Dem Verbraucher steht im Online-Handel ein sehr umfangreiches Prüfrecht zu. Der Einbau einer Kaufsache führt grundsätzlich nicht zum Wegfall des Widerrufsrechtes. In solchen Fällen kann der Händler maximal Wertersatz verlangen. Aber auch dies nur unter bestimmten Voraussetzungen, wie das AG Berlin-Lichtenberg nun in einer weiteren Fallkonstellation entschieden hat.
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Vor dem AG Berlin klagte ein Verbraucher auf Rückzahlung des Kaufpreises (inkl. Versandkosten und Montagesatz) i.H.v. 386,58 Euro. Er hatte online einen Katalysator für seinen Wagen bestellt.
Der Verbraucher ließ den gelieferten Katalysator in einer Fachwerkstatt einbauen und führte anschließend eine kurze Probefahrt durch. Bei dieser stellte er fest, dass sein Wagen nicht mehr die gewohnte Leistung erbrachte.
Er erklärte fristgerecht den Widerruf und sandte auch den Katalysator zum Händler zurück.
Aufrechnung mit Wertersatz
Da der Katalysator deutliche Gebrauchs- und Einbauspuren aufwies, sei dieser für den Händler wertlos geworden. Daher erklärte der Händler die Aufrechnung mit dem ihm vermeintlich zustehenden Wertersatzanspruch.
Händler muss erstatten
Das AG Berlin-Lichtenberg (Urt. v. 24.10.2012, 21 C 30/12) gab der Klage statt und verurteilte den Händler zur Erstattung des Kaufpreises inkl. der Nebenkosten.
Der Händler hat keinen Wertersatzanspruch gegen den Kunden, mit dem er aufrechnen könnte, so das Gericht.
“Einem solchen Anspruch der Beklagten steht gemäß § 357 Abs. 3 Nr. 1 BGB entgegen, dass die Verschlechterung des Katalysators nicht auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht.
Der Kunde soll nämlich grundsätzlich die Möglichkeit haben, die im Fernabsatz gekaufte Ware in Augenschein zu nehmen und auszuprobieren.
Die Funktionsweise eines Katalysators kann er aber nur ausprobieren, wenn er ihn einbaut und durch Inbetriebnahme des Fahrzeugs erprobt.”
Das Gericht folgt mit dieser Einschätzung der einschlägigen Rechtsprechung des BGH in seiner Wasserbett-Entscheidung.
Prüfung wie im Ladengeschäft
Der Händler wandte ein, dass eine derartige Prüfung im Ladengeschäft nicht möglich sei und ihm daher der Wertersatzanspruch zustehe.
“Der Einwand der Beklagten, auch bei einem Kauf im Ladengeschäft hätte der Kläger nicht die Möglichkeit gehabt, den Katalysator in seinen Pkw einzubauen und auszuprobieren, kann ihm nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden. Der Vergleich mit den Prüfungsmöglichkeiten im Ladengeschäft ist nicht der alleinige Prüfungsmaßstab.
Auch hätte der Kläger im Ladengeschäft mehrere Katalysatoren unmittelbar in Augenschein nehmen und diese miteinander sowie ggf. mit dem vorher genutzten und ausgebauten Katalysator vergleichen können.
Bei einem Fernabsatzgeschäft hingegen können nur Fotos der Ware betrachtet werden.
Unerheblich ist, dass der Einbau und das Erproben zu einem Wertverlust führte, denn der Kunde soll nicht nur die Möglichkeit haben, zu Prüfzwecken die Ware aus der Verpackung zu nehmen, die gekauften Teile zu besichtigen und die Vollständigkeit zu überprüfen.”
Daher stand dem Händler kein Wertersatzanspruch zu. Er musste dem Verbraucher die Kosten erstatten.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das Gericht hier die Berufung zugelassen. Das LG Berlin führt diese unter dem Aktenzeichen 84 S 96/12.
Fazit
Die Entscheidung ist ärgerlich für jeden Online-Händler. Gemessen am Gesetz und der bisher ergangenen Rechtsprechung konnte das Gericht hier nicht anders entscheiden. Der BGH hat in seiner Wasserbett-Entscheidung klargestellt, dass selbst bei Möbeln Kratzer toleriert werden müssen, die durch Auf- und Abbau entstehen. Nichts anderes kann daher für Ein- und Ausbrauspuren eines Katalysators gelten. Auch die kurze Probefahrt ist vom Prüfen der Eigenschaften und Funktionsweise erfasst. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass das LG Berlin die Berufung zurückweisen wird. (mr)
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Wahnsinn!! ;-))
Heißt ja gleichzeitig auch, daß die Klausel im Widerrufsrecht je nach Sachlage unwirksam ist. Bekommt bald jedes Produkt eine eigens geschrieben und beglaubigte Widerrufsblehrung? 😉
Naja, solange nicht alle Kunden hier mitlesen und ihre Rechte umsetzen, können einige Händler ja noch etwas leben und verkaufen.
Manchmal frage ich mich, wer soll da überhaupt noch durchblicken – eine Regelung nach der anderen und eigentlich wird meistens nur noch der Kunde gestärkt “Schick’s doch zurück, wenn’s Dir nicht gefällt”.
Vielleicht sollte ich einen Richter einstellen, der meine Verkäufe bearbeitet (und am besten den Kunden noch gratis in das Produkt einarbeitet, damit bloß nichts schiefgehen kann)… ;-))
Kann man überhaupt noch auf der sicheren Seite sein? Es sind zwar alles Einzelfälle, aber ist ja nur eine Frage der Zeit…
Was mich jedoch wundert, warum besorgt sich der Händler nicht ein Dekra/TÜV Gutachten, daß ein Leistungsverlust einfach dazugehört?
Tja, Deutschland ist schon lustig und wird immer lustiger. 🙂
In diesem Sinne, schöne Grüße in die Zukunft
Nils
Meiner Meinung nach liegt hier ein falsches Verständnis von “Prüfung der Eigenschaften und Funktionsweise” zugrunde. Es heißt nämlich nicht “Prüfung der Eignung und des Funktionierens” wie das Amstgericht und der BGH das in meinen Augen fälschlicherweise angenommen haben. Das ist nämlich ein gewaltiger Unterschied. Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise bedeutet meiner Meinung nach: Ich schaue mir das Gerät genau an, prüfe wie es funktioniert und ob es für meine Zwecke geeignet ist – z.B. durch durchlesen der Anleitung und der technischen Spezifikationen, durch Prüfen des Materials und der Verarbeitung usw.. Das das die Intention des Gesetzgebers ist, sieht man auch in der Widerrufsbelehrung – die ja immerhin Gesetzeskraft hat: “Wie es etwa im Ladengeschäft möglich ist”. Ein “Kauf auf Probe” – 14 Tage testen und bei nichtgefallen Geld zurück, war nie die Intention des Widerrufsrechts.
Der Händler hat sich offenbar selbst verteidigt und keinen Rechtsanwalt zu Rate gezogen… Auch im Laden hätte der Käufer in aller Regel den Katalysator nicht in Augenschein nehmen können und mit dem Originalteil vergleichen und “ausprobieren” können. Zum einen hat keine Werkstatt mehr alle Teile auf Lager sondern bestellt diese gemäß der Herstellerzuordnungsliste innerhalb von einem halben bis 1 Werktag. Zum anderen ist der bisherige Katalysator unter dem Fahrzeug fest im Fahrzeug eingebaut, was eine Prüfung erheblich einschränkt.
Das das Fahrzeug nach Einbau des Katalysators weniger Leistung hatte, fällt dann wohl eher unter die Sachmängelhaftung als unter das Widerrufsrecht. Hier muß jedoch berücksichtigt werden, ob diese subjektive Einschätzung belegt werden kann. Sofern das Fahrzeug die vom Fahrzeughersteller angegebenen Leistungsdaten erbringt, liegt diese jedoch nicht vor. Dieses Urteil halte ich nicht für richtungsweisend und würde mich jederzeit ggfs. auf einen Rechtsstreit einlassen !
Die Phrase “..wie es in Ihnen in einem Ladengeschäft möglich wäre…” ist spätestens seit diesem Urteil nichts mehr wert. Der Händler war sich (mE berechtigt) siegessicher und zog vor Gericht, sicher hätten dies zahlreiche andere Händler auch getan, ich zähle mich dazu. Wie SPOILER SHOP schon schreibt, ist hier die Berufung anzustreben, denn genau so unvorhersehbar, wie der Händler zur vollen Erstattung verurteilt wurde, kann das Urteil in der Berufung nun negiert werden. Keinesfalls ist es, wie in dem Fazit geschrieben wurde, wahrscheinlich, das die Berufung zurückgewiesen wird. Das Urteil ist genau wie bei den Wasserbetten zum Haareraufen und läßt Raum für Spekulationen, wie weit es noch – vor allem, abér nicht nur – z. B. im Bekleidungssektor führen wird. Schuhe eine Woche zu tragen, bis der Kunde weiß, ob er darin keine Blasen bekommt, geht in diese Richtung.
Allerdings: Keinen Anwalt zu Rate zu ziehen, wenn man solche Streitigkeiten austrägt und Urteile herbeiführt, ist hinsichtlich der Verantwortung, die man inzwischen gegenüber den restlichen Händlern im Onlinehandel trägt, grob fahrlässig. Nicht gut.