BundestagDie Richtlinie über Rechte der Verbraucher muss bis 13. Dezember 2013 in nationales Recht umgesetzt werden. Im Anschluss einer Expertenanhörung stellte die Bundesregierung kurz vor Weihnachten ihren Gesetzesentwurf vor. Dieser setzt einige Änderungsvorschläge um und hebt redaktionelle Fehler auf. Praxisrelevante richtlinienwidrige Regelungen werden jedoch beibehalten. Ende Januar sprachen die Ausschüsse ihre Empfehlungen aus, am 1.2.2013 gab der Bundesrat seine Stellungnahme ab.

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Wir haben Sie bereits in einer Beitragsreihe über den Referentenentwurf „eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung“ ausführlich informiert. Die VRRL räumt dem nationalen Gesetzgeber wegen ihres Vollharmonisierungseinsatzes einen sehr eingeschränkten Handlungsspielraum bei der Umsetzung ein. Diesem Umstand wurde auch bei der Expertenanhörung am 31. Oktober 2012 Rechnung getragen, bei der auch die Trusted Shops GmbH vertreten durch Dr. Carsten Föhlisch Stellung nehmen konnte.

Fernabsatzvertrag trotzt Beratung des Verbrauchers vor Ort?
Das AG Frankfurt (Urt. v. 6.6.2011, 31 C 2577/10) hat bereits im Rahmen des geltenden Rechts entschieden, dass ein Fernabsatzvertrag auch dann vorliegen kann, wenn sich der Verbraucher vor die Bestellung im Internet in den Geschäftsräumen des Unternehmers beraten lässt. Ein ähnlicher Gedanke findet sich auch im Erwägungsgrund 20 VRRL und in der Begründung zum Regierungsentwurf vom 19. Dezember 2012 (BGB-RegE), obwohl dies dem eindeutigen Wortlaut des § 312b Abs. 1 BGB-RegE widerspricht:

„Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher bis einschließlich des Vertragsschlusses ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden …“

Dabei übersieht der Regierungsentwurf, dass wenn sich der Verbraucher über das Produkt beim Unternehmer vor Ort informieren lässt, er nicht den typischen Risiken eines Fernabsatzgeschäfts ausgesetzt und insoweit nicht schutzwürdig ist, auch wenn der eigentliche Vertragsschluss über Fernkommunikationsmitteln erfolgt.
Umso begrüßenswerter ist die Forderung der Ausschüsse des Bundesrates in ihren Empfehlungen vom 22. Januar 2013 „bis einschließlich des Vertragsschlusses“ durch „vor und bei Vertragsschluss“ zu ersetzen.

„Die Neufassung macht gegenüber dem geltenden § 312b BGB deutlich, dass das Erfordernis der ausschließlichen Verwendung von Fernkommunikationsmitteln sowohl für die Vertragsanbahnung als auch für den Vertragsschluss selbst gilt. Sie sollte aber auch sprachlich befriedigen, was weder für die Fassung des Artikels 2 Nummer 6 der Verbraucherrechterichtlinie noch für den (gegenüber dem Referentenentwurf veränderten) Wortlaut des Gesetzentwurfs der Bundesregierung uneingeschränkt zutrifft.“ (BR-Drucks. 817/1/12, S. 7).

Informationspflichten
Der Regierungsentwurf bringt keine wesentlichen Neuerungen bezüglich des Inhalts der Informationspflichten. Nicht durchsetzen konnte sich die Forderung zu deren Neustrukturierung. Die Anforderungen an der Verbraucherunterrichtung bleiben nach wie vor zwischen §§ 312c ff. BGB-RegE und Art. 246a EGBGB-RegE verteilt. Dies erschwert den Umgang mit den gesetzlichen Vorschriften für Unternehmer und Verbraucher gleichermaßen und steht somit der Förderung des Online-Handels entgegen.

Ein wichtiger Fortschritt aus dem Referentenentwurf wurde wieder rückgängig gemacht.

Die Bestätigung der Pflichtinformationen in Textform musste nach dem § 312f Abs. 2 BGB-RefE den Verbrauchern „zu Verfügung gestellt“ werden. Diese Formulierung entsprach dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 7 VRRL.

Nach §§ 312f Abs. 2 BGB-RefE ist die Bestätigung dem Verbraucher zu „überlassen“. Ob dadurch die Erforderlichkeit eines Zugangs beim Verbraucher geregelt werden sollte, bleibt unklar. Besonders zu kritisieren ist die Verwendung von Begriffen, die der deutschen Rechtsterminologie fremd sind, da daraus erhebliche Auslegungsschwierigkeiten resultieren.

Kostenfreies Zahlungsmittel für den Verbraucher
Nach Art. 19 VRRL darf der Unternehmer dem Verbraucher für die Nutzung von Zahlungsmitteln keine Entgelte verlangen, die über die Kosten hinausgehen, die dem Unternehmer entstehen. § 312c Abs. 3 BGB-RegE geht darüber hinaus und verpflichtet den Unternehmer, dem Verbraucher ein kostenloses Zahlungsmittel zu gewähren.

Dies ist bereits nach dem geltenden Recht der Fall, wie der BGH (Urteil v. 20.05.2010 – Xa ZR 68/09) zutreffend entschieden hat. Denn

„zu den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gehört, dass jeder seine gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können. Mit der Entgegennahme einer Zahlung kommt der Unternehmer nur seiner Obliegenheit nach, eine vertragsgemäße Leistung des Kunden anzunehmen.“

Die ausdrückliche Kodifizierung dieser Obliegenheit im Gesetz sorgt für mehr Rechtssicherheit und Preistransparenz. Der Unternehmer kann mit niedrigeren Endpreisen werben. Auch wird das Gebot aus der Richtlinie über Zahlungsdienste im Binnenmarkt Rechnung getragen.

Widerrufsrecht für Pauschalreisen?
Nach § 312 Abs. 2 Nr. 4 BGB-RegE sind Pauschalreisen i.S.d. § 651a BGB vom Anwendungsbereich des neuen Kapitels „Grundsätze bei Verbraucherverträgen und besondere Vertriebsformen“ ausgeschlossen. Die Ausschüsse des Bundesrates haben empfohlen, den Ausnahmetatbestand zu löschen oder nur auf Fernabsatzverträge zu beschränken.

Begründet wird der Vorschlag mit den Risiken für den Verbraucher, die mit der Buchung von Kaffeefahrten verbunden wird.

Die Ausschüsse haben offensichtlich die Kapazitätsgebundenheit der Reiseanbieter übersehen. Eine Ausnahme vom Widerrufsrecht bei Pauschalreisen ist daher unverzichtbar.

Beginn und Länge der Widerrufsfrist
§ 356 Abs. 3 BGB-RefE regelt, dass die Widerrufsbelehrung Voraussetzung für den Fristbeginn ist.  Dies widerspricht eindeutig dem Wortlaut des Art. 10 VRRL, wonach die ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht lediglich für das Ende der Frist von Bedeutung ist. Darüber hinaus verlangt die Regierung – über die VRRL hinaus – eine Belehrung in Textform vor Vertragsschluss, wenn die Muster-Belehrung übermittelt wird.

„Der Verkäufer muss die Belehrung über das Widerrufsrecht … vorvertraglich zur Verfügung stellen. Benutzt er das Muster für die Widerrufsbelehrung, muss er es dem Verbraucher zutreffend ausgefüllt in Textform übermitteln (Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche).“ (RegE, S. 100)

Nach überwiegender Ansicht in der Literatur und Rechtsprechung ist dies für eBay-Händler nicht möglich. Eine Benachteiligung derartiger Geschäftsmodelle wendet die Begründung – entgegen der Kritik – jedoch ab:

„Übermittelt der Plattform-Verkäufer das Musterwiderrufsformular wie bisher unverzüglich nach Vertragsschluss, hat er dadurch keinen Nachteil, da die Widerrufsfrist ohnehin nach Absatz 2 erst dann zu laufen beginnt, wenn der Käufer die Ware erhalten hat.“ (RegE, S. 100)

Diese Überlegung mag zutreffend sein, rechtfertigt allerdings den Verstoß gegen die Richtlinie nicht. Der Entwurfsverfasser übersieht, dass eBay-Händler bei einem Verstoß gegen § 356 Abs. 3 BGB-RegE einem erhöhten Abmahnrisiko ausgesetzt werden. Zudem gibt es keinen sachlichen Grund, danach zu differenzieren, ob das Belehrungsmuster oder eine andere ordnungsgemäße Belehrung verwendet wurde. Schließlich bleibt die Frage für einen möglichen Wertersatzanspruch des Unternehmers relevant.

Rückerstattung des Kaufpreises
Nach § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB-RegE ist der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher den Kaufpreis in demselben Zahlungsmittel zu erstatten (Art. 13 Abs. 1 Satz 2 VRRL). Im Rahmen des Referentenentwurfs blieb es noch unklar, wie die Rückerstattung zu erfolgen hat, wenn der Verbraucher z.B. per Nachnahme oder durch die Auflösung eines Gutscheins gezahlt hat. Die Gesetzesbegründung wurde entsprechend vervollständig:

„Erfolgte die Zahlung unbar von Konto zu Konto, z. B. durch Überweisung oder im Lastschriftverfahren, muss der Unternehmer den Betrag auf das Konto des Verbrauchers zurückerstatten. … Nur in dem Fall, in dem der Verbraucher einen Gutschein eingesetzt hat, kann der Unternehmer seiner Erstattungspflicht infolge des Widerrufs durch Zusendung eines Gutscheins nachkommen.“ (RegE, S. 103)

Wertersatzanspruch des Unternehmers
Entsprechend der Forderungen in der Expertenanhörung wurde auch die Begründung zum § 357 Abs. 7 BGB-RegE ergänzt und der Anwendungsbereich der Regelung konkretisiert:

„Unter Wertverlust der Ware können sowohl die normale Abnutzung infolge der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme und des weiteren Gebrauchs der Ware als auch darüber hinausgehende Verschlechterungen wie z. B. eine Beschädigung der Ware infolge unsachgemäßer Handhabung oder übermäßiger Inanspruchnahme fallen.“ (RegE, S. 104)

Aus diesem Grund bedarf es nach Ansicht der Regierung auch keiner ausdrücklichen Regelung über die Berechnungsgrundlage des Wertersatzanspruches. Wenig hilfreich ist hingegen die Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der Prüfung der Ware.

 „Zur Prüfung der Ware kann im Einzelfall auch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme gehören. Umgekehrt kann nach der Verkehrssitte eine Prüfung der Ware durch Ingebrauchnahme oder Öffnen der Verpackung unüblich sein, z. B. bei Medikamenten oder Kosmetik.“ (RegE, S. 104)

Maßgeblich bleibt also die Beurteilung im Einzelfall.

Kein Wertersatzanspruch der eBay-Händler bei Verwendung der Musterbelehrung?
Nach dem geltenden § 357 Abs. 3 BGB ist die Belehrung des Verbrauchers Voraussetzung für das Entstehen des Wertersatzanspruches. Die Regelung entspricht auch Art. 6 Abs. 2 VRRL. Es reicht aus, dass diese spätestens bei Vertragsschluss dem Verbraucher mitgeteilt wird.

Wie bereits oben eingeführt, fordert der Regierungsentwurf in § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB-RegE i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 EGBGB-RegE bei Verwendung des Belehrungsmusters, dass dieser bereits vor Vertragsschluss und in Textform mitgeteilt wird.

Dieser richtlinienwidrige Zustand ist unbedingt zu beseitigen. Denn er stellt eBay-Händler vor die unzumutbare Entscheidung, auf den Wertersatzanspruch zu verzichten oder in den Genuss der Musterprivilegierug zu kommen.

Auch im Rahmen der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie bleiben die Widerrufsfrist und der Wertersatzanspruch des Unternehmers also ständige Baustellen im deutschen Fernabsatzrecht.

Fehlerhafte Musterbelehrung
Trotzt ausdrücklicher Hinweise wurde die fehlerhafte Formulierung in der Musterbelehrung aus Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB-RegE nicht geändert:

„Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab dem Tag …“

Dies kann nur so verstanden werden, dass der Tag des Eingangs den ersten Tag der Widerrufsfrist darstellt, was unzutreffend ist. Die Formulierung entspricht zwar der Musterbelehrung aus der VRRL, eine Auswertung der Erwägungsgründe und der englischsprachigen Fassung zeigt jedoch, dass es sich hier vermutlich um einen Übersetzungsfehler handelt und auch nach der VRRL der Tag des Eingangs beim Verbraucher in die Widerrufsfrist nicht eingezählt wird.

Redaktionelle Fehler aufgehoben
Infolge der Kritik in die Expertenanhörung wurde § 357 Abs. 9 BGB-RegE über das Erlöschen des Widerrufsrechts bei digitalen Inhalten ergänzt. Die Regelung aus Art. 14 Abs. 4 lit. b VRRL wurde im Referentenentwurf übersehen. Neu gefasst wurde auch § 357 Abs. 10 BGB-RegE.  Die Vorschrift wurde wie folgend neu gefasst:

„Weitere Ansprüche gegen den Verbraucher infolge des Widerrufs bestehen nicht.“

Es wird klar gestellt, dass Ansprüche gegen den Verbraucher wegen der Verletzung seiner Pflicht zur Rücksendung der Ware nicht ausgeschlossen sind.

UPDATE: Lesen Sie hier die Stellungnahme des Bundesrates.

Update:

Am 26. September 20013 wurde das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie im Bundesgesetzblatt verkündet. Es wird also am 13. Juni 2014 in Kraft treten.

Fazit
Ein Vergleich zwischen dem Referenten- und dem Regierungsentwurf zeigt, dass der Entwurfsverfasser sich zum einen auch bei offensichtlich fehlerhaften Regelungen an den Wortlaut der VRRL gebunden fühlt (so bei der Musterbelehrung), zum anderen die bestehende deutsche Systematik nicht aufgeben möchte (so bei der Fragen der Fristlänge und Wertsatz). Das Ergebnis ist eine unübersichtliche Rechtslage gerade bei äußerst praxisrelevanten Fragen. Es bleibt zu hoffen, dass die Fehler im weiteren Gesetzgebungsverfahren aufgehoben werden.

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