bugDie BUG AG und e-tail GmbH sind seit längerer Zeit in den Schlagzeilen, weil sie zahlreiche Abmahnungen aussprachen, von denen einige auch als rechtsmissbräuchlich eingestuft wurden. Nun wurde der e-tail GmbH erneut Abmahnungsmissbrauch attestiert, diesmal vom LG Hamburg, das vorher diesen Abmahner “durchwinkte”. Zeitgleich wurde nun am 30.01.2009 über das Vermögen der BUG AG, 100%-ige Gesellschafterin der e-tail GmbH, das Insolvenzverfahren eröffnet.

Lesen Sie mehr über einen außergewöhnlichen Massenabmahner in Schwierigkeiten.

Die BUG AG und die e-Tail GmbH sind in der Vergangenheit durch zahlreiche Abmahnwellen aufgefallen. So rangierte die BUG AG in einer von Trusted Shops im April 2007 durchgeführten Studie zu Shop-Abmahnnungen im Internet im “Ranking der Top-Abmahner” auf Platz drei, gleich hinter Media-Markt (Platz 1), die sich aus Imagegründen von ihrem damaligen Rechtsanwalt Steinhöfel getrennt haben, und dem mittlerweile aufgelösten Verein “Ehrlich währt am längsten” (Platz 2).

Bereits mehrfach auf Rechtsmissbrauch erkannt

Mehrere Gerichte erkannten zwischenzeitlich auf Rechtsmissbräuchlich vieler dieser Abmahnungen (siehe Links weiter unten), woraufhin die e-Tail GmbH sich auch von einem ihrer Anwälte trennte. Im November 2008 hatten sowohl die BUG Computer Components AG, Betreiber des Online-Shops E-Bug, als auch die e-Tail GmbH, Betreiber des Online-Shops Norsk-IT, Insolvenzantrag gestellt. Ob ein Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und vermehrter Abmahntätigkeit besteht, ist unklar.

Anfang Dezember 2008 gabe die BUG AG dann noch “Entwarnung”. In einem Kommentar hier im Shopbetreiber-Blog hieß es:

“Es ist alles nicht so schlimm wie oftmals behauptet. Unser Webshop wird nach wie vor von allen Mitarbeitern betreut, d.h. unsere Kunden können ganz normal bestellen und auch das Support-Team steht weiterhin zur Verfügung . Am 31.10.2008 wurde von unserer Seite lediglich ein vorläufiger Antrag auf Insolvenz gestellt… Der Antrag erfolgte aufgrund der Konsequenzen aus der allgemeinen Finanzkrise uns war lediglich ein Antrag aufgrund drohender Zahlungsunfähigkeit.”

Insolvenzverfahren eröffnet

Wie Rechtsanwalt Timo Lange von der Kanzlei NASS KUHSE LANGE berichtet, wurde nun aber am 30.01.2009 wurde über das Vermögen der BUG AG, welche 100%-ige Gesellschafterin der e-tail GmbH ist, das Insolvenzverfahren eröffnet (AG Hildesheim, Az. 51 IN 99/08). Unklar ist, on die Versprechungen der BUG AG nur noch die letzten zahlungsbereiten Käufer dazu bewegen sollten, die Insolvenzmasse zu vergrößern oder ob tatsächlich Anfang Dezember noch Rettung in Sicht war.

LG Hamburg ändert Rechtsprechung

Doch damit nicht genug: Nachdem Anfang des vergangenen Jahres bereits das Kammergericht Berlin auf Antrag von Rechtsanwalt Timo Lange hin der BUG AG/e-tail GmbH die Rechtsmissbräuchlichkeit ihres Abmahnvorgehens attestierten, hat sich nun auf Antrag dieser Kanzlei hin auch das LG Hamburg ausdrücklich der Auffassung des Kammergerichtes vollumfänglich angeschlossen.

Hierzu Rechtsanwalt Timo Lange:

“Interessant an der Entscheidung ist wohl nicht nur, dass nun auch das Landgericht Hamburg das Vorliegen eines rechtsmissbräuchlichen Abmahnvorgehens angenommen hat, weil der Abmahner die Gerichtsorte, an denen er die Abgemahnten in Anspruch nahm, bewusst so ausgesucht hatte, dass den Abgemahnten eine Rechtsverteidigung erschwert wurde.

Bemerkenswert ist auch der Wandel der 8. Kammer für Handelssachen des LG Hamburg in der Einschätzung des konkreten Abmahners (BUG AG/e-tail GmbH): Zuvor waren die Wettbewerbskammern des Gerichts (u. a. auch die 8. KfH) mehrfach davon ausgegangen, dass die Schwelle zur Rechtsmissbräuchlichkeit durch das konzertierte Abmahnvorgehen der beiden Unternehmen nicht überschritten sei.”

Besonders hohe Kosten generiert

Das Landgericht Hamburg schloss insbesondere deshalb auf ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen, weil die Abmahnerin ihre Prozessführung in besonders kostenverursachender Weise gestaltet habe, ohne dass dies durch triftige und vernünftige Gründe gerechtfertigt gewesen sei. Der Rechtsmissbrauch sei deshalb indiziert,

“weil die Wahl der Gerichtsstände nicht von ökonomischen und als sachgerecht anzusehenden Gesichtspunkt geprägt ist, sondern offensichtlich von dem Bestreben, die Rechtsverteidigung durcherhöhten Aufwand und erhöhte Kosten für den Beklagten zu erschweren.”

“Fliegenden Gerichtsstand” missbraucht

So nahm die e-tail GmbH eine Beklagte aus 88456 Ingoldingen vor dem Landgericht Hamburg auf Unterlassung in Anspruch, obwohl sie selbst in 31061 Alfeld sitzt. In der Vergangenheit wurden Abgemahnte aus Bautzen in Köln verklagt, Abgemahnte aus Bonn, Rheinberg und Pirmasenz jedoch wieder in Hamburg.

In einem weiteren Fall hatte der Beklagte seinen Sitz Ihnen 27419 Sittensen, so das die Wahl des Landgerichts Hamburg nahe gelegen hätte. Dieser Beklagte wurde jedoch vor dem Landgericht Berlin in Anspruch genommen. Ein abgemahnte aus Göppingen wurde hingegen in Würzburg verklagt.

Rechtsverteidigung gezielt erschwert

Das Landgericht Hamburg führt hierzu aus, dass es zwar grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich sei, wenn der Kläger das ihm bequemste oder angenehmste Gericht auswählt, also etwa sein Heimatsgericht oder das Gericht mit der ihm am günstigsten erscheinenden Rechtsprechung. Eine derartige Wahl lasse sich mit guten Gründen rechtfertigen.

“Wenn aber ausgerechnet ein Verletzer aus Sittensen, bei dem der Gerichtsstand Hamburg nahe gelegen hätte, den die Muttergesellschaft der Klägerin auch in einer Reihe weiterer Verfahren gewählt hat, vor dem Landgericht Berlin verklagt wird, verdeutlicht das die Intention der Klägerin, den Beklagten die Rechtsverteidigung zu erschweren.” So habe es sich auch in anderen Fällen verhalten.

Beschluss im Volltext

Der Beschluss im Volltext ist abrufbar bei der Kanzlei NASS KUHSE LANGE. Nochmals vielen Dank an den Kollegen Timo Lange für die Informationen. (cf)

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