meinungsäußerungen, gegen die Unterlassungsansprüche nicht bestehen.

LG Köln zuständig

Zunächst entschied das Gericht, dass am vom Kläger angesetzten Streitwert nichts zu beanstanden sei. Hier ist das Interesse des Klägers an der Unterlassung entsprechend hoch.

“Es ist hierbei zu bedenken, dass durchaus die Möglichkeit besteht, dass potentielle Kunden des Klägers die Bewertung zur Kenntnis nehmen und bei der Kaufentscheidung berücksichtigen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der unternehmerpersönlichkeitsverletzende Gehalt der angegriffenen Bewertung zumindest teilweise dadurch abgeschwächt wird, dass die Äußerung sich auf eine wenige Worte umfassende, sachliche Meinungsäußerung handelt.”

Die Klage war also zulässig. Aber unbegründet, entschied das Gericht.

Subjektive Meinungsäußerung

Der Kläger verlangte Unterlassung aufgrund der Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechtes.

“Bei der Verletzung des allgemeinen Unternehmenspersönlichkeitsrechts handelt es sich um einen sogenannten offenen Tatbestand, d.h. die Rechtswidrigkeit ist nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert, sondern im Rahmen einer Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit positiv festzustellen.

Stehen sich – wie hier – als widerstreitende Interessen die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und das allgemeine Unternehmenspersönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG) gegenüber, kommt es für die Zulässigkeit einer Äußerung maßgeblich darauf an, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen handelt.

Eine Tatsachenbehauptung bezieht sich auf etwas Geschehenes oder einen gegenwärtigen Zustand und steht deshalb grundsätzlich dem Beweis offen, d.h. ihre Wahrheit oder Unwahrheit ist grundsätzlich mit den in der Prozessordnung vorgesehenen Beweismitteln überprüfbar.

Werturteile sind demgegenüber durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens und Meinens geprägt und deshalb dem Beweis nicht zugänglich.”

Nach diesen einleitenden Grundsatzüberlegungen entschied das Gericht dann, dass die Äußerungen “Miserabler Service von X Computersysteme, Kundenfreundlich ist anders!” und “Schlechter Service von X” Meinungsäußerungen darstellen,

“da sie die subjektive Wertung der Beklagten bezüglich des Services des Klägers ausdrücken. Der Äußerung lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers keine konkret-greifbare Tatsachenbehauptung entnehmen.

Der Vorwurf ist vielmehr sehr pauschal formuliert. In welcher Art und Weise der Service miserabel oder schlecht war und aus welchem Grund die Beklagte zu der Auffassung gelangt, dass „kundenfreundlich anders ist“ ergibt sich aus der Äußerung selbst  nicht – und dies allein ist maßgebend.

Dies wird deutlich, wenn man versucht, eine Beweisfrage zu formulieren, die mit den Mitteln des zivilprozessualen Beweisrechts bewiesen werden könnte. Der verwendeten Begrifflichkeiten sind derart auslegungsfähig und auslegungsbedürftig, dass ihnen eine eindeutige, beweisbare Tatsachengrundlage nicht entnommen werden kann.”

War der Händler erreichbar?

Die Frage, ob der Händler nun telefonisch erreichbar war oder nicht, war im Prozess umstritten. Auf diese Frage komme es aber gar nicht an, so das Gericht.

“Wenn sich wertende und tatsächliche Elemente in einer Äußerung so vermengen, dass diese insgesamt als Werturteil anzusehen ist, kann die Richtigkeit der tatsächlichen Bestandteile zwar im Rahmen einer Abwägung der Rechte eine Rolle spielen.

Enthält die Meinungsäußerung erwiesen falsche oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen, so wird regelmäßig das Grundrecht der Meinungsfreiheit hinter dem durch das grundrechtsbeschränkende Gesetz geschützten Rechtsgut zurücktreten.

Jedenfalls fällt die Richtigkeit des tatsächlichen Äußerungsgehalts, der dem Werturteil zugrunde liegt, regelmäßig bei der Abwägung ins Gewicht.

Anders liegt es nur, wenn der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm ist, dass er gegenüber der subjektiven Wertung in den Hintergrund tritt.

Denn wenn sich einer Äußerung die Behauptung einer konkret-greifbaren Tatsache nicht entnehmen lässt und sie bloß ein pauschales Urteil enthält, tritt der tatsächliche Gehalt gegenüber der Wertung zurück und beeinflusst die Abwägung nicht.

Hier ist ein in der Äußerung enthaltender Tatsachenkern für den Leser nicht erkennbar. Es ist für den Leser nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Beklagte zu dieser Bewertung kommt.”

Bewertung muss nicht erklärt werden

Abschließend entscheidet das Gericht etwas ganz Wesentliches für alle User-Kommentare in Bewertungssystemen.

“Es kann der Beklagten auch nicht angelastet werden, dass sie dem Leser keine Tatsachen an die Hand gibt, um die beanstandete Aussage kritisch nachvollziehen zu können.”

Zwar seien solche Tatsachen nicht nur im Sinne einer fruchtbaren Diskussion, sondern auch für die Ehre des Betroffenen wünschenswert. Allerdings würde eine Verpflichtung hierzu die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung massiv einschränken.

“Andererseits darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Möglichkeit, eine Meinung frei zu äußern, erheblich eingeschränkt wäre, wenn ein Werturteil nur unter gleichzeitiger Angabe der Tatsachen, die es tragen, in die Öffentlichkeit gelangen dürfte.

In der Diskussion ist es schon aus zeitlichen oder räumlichen Gründen oft gar nicht möglich, ein solches Urteil mit Ausführungen zu verbinden, die Anspruch darauf erheben können, den nichtinformierten Hörer oder Leser über die Grundlagen, an denen die Wertung anknüpft, gehörig ins Bild zu setzen.

Ein Begründungszwang würde die Vertretung eines Standpunkts in der Öffentlichkeit von der Darstellbarkeit der „Bezugspunkte” abhängig machen.

Wer seine Meinung nur unvollkommen ausdrücken kann, wäre von der Diskussion weitgehend ausgeschlossen; wer geschickt zu formulieren versteht, könnte das Verlangen nach „Bezugspunkten” erfüllen, ohne seiner kritischen Äußerung mehr Informationsgehalt geben zu müssen.

Insgesamt würde die Diskussion auf den Austausch von beweismäßig nachprüfbaren Informationen verlagert.

Das subjektive Moment, das die Vielfalt der Standpunkte erst provoziert, wäre in der Diskussion dagegen in den Hintergrund gedrängt.

Der geistige Meinungskampf ist aber nicht nur um der Ermittlung der Wahrheit willen gewährleistet, sondern soll gerade dazu dienen, dass jeder sich in der Öffentlichkeit darstellen kann.

Um dieser Gewährleistung willen muss daher die Äußerung eines abwertenden Urteils über einen anderen in der Öffentlichkeit jedenfalls dem Grundsatz nach auch dann zugelassen werden, wenn die Kritik auf eine Unterrichtung über die Grundlagen ihrer Wertung verzichtet; dies auch auf die Gefahr hin, dass der über die „Bezugspunkte” im unklaren gelassene Leser oder Hörer zu einem Urteil über den Angegriffenen veranlasst wird, das er, wenn ihm mehr Informationen an die Hand gegeben worden wären, so nicht gefällt hätte.

Insoweit folgt das wertende Urteil hinsichtlich der Substantiierungspflicht anderen Regeln als eine pauschale Tatsachenbehauptung, die, wenn sie nur Teilwahrheiten vermittelt und dadurch zu einer nachteiligen Fehleinschätzung des Angegriffenen führt, schon deshalb rechtswidrig sein kann.

Im Gegensatz zur Tatsachenbehauptung spricht das Werturteil den Leser oder Hörer als eine subjektive Meinung an und ist ihm als solche erkennbar. Es kann ihm überlassen werden, darüber zu urteilen, was er von einer Kritik zu halten hat, die auf eine Begründung verzichtet.”

Unter all diesen Gesichtspunkten handelte es sich bei den Kommentaren um zulässige Meinungsäußerungen, die den Schutz aus Art. 5 Abs. 1 GG in vollem Umfang genießen.

Keine Schmähkritik

Die Äußerungen stellten auch keine Schmähkritik dar.

“Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll, nimmt die Äußerung den Charakter einer unzulässigen Schmähung an.”

Dies war hier jedoch nicht der Fall.

Das Gericht entschied, dass hier der Sachbezug hergestellt ist, da sich die Äußerungen mit dem Service des Klägers auseinandersetzen.

“Insoweit ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Bewertungen, die die wirtschaftlichen Belange eines nicht unerheblichen Kreises aller amazon-Nutzer betreffen, auch einprägsame, starke Formulierungen verwendet werden dürfen, selbst wenn sie – wie hier nicht – eine scharfe und abwertende Kritik zum Inhalt haben und mit übersteigerter Polemik vorgetragen werden; ob andere diese Kritik für „falsch“ oder „ungerecht“ halten, ist nicht von Bedeutung.”

Im Rahmen der Interessenabwägung überwog hier die Meinungsfreiheit.

Dass die Beklagte hier für einen Mitbewerber tätig wurde, konnte der Kläger nicht beweisen, weshalb dieses Argument außer Acht blieb. Allerdings, so die Gericht, wäre bei gelungenem Nachweis die Einschätzung wohl anders ausgefallen.

So war bereits nicht nachgewiesen, dass die Beklagte mit einem Mitbewerber verheiratet sei. Den Beweis hat der Kläger nicht erbracht, sondern dies lediglich behauptet. Diese Behauptung durfte also von der Kammer nicht beachtet werden. Allein der gemeinsame Nachname war hier übrigens kein Indiz, da die Beklagte Müller hieß und dieser Name sehr häufig vorkommt.

Fazit

Bewertende können ihre Meinung sehr frei äußern. Nur in extrem seltenen Fällen können sich Händler gegen Äußerungen wehren, dies zeigt die Rechtsprechung. Eine Einschränkung der Meinungsfreiheit hat kürzlich das AG Bonn (Urt. v. 9.1.2013, 113 C 28/12) vorgenommen. Es verpflichtete unter anderem den Bewertenden, der in seinen Kommentaren die Qualität der Ware bemängelte dazu, zunächst Gewährleistungsansprüche geltend zu machen, bevor er negative Bewertungen abgibt. Ob diese Entscheidung aber Bestand haben wird, muss allerdings abgewartet werden. Am 18. Juni wird hierzu die mündliche Verhandlung vor dem LG Bonn als Berufungsgericht stattfinden. (mr)

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