Im Dezember 2008 entschied der BGH, dass ein Händler keinen Nutzungsersatz verlangen darf, wenn der Verbraucher ein defektes Gerät im Wege der Nacherfüllung umtauschen möchten. Im September 2009 entschied der BGH jedoch, dass etwas anderes gelten solle, wenn der Verbraucher vom Vertrag wegen mangelhafter Ware zurücktritt.
Dr. Walter Felling hat das Urteil in einem Gastbeitrag für Sie kommentiert.
Durch die Schuldrechtsreform im Jahre 2002 ist das Mängelgewährleistungsrecht grundlegend neu gestaltet worden. Erstmals wurde in § 433 Abs. 1 S. 2 BGB die Verpflichtung des Verkäufers aufgenommen, dem Käufer eine Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Weiter wurde als sog. 2. Chance des Verkäufers zunächst das Recht des Käufers auf Nacherfüllung gem. § 439 Abs. 1 BGB geregelt, wobei zugleich § 439 Abs. 2 BGB bestimmt, dass der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport- , Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen hat.
Wertersatz bei Neulieferung?
Nachfolgend wurde darüber gestritten, ob bei einer Nacherfüllung durch Lieferung einer mangelfreien Sache der Käufer dem Verkäufer Nutzungsersatz zu leisten hat. Eine solche Nutzungsentschädigung des Käufers ließe sich über § 439 Abs. 4 BGB iVm §§ 346ff. BGB begründen. Der BGH hat zunächst in einem Beschluss vom 16.08.2006 das entscheidende Verfahren ausgesetzt und einen Vorlagebeschluss an den Europäischen Gerichtshof gefasst (NJW 2006, 3200).
Dieser hat mit Urteil vom 17.04.2008 (Rechtssache C-404/06) entschieden, worauf der BGH mit Urteil vom 26.11.2009 – VIII ZR 200/05 festgestellt hat, dass eine einschränkende Auslegung des § 439 Ab s. 4 BGB im Hinblick auf die Nutzungsersatzpflicht des Käufers erfolgen müsse.
Seit diesem Zeitpunkt kann der Verkäufer vom Käufer beim Austausch einer mangelhaften durch eine mangelfreie Ware keine Nutzungsentschädigung vom Käufer für den Zeitraum verlangen, in welchem der Käufer die mangelbehaftete Ware genutzt hat.
Wertersatz bei Rücktritt vom Vertrag?
Eine gleiche Rechtsfrage stellt sich, wenn der Käufer wegen eines Mangels der Kaufsache einen wirksamen Rücktritt vom Vertrag erklärt und die Rückzahlung des Kaufpreises verlangt. Hier liegt nunmehr eine aktuelle Entscheidung des BGH vom 16.09.2009 – VIII ZR 243/08 vor.
Danach steht einem Anspruch des Verkäufers auf Nutzungswertersatz gem. § 346 Abs. 1 BGB bei Rückabwicklung eines Verbrauchsgüterkaufs europäisches Recht nicht entgegen.
Begründet wird diese Entscheidung mit dem 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999, der es ausdrücklich gestatte, dass die Benutzung der vertragswidrigen Waren im Falle der Vertragsauflösung berücksichtigt werden könne. Damit sei der Käufer verpflichtet, in diesem Fall gezogene Nutzungen an den Verkäufer herauszugeben oder hierfür Wertersatz gem. § 346 Abs. 2 BGB zu leisten.
Kritik an der Entscheidung
Diese Entscheidung mag dogmatisch gut begründet sein; dennoch muss sie nach meiner Überzeugung aus folgenden Gründen revidiert werden:
Der Verkäufer, der eine mangelbehaftete Ware ausliefert, hat zunächst seine Verpflichtung aus § 433 Abs. 1 S. 2 BGB verletzt. Kommt er jetzt dem Nachlieferungsverlangen des Käufers nach, erhält der Verkäufer keine Nutzungsentschädigung. Verletzt aber der Verkäufer seine weitere Verpflichtung zur Nachlieferung, so hat nun der Käufer keine andere Wahl als den Rücktritt vom Vertrag zu erklären (§ 440 BGB). In diesem Fall soll nun der Verkäufer aber eine Nutzungsentschädigung erhalten. Ein absurdes Ergebnis, gelingt es dem Verkäufer doch, bei zwei Vertragsverletzungen besser gestellt zu werden als bei einer Vertragsverletzung.
Und ist nicht jetzt dem Nutzungsersatzanspruch des Verkäufers ein Gegenanspruch entgegen zu halten? Der Verkäufer, der seine Nachlieferungspflicht trotz Reklamation und Fristsetzung durch den Käufer nicht nachkommt, begeht eine weitere Pflichtverletzung; eine solche löst einen Schadensersatzanspruch des Käufers gegen den Verkäufer aus § 280 Abs. 1 BGB aus. Der Schaden des Käufers ist nun seine Verpflichtung zur Zahlung von Nutzungsentschädigung, die erst durch die zweite schuldhafte Pflichtverletzung des Verkäufers entstanden ist.
Nach meiner Auffassung ist der Gesetzgeber aufgefordert, diese missliche Lage durch Änderung der gesetzlichen Regelung abzuschaffen und die Nutzungsersatzpflicht des Käufers jedenfalls bei schuldhafter Verweigerung der Nachlieferung durch den Verkäufer abzuschaffen.
Über den Autor
RA Dr. Felling
Dr. Walter Felling ist Dipl. Betriebswirt und seit 1991 selbstständiger Rechtsanwalt. Zuvor war er als Prokurist der VB Soest e.G. und als Sozius einer größeren Kanzlei in Soest tätig. Herr Dr. Felling betreut Mandanten unter anderem auf dem Gebiet des Wirtschafts- und Bankrechts. Außerdem beschäftigt er sich intensiv mit dem Modellflugrecht, in welchem er 2008 promovierte. Seine Dissertation ist 2008 unter dem Titel “Chancen und Grenzen des Rechts auf freie Nutzung des Luftraumes durch Flugmodelle” bei der Neckar-Verlag GmbH, Villingen Schwenningen, erschienen.
Hallo Herr Felling,
gibt es derzeit eine neue Rechtsprechung zu dieser Regelung?
MfG
M.
Ich möchte die Frage gerne für Herrn Felling beantworten:
Die gesetzliche Regelung ist nicht geändert worden und diese Rechtsfrage höchstrichterlich geklärt. Eine Änderung der Rechtsprechung hat nicht stattgefunden und wird wohl auch nicht.
Guten Tag. Hat sich mittlerweile etwas geändert?. Kann man es denn nicht so gestalten, dass nur die Nutzungsentschädigung nach dem Austausch bis zum Rücktritt verlangt werden kann? Beispiel: 1 Monat nach dem Kauf wird die mangelhafte Sache repariert. Wieder 1 Monat später muss die mangelhafte Sache nun ausgetauscht werden. Einen weiteren Monat später erklärt der Käufer wegen erneutem Mangel den Rücktritt. Kann man dann nicht “einfach” sagen, dass innerhalb den zwei Monaten keine Nutzungsentschädigung verlangt werden darf, da dies mittlerweile gem. 474 V 1 BGB durch den Austausch unterbunden wird? Sodass am Ende nur für den letzten Monat Nutzungsentschädigung verlangt werden darf?
Man kann hier nur noch mit dem Kopf schütteln. Das kann doch alles nicht mehr wahr sein. Der Hersteller hält sich nicht an die Garantievereinbarung. Erzwingt eine Umwandlung und der Käufer muss Abzüge hinnehmen. Ich kann das einfach nicht glauben.
Mir ist es passiert, dass mein Laptop, das von Anfang an in Verbindung mit der Bedienung des Touchpads Probleme bereitet hat, während des zweiten Versuches der Nachbesserung durch den Lieferanten verschwunden ist. Was blieb mir also übrig, als nach mittlerweile 15 Monaten, von denen mein Laptop mindestens sechs beim Lieferanten ( oder bei jemandem anderem ) zugebracht hat, vom Kaufvertrag zurückzutreten. Statt sich für diese Panne bei mir zu entschuldigen, machte man vielmehr eine Nutzungsentschädigung in Höhe von ca. 35 – 40% geltend, d.h. man wollte mir für ein fast unbenutztes Laptop nur ca. 2/3 des Kaufpreise bei den Kauf eines neuen Laptops anrechnen.
Die Rechtslage mag so sein, aber Service am Kunden sieht anders aus.
Die Folgen dieser Rechtslage sind noch viel schlimmer: Weder Hersteller noch Lieferant haben ein Interesse fehlerfreie Waren zu liefern. Sie erhalten ja in jedem Fall eine “Nutzungsentschädigung” und können die mangelhafte Ware nach der Rückgabe steuerwirksam verschrotten. Bisher war es für die Hersteller immer schwer, die geplante Obsoleszenz der Produkte technisch so zu gestalten, dass sie die Gewährleistungszeit genau überlebten. Das Problem ist nun auf diese Weise gelöst. Immer mehr Lieferanten und Hersteller paaren ihre Produkte mit entsprechenden Geschäftsbedingungen und liefern billigsten irreparablen Müll gegen Nutzungsentschädigung.
Guten Tag,
der Händler hat die Sitzgarnitur innerhalb 6 Monaten zurück genommen, da mehrere Reklamationen voraus gegangen waren.
Kann der Händler jetzt eine Nutzungsgebühr verlangen-innerhalb 6 Monaten?
Gruß
R. Bichler
Guten Tag,
wir hatten bei unserem AEG Kühlschrank 3 Reperaturversuche, dann Tausch des Gerätes und dann aber wieder den gleichen Mangel beim neuen Gerät und nochmal einen Reperaturversuch. Nach 5 gescheiterten Nacherfüllungsversuchen durch den Kundendienst von AEG haben wir nun gegenüber dem Händler den Rücktritt erklärt.
Frage: Der Einbau des Kühlschrankes hatten wir ebenso bezahlt. Können die Kosten für den Einbau auch beim Rücktritt geltend gemacht werden, da wir uns nun ja selbst um ein Alternativprodukt kümmern müssen und nochmal Einbaukosten für ein neues Gerät tragen müssen?
Mfg
K. Gimberlein
Wenn der Rücktritt berechtigt ist (Mangel kann hier nicht beurteilt werden): Ja
Die seinerzeit von Dr. Felling zitierten BGH-Entscheidungen verstoßen m. E. zumindest in einer Hinsicht gegen den Gleichheitsgrundsatz in GG und EU-Gesetz.
Wenn im Grundsatz eine möglichst vorvertragsähnliche Situation im Rahmen einer Rückabwicklung hergestellt werden soll müssen die Interessen beider Seiten (eben
unabhängig vom eigentlichen Verursachen der Rückabwicklung!) gleichermaßen berücksichtigt werden. Neben der Alterung der Sache durch Nutzung (egal, ob erzwungen oder nicht) sollte m.E. auch die Alterung des
Kaufpreises (zwischenzeitlicher Kaufkraftverlust) beim Ausgleich beidseitiger Interessen berücksichtigt werden. Bei den Entscheidungen zu den VW Diesel – Rückabwicklungsklagen wird das aber i.d.R. nicht gemacht. Auch hier wäre eine zum Europarecht konsistente Regelung förderlich.