Das gesetzliche Widerrufsrecht ist für den Verbraucher ein enormer Vorteil im Online-Handel. Viele Händler leiden dagegen unter Rücksendungen, da diese einen hohen Aufwand bedeuten. Eine der häufigsten Fragen für den Händler ist dabei: In welcher Höhe darf man Wertersatz vom Kunden verlangen? In manchen Fällen 100%, wie jetzt das AG Backnang entschied.
Vor dem Amtsgericht Backnang (Urteil v. 17.06.2009, Az: 4 C 810/08) versuchte ein Verbraucher, den Kaufpreis für einen elektrischen Rasierer zurückzuerhalten, da er den Vertrag über das Gerät widerrufen hatte.
Verbraucher rasiert sich
Der Kläger bestellte am 26.07.2008 einen elektrischen Rasierer im Internet. Am 09.08.2008 widerrief er den Vertrag über den gelieferten Rasierer und schickte diesen an den beklagten Shopbetreiber auch zurück. Der Verbraucher wollte sodann die Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 49,80 Euro zzgl. 4,30 Euro Versandkosten erreichen.
Schimmelgeruch am Rasierer
Der Shopbetreiber prüfte das zurückgesandte Gerät intensiv und kam zu dem Ergebnis, dass der Verbraucher das Gerät nicht lediglich getestet hat, sondern darüber hinaus benutzte. Bei der Überprüfung des Scherkopfes waren zahlreiche Bartstoppeln festgestellt worden. Außerdem gaben zwei Zeugen übereinstimmend an, dass das Gerät nach abgestandenem Wasser und Schimmel roch.
Gericht überprüft dies selbst
In der mündlichen Verhandlung überprüfte das Gericht den Rasierer selbst und kam zum gleichen Ergebnis.
“Das Gericht konnte sich durch Inaugenscheinnahme des Rasierers selbst einen Eindruck verschaffen. Dabei wurde festgestellt, dass der Scherkopf des Rasierers tatsächlich etwas modrig riecht.”
Wertersatz beträgt 100%
So kann der Rasierer natürlich nicht weiterverkauft werden. Der wirtschaftliche Wert sank auf Null. Diesen Verlust muss der Verbraucher in Form des Wertersatzes ausgleichen.
“Da der Rasierer durch die Ingebrauchnahme wertlos für die Beklagte geworden ist, entspricht der vom Kläger gemäß § 357 Abs. 3 BGB zu leistende Wertersatz dem Wert des Rasierers, mithin 49,80 Euro.”
Versandkosten müssen erstattet werden
Allerdings wurde dem Verkäufer die Tragung der Rücksendekosten i.H.v. 4,30 Euro auferlegt, da der Rasierer einen Wert von über 40 Euro hatte.
Fazit
Nicht immer sind dem Händler die Hände gebunden, wenn ihm wirtschaftlich wertlose Gegenstände im Rahmen des Widerrufsrechtes zurückgesandt werden. Jeder Einzelfall muss jedoch genau geprüft werden, insbesondere vor dem Hintergrund des neuen EuGH-Urteils zum Wertersatz.
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Hallo Herr Dr. Föhlisch,
wenn dieser Händler die von Ihnen im Artikel http://www.shopbetreiber-blog.de/2009/09/08/eugh-urteil-zum-wertersatz-anpassung-der-widerrufs-belehrung-erforderlich/ vorgeschlagene Änderung an seiner Widerrufsbelehrung vorgenommen hätte und darin der Satz “Für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung müssen Sie keinen Wertersatz leisten.” enthalten wäre, würde der Händler Ihrer Einschätzung nach dennoch 100% Wertersatz verlangen können?
Das Problem bei der Geschicht ist der Aufwand.
Selbst wenn der Händler recht bekommen hat, sind erheblich Zeit/Kosten entstanden die einem niemand zahlt. Verbraucher informieren sich in der Regel wenig über die aktuelle Rechstlage. Wenn sich einmal rumgesprochen hat, dass man quasi alles auch gebraucht zurückgeben kann, werden Händler noch Jahre Probleme damit haben.
Die unterschiedlichen Entscheidungen zur WBR sind eine Katastrophe.
Mal abgesehen von den Versandkosten die in anderen Ländern max. 1 x übernommen werden müssen.
Das finde ich richtig gut. Das ist für mich auch ein richtig guter Orientierungsgrund.
Praktisch wäre es, wenn es eine Offizielle Tabelle für Wertminderung geben würde, wo quasi aufgeschlüssel nachvollziehbar wäre, wie der Wertersatz Prozentual ausfällt, wenn ein Gegenstand in Gebrauch genommen wurde.
Bei Autos gibt es doch so eine Schwacke-Liste !?!? Ist ja nicht dasselbe, aber vielleicht ähnlich
Hab ich ja immer schon gesagt…
@Hans: In diesem konkreten Fall bin ich der Meinung, dass auch nach dem EuGH-Urteil 100% Wertersatz verlangt werden können, aber nur, weil der Kunde nicht pfeglich mit dem Rasierer umgegangen ist (Schimmel etc.), d.h. ihn nicht “bestimmungsgemäß” in Gebrauch genommen hat. Hätte der Kunde sich “nur” zwei Wochen lang rasiert und den Rasierer hinterher wieder gereinigt, wäre der Wertersatz sicherlich geringer ausgefallen.
@Christian: Das fände ich auch gut, wird aber nicht möglich sein, da es zu viele (heterogene) Waren gibt und die Nutzungshandlungen je nach Intensität und Dauer zu ganz verschiedenen Wertersatzansprüche führen. Wichtig nochmal zu betonen: Das Urteil erging VOR der EuGH-Entscheidung.
@Warning: Das Urteil erging VOR dem EuGH-Urteil. Da stand die Regelung des § 357 Abs. 3 BGB noch nicht zur Diskussion. Jetzt hat sich die Lage verändert.
Endlich mal eine vernünftige Entscheidung! Ich hoffe das in Zukunft auch noch weitere solche Entscheidungen zugunsten der Händler erfolgen. Sorry wenns jetzt hart wird, aber der größte Teil der von Verbraucherschutz und Gesetzgeber in den Himmel gehobenen, auf Samtkissen gebetteten Verbraucher sind absolute eigennützige Schlampen. (Im Sinne von liederlich!). Wenn ich mir den größten Teil der Rücksendungen so anschaue, wird mir immer wieder schlecht. Da werden die Klamotten oftmals wie sie vom Körper abgefallen sind zur Rücksendung in den Karton gestopft, ohne die Folientüte in der sie geliefert wurden, auf Links gedreht, nach Qualm und Parüm stinkend, eindeutig länger als nur zum anprobieren getragen. Teilweise gewaschen oder so mit Textilerfrischer behandelt, das nach dem öffnen des Kartons der gesamte Raum “duftet”. Und für solche Schlamperei darf man auch noch Hin- und Rückporto erstatten, man zahlt mehr aus, als man ursprünglich eingenommen hatte, sowas gibt es doch mal wieder nur in Deutschland. Fängt man mit Wertersatz an, gehts gleich zum Anwalt. Die Zeit für solche Rechtsgeschichten habe ich nun wirklich nicht. Weiter werde ich das jetzt nicht ausführen, sonst wird der Text lang… Ich werde mich morgen mal zu dem großen Technikmarkt mit dem M begeben, dort die Verpackungen verschiedener Rasierer aufreißen und alle testen. Mal sehen, was die dazu sagen…wäre ja theoretisch möglich, denn ich habe als Verbraucher ja das Recht, die Ware vor Ort zu testen…
@Carsten Föhlisch
Das ein umfassender Katalog für Wertersatz Schwierig ist, steht ausser Frage, und auch ist klar, das so ein Katalog extrem Umfangreich werden kann.
Wenn man aber sieht, wie umfangreich die Listen für Zollnummern sind …. machbar ist sowas, auch wenn es viel Arbeit bedeutet …. und da würde sicher häufig drüber gestritten.
Gut, es ist ja nicht die Regel, aber schon ärgerlich. Man bekommt gelegentlich Artikel zurück, die angeblich nur kurz anprobiert wurden … wenn “nur kurz” ein komplettes Wochenende bedeutet.
Was mich öfter mehr Ärgert ist, wenn man Artikel Unfrei Frankiert zurückbekommt und dann noch 12 Euro Latzen darf.
Zurückfordern ist da sinnlos, man Vergrellt sich ja nur noch die Kundschaft.
Der Top “Spaßmacher” ist die Kombination “Unfrei zurück” und “nur mal kurz anprobiert übers Wochenende” ;o)
Muss aber nochmal dem Händler ein Lob aussprechen, der wegen 50 Euro die Sache durchgezogen hat. Ich find das gut.
Habe aktuell ein Verfahren gegen einen Kunden wegen 70 Euro am Laufen, allerdings kein Onlinegeschäft, sondern ein Kunde meiner Tischlerei.
Ob ich gewinne weiss ich nicht, ob ich gewinnen könnte weiss ich auch nicht. Aber auch da ist der Fall der, das mein Kunde meinte, er könnte das Geschäft bestimmen wie er wollte und nicht wie es Vereinbart war.
Verbraucherschutz ist ne gute Sache, Widerrunf und alles auch. Schliesslich kann auch ich im Netz ruhiger was kaufen, wenn ich weiss, ich kann es im Zweifel zurückgeben oder Umtauschen.
Aber ich würde mich Schämen, wenn ich das gekaufte vorher übermäßig in Gebrauch nehme und es somit wissentlich für meinen Händler Wertlos mache.
Wer sowas macht, bei dem ist schon, meiner Meinung nach, ein gewisses Maß Krimineller Energie vorhanden.
Update: Der Verbraucher, der gegen den Shop verloren hatte, verklagte uns auf Rückzahlung von 50 EUR für den versifften Rasierer. AG Köln beschließt: “Prozesskostenhilfe konnte nicht bewilligt werden, da die Klage keine Aussicht auf Erfolg hat.”