Am 23. Juni 2011 wurde im EU-Parlament die neue Verbraucherrechterichtlinie verabschiedet, die voraussichtlich bis 2013 in nationales Recht umzusetzen ist. In einer Reihe von Beiträgen wollen wir Ihnen die künftigen Änderungen genauer vorstellen. In Teil 1 geht es um den Wegfall eines europaweit einmaligen bürokratischen Monstrums – der “40-Euro-Klausel”.
Erfahren Sie, wann Verbraucher künftig die Kosten der Rücksendung tragen.
Als im Oktober 2008 die Verbraucherrechterichtlinie von der Europäischen Kommission ins Parlament eingebracht wurde, war darin bereits eine aus Sicht deutscher Händler erfreuliche Regelung vorgesehen: Der Verbraucher sollte bei Ausübung des Widerrufsrechtes immer die Kosten der Rücksendung zu tragen haben.
Damit kam erstmals Hoffnung auf, dass die im Jahr 2000 im Vermittlungsausschuss verklausulierte Klausel, die 2004 nochmals kompliziert wurde, endlich aus dem deutschen Recht verschwinden wird.
Die deutsche Bundesregierung hatte in ihrer Stellungnahme an die Kommission im Jahr 2008 die von der Entbürokratisierungsbeauftragten stark kritisierte Regelung noch als “nationale Gewohnheit” gerechtfertigt und sich gegen deren Streichung ausgesprochen.
50-Euro-Klausel im Schwab-Bericht
In einem zweiten Verfahrensschritt legte der Berichterstatter des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, der CDU-Abgeordnete Dr. Andreas Schwab, die Änderungsvorschläge des Ausschusses vor. Darin vorgesehen war eine 50-Euro-Klausel, die der derzeit noch gültigen deutschen 40-Euro-Klausel sehr nahe kam:
“Der Verbraucher hat nur für die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren aufzukommen. Er hat für diese Kosten nicht aufzukommen, wenn der Gewerbetreibende sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen, oder der Preis der zurückzusendenden Waren einen Betrag von 50 Euro übersteigt.”
Der Rechtsausschuss hatte keine Änderungswünsche am Vorschlag der Kommission in diesem Punkt. Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung schlug vor: “Die Kosten der Rücksendung der Ware(n) trägt, sofern im Vertrag nicht etwas anderes festgelegt ist, der Gewerbetreibende.”
40-Euro-Klausel im Parlamentsvorschlag
Am 24.3.2011 verabschiedete das EU-Parlament einen Entschließungsantrag, mit dem es seine Änderungswünsche dem Rat und der Kommission mitteilte. In Artikel 17 sollte zum Thema Rücksendekosten folgende Klausel aufgenommen werden:
“Der Verbraucher hat nur für die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren aufzukommen. Er hat für diese Kosten nicht aufzukommen, wenn der Unternehmer sich im Vertrag bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen, oder der Preis der zurückzusendenden Waren einen Betrag von 40 EUR übersteigt.”
Für deutsche Händler hätte sich also lediglich geändert, dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit integrierter Widerrufsbelehrung die 40-Euro-Klausel nicht mehr doppelt hätte verwendet werden müssen, wie dies von der deutschen Rechtsprechung verlangt wird.
Verbraucher trägt Rücksendekosten
Im Kompromiss, der zwischen Rat, Kommission und Parlament zusammen mit den Lobbyisten in den sogenannten Trilog-Verhandlungen ausgearbeitet wurde, wurde weder die 40- noch die 50-Euro-Klausel aufgenommen. Vielmehr steht nun in der Richtlinie, dass der Verbraucher immer die Rücksendekosten trägt, wenn er vom Unternehmer auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.
Dafür muss der Händler künftig, wenn die Waren aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht auf dem normalen Postweg zurückgesendet werden können, die Höhe der Rücksendekosten im Vorfeld nennen.
Dies ist eine Errungenschaft der Verbraucherschutz-Lobby, die Verbraucher gegenüber dem Ursprungsentwurf der Kommission deutlich besser stellt und manchen Händler vor große Herausforderungen stellt. Denn vielen wird nicht bekannt sein, welche Kosten genau etwa für den Rückversand einer Gitarre aus Finnland anfallen. Diese Kosten sind künftig genau zu beziffern, wenn der Online-Shop aktiv auf dieses Land ausgerichtet ist.
Freiwillige Übernahme möglich
Dem Unternehmer steht es natürlich immer frei, sich im Rahmen einer besonderen Service-Leistung, die dann auch – anders als der gesetzliche Normalfall – als solche beworben werden darf, zur Übernahme der Kosten bereit zu erklären.
Insoweit wird die aktuelle deutsche Regelung umgekehrt: Der gesetzliche Normalfall ist 2013, dass der Verbraucher die Rücksendekosten trägt, ohne dass der Händler dies vereinbaren müsste, wie es bei der aktuell gültigen 40-EUR-Klausel der Fall ist.
Nur wenn diese – doppelt! – einmal in AGB vereinbart und zusätzlich noch einmal als Information in der Widerrufsbelehrung enthalten ist, trägt der Verbraucher in bestimmten Fällen die Rücksendekosten. Ab 2013 muss hingegen die Tragung der Kosten durch den Händler besonders vereinbart werden.
Unfreie Rücksendungen, Retourenaufkleber & Co.
Das OLG Hamburg sieht den Verbraucher in Fällen, in denen er nicht die Rücksendekosten tragen muss, als berechtigt an, die Ware “unfrei” zurückzusenden. Ein Standardkommentar zum BGB hält sogar eine Retoure per Nachnahme (durch den Verbraucher!) für zulässig.
Dies wird künftig glücklicherweise ebenso Rechtsgeschichte sein wie die Frage, ob der Verbraucher gezwungen werden kann, einen Retourenaufkleber der Händlers zu verwenden, um unnötige Kosten zu sparen, was nach überwiegender Ansicht unter Verweis auf die geltende Rechtslage abgelehnt wird. Eine solche “Schadensminderungspflicht” würde das Recht des Verbrauchers auf kostenlosen Rückversand beeinträchtigen, so die überwiegenden Stimmen.
Eine weitere, von der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärte Frage ist derzeit, ob der Verbraucher immer die kostengünstigste Versandart wählen muss, was ebenfalls überwiegend verneint wird. Umgekehrt ist unklar, ob der Kunde etwa im Fall von Wertsendungen wie Gold oder Schmuck gezwungen werden kann, die Kosten für eine besondere Versicherung vorzustrecken. All diese deutschen Sonderprobleme werden mit Umsetzung der Richtlinie entfallen.
Fazit
Durch die bis zum 13. Dezember 2013 umzusetzende Neuregelung wird ein Fehlanreiz für missbräuchliche Bestellungen und Verursachung unnötig hoher Kosten (unfreie Rücksendungen) entfallen. Auf der anderen Seite ist ein kostenfreier Rückversand ein starkes Kaufargument. Daher ist auch künftig damit zu rechnen, dass Händler freiwillig einen kostenlosen Retourenservice anbieten, um sich im Wettbewerb positiv abzuheben.
Nach langem politischen Hin und Her ist am Ende doch noch ein vernünftiger Kompromiss für alle Beteiligten herausgekommen. Der Weg, dem Wettbewerb die Frage der Rücksendekosten zu überlassen und damit eine Vielzahl deutscher Sonderprobleme aufzulösen, ist der richtige.
Ich wurde morgen schon die 40 Euro Klausel streichen.
Bis wann geht das? 2013 ist noch ziemlich weit weg.
Na das sind doch schonmal gute Neuigkeiten, dass es endlich mal zu einer einfacheren Lösung kommt und nicht immer diese Hickhack fabriziert wird.
Aber es ist auch ein gewichtiges Argument, gerade dann einen freien/kostenlosen Rückversand anzubieten. Viele werden das jedoch nicht unbedingt freiwillig tun, sondern eher, WEIL es die Konkurrenz macht – gewissermaßen kann es dann passieren, dass es für den Kunden noch besser wird, weil viele das freiwillig anbieten werden, jedoch kommen dann evtl. noch mehr Kosten auf den Händler zu…
Ich würde die freiwillige Übernahme des Rückversandes durch den Händler wegen Wettbewerbswidrigkeit untersagen. Somit wären kleine Händler nicht praktisch gezwungen, die Rücksendkosten zu erstatten, weil die großen es so machen…
Kostenmäßig wird das keine Verbesserung bringen, da man aus Wettbewerbsgründen es sich schon gut überlegen muß, die Kosten nicht zu übernehmen.
Hi, ich habe jetzt gelesen das die einzelnen Nationalstaaten selber entscheiden können, ob sie die neuen Regeln für Verträge unter 50€ anwenden oder nicht. Bei Verträgen über 50€ sind sie verpflichtet die neuen Regelungen umzusetzen.
Wenn das so sein sollte, kann man doch wohl nicht schon jetzt von “einem Wegfall der 40€-Klausel” sprechen. Es ist so durchaus möglich das Deutschland die Regeln für Verträge unter 50€ nicht einführt und alles beim alten bleibt bei der 40€-Klausel…
ODER SEHE ICH DAS FALSCH?
Nachtrag: Ich habe jetzt den Text dazu gefunden:
“(28) Um Verwaltungsaufwand für Gewerbetreibende zu vermeiden, können die Mitgliedstaaten beschließen, diese Richtlinie nicht auf Fälle anzuwenden, in denen Waren oder Dienstleistungen mit einem geringen Wert außerhalb von Geschäftsräumen verkauft werden. Der Schwellenbetrag sollte so niedrig festgesetzt werden, dass nur geringfügiger ausgeschlossen wird. Den Mitgliedstaaten sollte es gestattet sein, diesen Schwellenwert in ihrem nationalen Recht festsetzen; er darf aber 50 EUR nicht überschreiten. Werden zwei oder mehr Verträge, die in Bezug auf ihren Gegenstand zusammenhängen, vom Verbraucher gleichzeitig geschlossen, so sollten deren Gesamtkosten für die Anwendung dieses Schwellenwerts betrachtet werden.”
Link: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2011-0293+0+DOC+XML+V0//DE&language=DE#ref_2_28
@Reiner:
Zur Klarstellung: Dieser Absatz hat nichts mit Fernabsatzverträgen zu tun, sondern darf ausschließlich auf sog. Haustürgeschäfte (“außerhalb von Geschäftsräumen”) angewendet werden!
Außerdem ist es nur eine Öffnungsklausel für die Mitgliedstaaten. Ich denke nicht, dass Deutschland davon Gebrauch machen wird.
@Reiner: Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung: Die “50-€-Klausel” können die Mitgliedstaaten im Haustürwiderrufsrecht regeln, aber nicht im Fernabsatzrecht. Art. 3 Abs 4 VRRL lautet: “Die Mitgliedstaaten können beschließen, diese Richtlinie auf *** außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge ***, bei denen der vom Verbraucher zu zahlende Gegenwert 50 EUR nicht überschreitet, nicht anzuwenden und keine entsprechenden nationalen Bestimmungen aufrechtzuerhalten oder einzuführen. Die Mitgliedstaaten können in den nationalen Rechtsvorschriften einen niedrigeren Wert festsetzen. ” http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=TA&reference=P7-TA-2011-0293&language=DE
Insofern “jein”, die Mitgliedstaaten können es regeln, aber nicht in dem Bereich, über den wir hier schreiben. Denn wir schreiben über Online-Shops, nicht Haustürverkäufer.
OK, mir war die Gleichsetzung von “außerhalb der Geschäftsräume” und “Haustürgeschäfte” nicht bekannt. Für mich war zu diesem Zeitpunkt ein Onlinegeschäft auch ein Vertrag “außerhalb der Geschäftsräume” da der Vertrag ja ONLINE geschlossen wird. Unter “Veträge in Geschäftsräumen” habe ich Verträge im eigenen Ladengeschäft (= Geschäftsräume) verstanden.
Aber wenn ihr sicher seid… hoffe mal ihr habt Recht.
Ja, wir haben Recht 😉 zum Hintergrund: In der VRRL sollten zunächst vier EU-Richtlinien zusammengefasst werden. Da dieses Mammut-Projekt zu scheitern drohte, hat man sich auf zwei Richtlinien beschränkt, die Fernabsatzrichtlinie und die Haustürgeschäfterichtlinie. In Zwischenversionen der VRRL gab es noch spezielle Abschnitte zum Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften einerseits und Fernabsatzgeschäften andererseits. Die 50-€-Klausel, die im Schwab-Bericht noch für beide Geschäftstypen vorgesehen war, wurde dann im Bereich Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften und dann später im Anwendungsbereich verortet. Insofern ist auch die Historie eindeutig. Übrigens gibt es die Kategorie der Haustürgeschäfte schon sehr viel länger als die der Fernabsatzgeschäfte und die Schutzzwecke sind nicht identisch. Daher auch unterschiedliche Regelungen. Wenn es Sie im Detail interessiert, empfehle ich Teil 1 B aus diesem Buch: http://www.amazon.de/Das-Widerrufsrecht-Onlinehandel-Carsten-F%C3%B6hlisch/dp/340659641X (kann ich Ihnen gern schicken)
Nun wird hier viel diskutiert – ab wann kann ich die 40 € Klausel streichen – ist diese Regelung nun in Deutschland schon gültig – EU Recht dürfte ja höher stehen als nationales Recht.
Wie bereits im Beitrag geschrieben, muss die Richtlinie bis Mitte 2013 in nationales Recht umgesetzt werden. Bisher gilt das also in Deutschland noch nicht. Wir werden hier im Blog darüber berichten, wenn es soweit ist.
Viele werden sich dann nach anderen Shops richten müssen die kostenlosen Rückversand anbieten. Es ist zu hoffen das der Deutsche Volkssport des Rücksendens dann abnehmen wird. Dennoch sehe ich schon die zahlreichen “Aber ich…..” vor mir.