Ob ein Shopbetreiber das Widerrufsrecht für Hygieneartikel ausschließen kann, ist nicht abschließend geklärt. Eigentlich sollte sich das OLG Koblenz mit dieser Frage beschäftigen. Das Gericht fand jedoch einen Weg, sich um diese Frage zu drücken: Es entschied, dass Badeenten keineswegs unter den Begriff “Hygieneartikel” fallen.
Achtung, diese Entscheidung erging zum alten Recht, welches nur bis 13. Juni 2014 galt. Am Ende des Beitrages erklären wir die neue Rechtslage im Video.
Badeente als Erotikspielzeug
Vor dem OLG Koblenz (Beschluss v. 09.02.2011, 9 W 680/10) stritten sich zwei Online-Händler für Badeenten. Der Antragsgegner, der neben den Badeenten auch noch andere Artikel verkaufte, verwendete in seinem Shop den Hinweis:
“Bitte beachten Sie, dass entsiegelte Software, entsiegelte Datenträger sowie entsiegelte Hygieneartikel vom Rückgaberecht ausgeschlossen sind.”
Im Hinblick auf eine Badeente, welche eine Vibratorfunktion hatte, wollte der Antragsteller erreichen, dass die Verwendung dieser Klausel dem Antragsgegner untersagt werde.
Das Landgericht hatte den Antrag abgewiesen, weswegen sich der Antragssteller mit der sofortigen Beschwerde an das OLG richtete.
Kein Unterlassungsanspruch
Diese hatte jedoch keinen Erfolg. Das OLG entschied, dass ein Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7, 8 UWG nicht besteht.
Nach Ansicht des 9. Senats des OLG Koblenz hatte der Antragssteller nämlich nicht glaubhaft gemacht, dass die angesprochenen Verkehrskreise die von der Antragsgegnerin vertriebenen Badeenten als “Hygieneartikel” im Sinne dieser Klausel ansehen würden.
“Der Senat vermag auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht aufgrund eigener Sachkunde festzustellen, ob die von der Antragsgegnerin als Fanartikel angebotenen Badeenten, die in den Vereinsfarben von Fußballbundesligavereinen gefärbt sind, und die Badeente “Paris” mit Federboa, die im Rahmen einer “Sommernachtstraum”-Aktion vertrieben wurde und die über eine Vibratorfunktion verfügt, nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise dem Begriff “Hygieneartikel” unterfallen oder nicht.”
Daher erübrigte sich für den Senat die weitere Prüfung, ob ein Ausschluss von “entsiegelten Hygieneartikeln” einen Wettbewerbsverstoß darstelle oder nicht.
Definition “Hygieneartikel”
Anschließend beschäftigte sich das Gericht mit verschiedenen Definitionen des Begriffs “Hygiene”.
“Eine allgemein gültige Definition dieses Begriffs existiert nicht.
Laut Wikipedia bezeichnet der Begriff “Hygiene” im engeren Sinn die Maßnahmen zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten, insbesondere Reinigung, Desinfektion und Sterilisation.”
Bevor weitere Definitionen vom Gericht angeführt werden, stellt es noch fest,
“dass es bei der Entscheidung der Frage, ob Badeenten als Hygieneartikel anzusehen sind, nicht darauf ankommt, welche Produkte aus ihrem Sortiment die Antragsgegnerin selbst vom Widerrufsrecht ausschließen will.
Danach reicht es, wenn nur ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher von einem dahingehenden Verständnis geleitet würde. Denn dann könnte dieser Teil der Verbraucher von einem dahingehenden Verständnis geleitet würde. Denn dann könnte dieser Teil der Verbraucher durch eine wettbewerbswidrige Widerrufsbelehrung davon abgehalten werde, sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß auszuüben.”
Badeenten mit Fanbemalung stufte das Gericht als nicht als Hygieneartikel ein. Eine Badeente “Paris” mit Vibratorfunktion könnte nach Ansicht des Gerichts von den Verbrauchern ausschließlich als Erotikspielzeug benutzt und angesehen werden, weswegen sie auch nicht als Hygieneartikel anzusehen sei.
“Als solches unterfällt die mögliche Verwendung der Badeente nicht dem herkömmlichen Begriff der Hygiene, unter dem “die Gesundheitslehre und -fürsorge (Duden – Die deutsche Rechtschreibung, 25. Auflage, 2009) und “die Gesamtheit aller Bestrebungen und Maßnahmen der Gesundheit zur Verhütung von Krankheiten und Gesundheitsschäden” (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1986) zu verstehen ist.
Der Begriff der Hygiene beinhaltet somit die Gesundheitsfürsorge und -pflege. Sprachgebräuchlich unterfällt dem Begriff im weiteren Sinne auch die Körperreinlichkeit.”
Anschließend beschreibt der Senat noch die Verwendung des Begriffs “Hygiene” in den 1950er Jahren:
“Zwar ist auch einem Teil der Mitglieder des Senats bekannt, dass im Laufe der sogenannten Aufklärungs- und Sexwelle in den 1950er Jahren des vergangenen Jahrhunderts der Begriff der Hygiene oder Ehehygiene als rhetorische Camouflage (Verbrämung) für Gebrauchsartikel aus dem Erotikbereich verwandt wurde.
Ob dies aber heute noch der Fall ist und insbesondere von den hier angesprochenen Verkehrskreisen so verstanden wird, verschließt sich dem Senat.”
Hier hätte der Antragsteller Mittel des Beweises oder der Glaubhaftmachung präsentieren müssen, was er aber nach Ansicht des Senats nicht tat.
Fazit
Zwar ist die Entscheidung sehr lesenswert, allerdings ist schade, dass der Senat die eigentlich wichtige Frage – ob Hygieneartikel vom Widerrufsrecht ausgeschlossen sind oder nicht – deswegen nicht beantworten musste, weil er Badeenten eben nicht zu diesen Artikeln zählte. (mr)
Online-Recht kompakt
In unserer Youtube-Reihe Online-Recht kompakt erklären wir Ihnen die Rechtslage
Bildnachweis: Michal Kalasek/shutterstock.com
Es ist kein Urteil, sondern ein Zirkus. Und dorthin fließt Steurgeld.
Unglaublich, haben wir denn schon den 1.April ?
Das ist typisch deutsche Rechtssprechung, nur nicht selbst nachdenken, sondern ganz streng an alten Definitionen festhalten. Während wohl beinahe 99 % ( subjektive Behauptung ) der Bevölkerung einen Vibrator als ein Hygieneartikel sehen würden, tut es ein Oberwaldundwiesengericht nicht. Das ist einfach nur noch peinlich.
@ Trusted Shops:
Dieses Urteil zeigt, dass es wichtig ist, dass bei einer evtl. Überarbeitung des Widerrufsrechts wichtig ist, dass nicht nur “Hygieneartikel” vom Widerrufsrecht ausgeschlossen werden sollten, sondern auch “hygienisch sensible Artikel”.
Hmm, wer will den sowas wieder kaufen?
Selbst als B-Ware wird man das doch nicht wieder los.
Wer weiß denn was damit passiert ist, was soll ich in meine Artikel Beschreibung kritzeln?
Gebraucht daher zum halben Preis???
Igitt, ich kauf sowas aber dann nimma.
Aber da hätte man gleich eine Klärung mit einbringen sollen, ist ja als wenn ich Milch zurückgebe weil ich dir vor 3 Monaten gekauft habe und vergessen hab zu trinken und nu mit mir reden kann.
Man spürt bei dem Urteil ganz deutlich, dass sich die Richter um die Beantwortung der eigentlichen Frage “Kann man irgendetwas wirksam vom Widerrufsrecht ausschließen?” drücken wollten. Von daher ein ganz schlechtes Urteil.
Die möglichen Ausschlußgründe sind im Gesetz doch eigentlich abschließend geregelt (versiegelte Software, Zeitschriften, verderbliche Lebensmittel, etc.). Mit welcher Berechtigung sollte ein Online-Händler jetzt von sich aus diese Ausschlußartikel erweitern dürfen? Da gibt es m.E. keine gesetzliche Grundlage für.
Man kann als Online-Händler ja auch nicht schreiben “angebrochene Kosmetikartikel sind vom Widerrufsrecht ausgeschlossen” oder “Matrazen sind vom Widerrufsrecht ausgeschlossen!”. Solche Ausschlüsse sind ja bereits von deutschen Gerichten gerügt worden. Und das obwohl es jeder als “unhygienisch” empfinden würde, wenn er als Kunde, einen geöffneten Lippenstift oder eine “bestimmungsgemäß benutzte Matraze” zugesendet zu bekommen.
Mit welcher Begründung sollte also ein Online-Händler überhaupt den Auschluß vom Widerrufsrecht auf “Hygieneartikel” erweitern dürfen?
Zumal im konkreten Zusammenhang mit Badeenten und Sexspielzeug in Form einer Badeente diese Formulierung für den Verbraucher schon missverständlich ist. Selbst eine einfache Badeente findet ihren Einsatz als Spielzeug in der Badewanne, also einem Lebensbereich, der eindeutig der Hygiene zugeordnet werden kann. Schon bei einer einfachen Badeente, kann dem ein oder anderen Verbraucher, angesichts des Auschlusses Zweifel kommen, ob er hierfür das Widerrufsrecht ausüben kann. Im konkreten Fall würde das ja bedeuten, dass die einfache Badeente, nach entfernen der versiegelten(???) Verpackung vom Widerrufsrecht ausgeschlossen ist. Man stelle sich mal eine bestimmungsgemäß in Gebrauch genommene Badeente vor, die ins Badewasser gelassen worden ist, dabei voll Wasser gelaufen ist und die von einem Kleinkind in den Mund genommen wurde. Würde jeder sagen, der Weiterverkauf so einer Badeente ist unhygienisch, obwohl so ein Artikel sicherlich nicht vom Widerrufsrecht ausgeschlossen werden dürfte.
Und wirklich jeder Verbraucher würde einen Sexspielzeug, gleich in welcher Form, als Hygieneartikel ansehen. Frage ist nur, ob ich mittels o.a. Formulierung ein Sexspielzeug deshalb vom Widerrufsrecht ausschließen kann. Ich glaube nicht!
Als Verbraucher muss ich nun mal die Chance haben einen online gekauften Artikel zu rüfen. D. h. ich darf diesen Artikel aus der Verpackung nehmen, ihn in die Hand nehmen, das Material prüfen, die Batterien einlegen, anschalten – und dann feststellen: “Nein, entspricht nicht meinen Vorstellungen.” und dann wieder zurück senden dürfen. Wohlgemerkt – ich spreche jetzt nicht davon sich das Ding irgendwo einzuführen, ich meine wirklich eine klassische und m.E. völlig unproblematische Prüfung eines Sexspielzeuges, so wie es auch in einem stationären Sex-Shop möglich ist. Da habe ich nämlich die Möglichkeit, anhand der dort geöffneten Muster mir einen Eindruck von dem Artikel zu machen.
Natürlich ist es für den Händler dann problematisch so einen geöffneten Artikel wieder zu verkaufen. Aber genauso problematisch ist das auch für einen Wasserbetten-Verkäufer oder Kosmetik-Händler. Gleichwohl muss man aber auch mal objektiv feststellen, dass man selbst bei Rückläufern von Sexspielzeugen, diese durch geeignete Desinfektionsmaßnahmen, diese wieder in einen hygienisch einwandfreien Zustand zu versetzen, so dass er nüchtern betrachtet hygienisch unbedenklich als “Neu” verkauft werden kann.
Last but not least, ist auch nicht auf die Frage der Versiegelung eingegangen. Auch hier sind ja (Urteil OLG Hamm) bestimmte Voraussetzungen zu beachten. Und auch auf diese Frage ist das OLG Koblenz nicht eingegangen.
Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht:
Das Gericht hat sich hier mit seinen überflüssigen Ausführungen zur Definition der “Hygiene” um die eigentliche – zugegebenermaßen nicht ganz einfache Frage – gedrückt. Die Frage wäre ja gewesen, ob “Hygieneartikel” unter die Ausnahme “zur Rücksendung nicht geeignet” subsumiert werden können.
Ich bin gespannt, wie die Gerichte die gleiche Frage beantworten werden, wenn die derzeit in der Verbraucherrechte-Richtlinie geplanten Änderungen tatsächlich geltendes Recht werden. Darin vorgesehen ist nämlich die Ausnahme “hygienisch sensible Waren, deren Verpackung oder Versiegelung der Verbraucher nach vorheriger Information über den Ausschluss des Widerrufsrechts bereits geöffnet hat”. Ich bin gespannt, wie – im Zweifel vom EuGH – die Gerichte diese (GEPLANTE!) Ausnahme auslegen werden.
Sind Badeenten “hygienisch sensibel”? Und wenn ja, sind “Hygieneartikel” das gleiche wie “hygienisch sensible Waren” oder sind “Hygieneartikel” nicht nur ein kleiner Teil von “hygienisch sensiblen Waren”? Stichwort: Hundebetten. Sicherlich kein Hygieneartikel. Aber hygienisch sensibel wohl doch…
Alleinschon die Tatsache, das wir darüber diskutieren, was denn jetzt ein Hygieneartikel ist und was nicht, zeigt doch schon die Problematik dieses Ausschlusses.
Sofern nur ein geringer Teil der Verbraucher die Frage “Ist ein Vibrator ein Hygieneartikel?” mit Ja beantwortet, würde dazu führen, dass dieser Teil der Verbraucher im konkreten Fall von der Ausübung seines Widerrufsrechtes abgehalten wird. Dabei ist das bloße Entfernen der Verpackung und Prüfung der Funktionalität völlig unproblematisch und muss auch dem Verbraucher gestattet sein. Und ich behaupte mal, dass ein Großteil der Verbraucher diese Frage mit Ja beantworten würde. Somit ist dieser Ausschlußgrund durchaus geeignet, den Verbraucher in der Ausübung seiner Rechte erheblich und in unzulässiger Weise einzuschränken.
Und mit so etwas wird die Zeit der deutschen Justiz verschwendet! Ohne Zweifel ist das ein Hygieneartikel – eindeutiger geht es ja wohl nicht!