Kann getragene Unterwäsche einem Widerrufsrecht unterliegen? Wie ist es mit anderen von Verbrauchern genutzten Waren, wie etwa Zahnbürsten, Piercingschmuck, Kosmetik- oder Erotikartikeln? Die Shopbetreiber-Blog Autoren Rolf Becker und Carsten Föhlisch gehen diesen Fragen nach und entwickeln Kriterien für das Vorliegen des Ausschlusstatbestandes “zur Rücksendung nicht geeignet” nach § 312 d IV Nr. 1 Var. 3 BGB.
Die beiden Rechtsanwälte haben zu diesem Thema gerade einen Fachaufsatz in der “Neuen Juristischen Wochenschrift” veröffentlicht, der sicherlich viel Aufsehen in der Branche erregen wird.
Lobbyistenwerk und Auslegung
Der Gesetzgeber hat in § 312d Abs. 4 BGB einen Ausnahmenkatalog zum Widerrufsrecht geschaffen, welcher keiner erkennbaren Systematik folgt, sondern reines Lobbyistenwerk ist.
Dennoch kann man anhand dieser Ausnahmen eine Kernüberlegung identifizieren: Vom Widerrufsrecht wurden solche Verträge ausgenommen, die ein spekulatives Element beinhalten (z.B. Wetten) oder die Waren zum Inhalt haben, die eindeutig auf die Bedürfnisse des Kunden oder nach dessen Spezifikationen angefertigt wurden, die von Verderbnis bedroht sind oder aber letztlich wertlos geworden sind und eine Rücknahme für den Unternehmer daher nicht zumutbar ist.
Was ist für den Unternehmer zumutbar?
Ein Unternehmer wird aus seinem Standpunkt so ziemlich bei jedem Produkt sagen, dass eine Rücknahme unzumutbar ist. Es stellt eine sehr hohe Belastung dar, eine komplette Wohnzimmereinrichtung, die im Internet gekauft wurde, wieder beim Verbraucher abzuholen. Diese wirtschaftlichen Schwierigkeiten allein genügen aber nicht den Anforderungen der Unzumutbarkeit. Dieses Risiko trägt nach dem Willen des Gesetzgebers der Unternehmer.
Es müssen vielmehr die Interessen der Verbraucher und die der Unternehmer miteinander abgewogen werden. So ist es dem Händler grundsätzlich zuzumuten, dass der Verbraucher die Verkaufsverpackung öffnet und dann immer noch sein Widerrufsrecht hat.
Die Beschaffenheit des Produktes darf sich dadurch aber nicht derart ändern, dass der Unternehmer nichts anderes mit dem Produkt mehr machen kann, als es zu vernichten.
Ein solcher Ausschluss nutzt auch dem Verbraucher, weil er dann von vornherein weiß, dass ein Widerrufsrecht nicht besteht und nicht etwa nach Ausübung des Widerrufsrechtes davon erfährt, dass er 100% Wertersatz leisten muss und weder Ware noch Kaufpreis in den Händen hält.
Welche Waren sind betroffen?
Heizöl soll schon nach Willen des Gesetzgebers vom Widerrufsrecht ausgeschlossen sein, wenn dieses bereits in den Tank des Kunden gefüllt wurde, da dann nicht mehr gewährleistet werden kann, dass es noch die erforderliche DIN-Norm erfüllt und daher nicht mehr verkauft werden kann. Doch es gibt auch weitere vergleichbare Fälle.
Medizinprodukte
Hat beispielsweise das Öffnen einer Verpackung zur Folge, dass das Produkt unter keinen Umständen weiter verkauft werden kann, dann sollten auch diese Produkte vom Widerrufsrecht ausgeschlossen sein. Wer als Verbraucher die Blister-Verpackung von Kontaktlinsen öffnet, dem sollte schon klar sein, dass man die so wertlos gewordenen Produkte nicht mehr in den Verkehr bringen kann. Anders liegt der Fall, wenn nur die Umverpackung fehlt.
Hygieneartikel
Auch bei Hygieneartikeln stellt sich die Frage, ob diese vom Widerrufsrecht ausgeschlossen sind oder nicht. Ein pauschaler Ausschluss von “Hygieneartikeln” vom Widerrufsrecht ist jedoch schon wegen des Verstoßes gegen das Transparentgebot nicht möglich.
Nach der Verkehrsanschauung müssen jedoch solche Produkte ausgenommen sein, die zum “Prüfen” in Körperöffnungen eingeführt werden müssen oder sonst mit Körperflüssigkeiten in Verbindungen kommen.
Es ist unvorstellbar, z.B. Piercingschmuck nach einem Probetragen durch einen Kunden einem weiteren zu verkaufen. Ebenso unvorstellbar ist es, dass Erotikspielzeug wie z.B. Liebespuppen oder Vibratoren nach dem Auspacken durch einen Kunden wieder in Verkehr gebracht werden.
Windeln oder Wattepads werden ebenfalls durch bloßes Öffnen der direkten Umverpackung wertlos. Bei Earphones kommt es darauf an, ob diese durch Reinigung oder Austausch von Teilen wieder in einen verkehrsfähigen Zustand versetzt werden können.
Unterwäsche
Aber wie sieht das bei Unterwäsche, Strumpfhosen oder Socken aus? Bei Kleidungsstücken ist es selbstverständlich, dass man diese Anprobieren muss, um die Passform, Größe, etc. festzustellen. Diese ist auch im Ladengeschäft unter Einhaltung von bestimmten Vorgaben möglich. Das OLG Frankfurt hat daher den pauschalen Ausschluss von Unterwäsche vom Widerrufsrecht zu Recht für unzulässig erklärt.
Bei der Beurteilung, ob getragene Unterwäsche noch in den Verkehr gebracht werden kann, darf jedoch nicht berücksichtigt werden, dass dies unter einer Zweckentfremdung geschieht, denn es gibt ja durchaus auch einen Markt für getragene Unterwäsche. Solche Ware ist gleichwohl vom Widerrufsrecht ausgenommen.
Kosmetik
Eine weitere Produktgruppe, bei denen es dem Unternehmer unzumutbar scheint, diese zurückzunehmen, wenn sie benutzt wurden, sind Kosmetikprodukte. Jedenfalls gilt dies für Cremes, Make-Up, Puder, deren Primärverpackung geöffnet wurde und Teile mit der Hand entnommen wurden oder auch für Deoroller, die bereits am Körper probiert wurden. Hier besteht die Gefahr der Übertragung von Krankheiten, sodass der Händler diese Produkte nur noch vernichten kann.
Anders dagegen ist es bei Parfum. Eine angebrochene Parfumflasche kann durchaus wieder aufgefüllt werden oder ggfs. noch als Tester verkauft werden.
Zusammenfassung
Waren sind auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für die Rücksendung geeignet, wenn sich im Widerrufszeitpunkt eine Situation für den Ausschluss des Widerrufes ergibt. Diese ist im Rahmen einer
- Abwägung der Interessen der beteiligten Vertragsparteien und
- der weiteren als Abnehmer zurückgesandter Waren in Betracht kommenden Verkehrskreise
- anhand der objektiven Kriterien der mit wirtschaftlich zumutbaren Mitteln erfolgenden Herstellung der Wiederverkäuflichkeit bzw. der Verkehrsfähigkeit der Ware und
- einem dem Gleichbehandlungsgrundsatz folgenden Vergleich mit den übrigen gesetzlich Ausnahmefälle
zu bestimmen.
Der Verbraucher wird bei einem Auschluss des Widerrufsrechtes häufig bessergestellt als bei Rückgabe, da der zusätzlich zur Rücksendung zu entrichtende Wertersatz vielfach in die Nähe des vollen Kaufpreises rückt, die (z.B. angebrochene) Ware für den Verbraucher hingegen ihren ursprünglichen Wert weiterhin aufweisen kann.
Die Regelung des § 312d IV Nr. 1 Alt. 3 BGB ist damit interessengerecht und handhabbar. Umso dramatischer ist, dass der europäische Gesetzgeber plant, genau diese derzeit in Art. 6 III Spiegelstrich 3 der FARL enthaltene Ausnahmevorschrift in Art. 19 I c des Vorschlags für eine Richtlinie über Rechte der Verbraucher ersatzlos zu streichen.
Vollständiger Aufsatz
[hubspotform whitepaper=”true” title=”Gratis Whitepaper-Download ‘Ausnahmen vom Widerrufsrecht'” image_path=”” image_text=”Die Ausnahmen vom Widerrufsrecht sind sehr abstrakt im Gesetz formuliert. Die Rechtsprechung hat sich aber bereits mit mehreren Fällen beschäftigt, die wir übersichtlich für Sie zusammengestellt haben, damit Sie sicher mit Retouren umgehen können.” copy_text=”” portal_id=”603347″ form_id=”154f09d0-9036-4000-96e1-5db59cfd91da” css=””]
Bildnachweis: Sebastian Duda/shutterstock.com
Über die Autoren
RA Rolf Becker
Autor Rechtsanwalt Rolf Becker ist Partner der Rechtsanwälte WIENKE & BECKER (wienke-becker.de) in Köln. Der Autor von Fachbüchern (Fernabsatzgesetz, Versandhandelsmanagement, Werbetexten, Kanzleiführung) und Fachartikeln (siehe auch www.versandhandelsrecht.de) hat sich auf das Wettbewerbsrecht spezialisiert. Er berät auch zahlreiche Internetversandhändler.
RA Carsten Föhlisch
Autor Carsten Föhlisch ist Rechtsanwalt und Justiziar bei Trusted Shops und seit über acht Jahren ausschließlich mit Themen rund um den rechtssicheren Online-Shop befasst. Er ist Lehrbeauftragter der Universität Lüneburg und regelmäßig als Referent für Verbraucherschutzrecht im E-Commerce tätig, u.a. für Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv), Wettbewerbszentrale e.V. (WBZ) und Universität Münster (ITM). Zahlreiche Veröffentlichungen zu rechtlichen Problemen des Onlinehandels.
Wenn eine angebrochene Parfümflasche wieder aufgefüllt werden kann, kann auch der Kunde Teile davon entnehmen und mit einem Verdünnungsmittel (Alkohol, Wasser) auffüllen. Wie soll der Händler das prüfen? Parfüms sind sehr teure Flüssigkeiten, das würde sich für einen Missbraucher schon lohnen.
Außerdem ist eine hygienische Kontamination möglich.
Man denke nur mal an die Antrax-Befürchtungen in Amerika. Dann wird man Vieles schon ganz anders bewerten. Dort sind Rücksendungen oft nicht einfach so möglich, sondern man muss erst eine RMA-Nummer beantragen, die auch auf der Sendung angebracht wird. Hier sowas zu fordern, wäre wahrscheinlich zunächst mal ein Abmahngrund, weil die Rücksendung an eine Bedingung gekoppelt wäre.
Mit “angebrochen” gemeint ist nicht, dass die Flasche aufgeschraubt, sondern dass einmal Parfüm versprüht wurde. Aber Sie haben Recht: man kann Manipulationen wahrscheinlich nicht immer ausschließen. In bestimmten “Anbruchs”-Fällen könnte daher das Widerrufsrecht ausgeschlossen sein. Aber nur die abstrakte Gefahr reicht sicher nicht in allen Parfüm-Fällen aus.
Wie verhält es sich denn nun bei Dildos und Vibratoren? Einerseits kommen sie mit Körperflüssigkeiten in Kontakt. Andererseits könnte man durch geringe wirtschaftliche Bealstung eine Desinfektions durchführen. Würde dadurch die Verkehrsfähigkeit wieder hergestellt? Ich hatte zwar noch keine Rücksendung eines solchen Artikels aber Frage lieber vorbeugend. Man will dem Kunden ja auch den größtmöglichen Service bieten, ohne Verlust zu machen.
Ich halte solche Artikel für vom Widerrufsrecht ausgenommen, weil es keinem Käufer zumutbar ist, dass es evtl. einen vorherigen “Tester” gab. Dies müsste man übrigens auch in der Produktbeschreibung als wesentliches Merkmal der Ware angeben. Aber wie gesagt: es ist nur ein Fachaufsatz. Die Rechtsprechung hat diese Ansicht noch nicht bestätigt (wir arbeiten daran).
Wäre dies ein gutes Beispiel einer Formulierung, die in die Artikelbeschreibung eingefügt werden sollte?
“Dieser Artikel ist nach § 312d Abs. 4 BGB vom Widerrufsrecht ausgenommen, da es sich um einen Hygieneartikel handelt.”
Wäre, im Bezug af die Paragraphenangabe, bei entsprechenden Artikeln auch der Zusatz: “…, da es sich um eine spezifische Anfertigung nach Ihren Wünschen handelt.” zulässig?
Bitte haben Sie Verständnis, dass wir an dieser Stelle keine Rechtsberatung leisten und konkrete Formulierungen prüfen können. Das Wort “Hygieneartikel” ist aber sicherlich zu ungenau, um den Kunden über einen Ausschluss zu informieren. Was genau soll das sein? Die gesetzlichen Ausnahmen sind abschließend in § 312d Abs. 4 BGB normiert. Werden diese Ausschlusstatbestände wörtlich wiederholt, kann das nicht falsch sein. Wenn man konkreter werden will, muss man die genauen Produkte unter die Lupe nehmen und sollte die Klausel von einem Anwalt formulieren lassen.
Nach dem ich den originalen Wortlaut der Gesetzesformulierung nun gelesen habe ergibt sich mir folgende Schlußfolgerung:
“…, da es sich um eine spezifische Anfertigung nach Ihren Wünschen handelt.” ist korrekt, da dieser Wortlaut unter Ziffer 1 genau so beschrieben ist.
“…, da es sich um einen Hygieneartikel handelt.” ist falsch, da es diesbezüglich keine Hinweise in dem Abschnitt des Paragraphen gibt.
Daraus folgt meiner Ansicht, dass ein Widerruf bei Dildos und Vibratoren immer zulässig ist. Ein Ausschluß für diese Artikel wäre also absolut abmahngefährdet.
Das Sie an dieser Stelle keine Rechtsberatung geben wollen, denn Sie könnten schon, kann ich verstehen und habe ich auch nicht verlangt. Mich als Laie überkommt aber jedesmal, wenn ich solche Artikel lese, ein Schauer der Angst. Als Existenzgründer kann ich nicht für jede Formulierung eine Rechtsberatung in Anspruch nehmen, da mich das auf Jahrzehnte verschulden würde. Aus diesem Grunde formuliere ich selber unter Berücksichtigung der Tipps aus dieser und anderen Quellen. Erwarten tue ich nur das was Sie auch getan haben, nämlich einen Hinweis ob es ok ist oder überarbeitet werden sollte. Das diese Artikel das einzige Marketinginstrument sind, was Anwälten zur Verfügung steht um sich vom Mitberwerb hervorzuheben finde ich auch nicht gerecht aber es ist auch verständlich, dass nach Veröffentlichung solcher Artikel Fragen auftauchen die beantwortet werden wollen.
Ich bedanke mich für die Tipps und hoffe täglich, dass der Kelch der Abmahnung an mir vorüber geht.
Der Gesetzeswortlaut lautet NICHT ““…, da es sich um eine spezifische Anfertigung nach Ihren Wünschen handelt.” , sondern “Das Widerrufsrecht besteht … nicht bei Fernabsatzverträgen … zur Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind.”
Die Ausnahme “Dildos” ist – wenn man von einer Ausnahme ausgeht – unter die ebenfalls dort genannte Variante “die auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind” zu subsumieren, die man ebenfalls nennen kann, wenn man sich darauf berufen will. Dildos und Hygienartikel stehen hingegen nicht explizit im Gesetz.
http://bundesrecht.juris.de/bgb/__312d.html
Wenn Sie Dildos meinen, warum wollen Sie dann Hygieneartikel schreiben?
Warum Sie angesichts des Artikels ein “Schauer der Angst” überkommt, kann ich nicht nachvollziehen, versuchen wir doch – zum Vorteil der Händler -, Ausnahmen zu begründen, über die bislang in der Rechtsprechung nicht in diesem Sinne entschieden wurde. Die Überzeugung der Gerichte (und nicht so sehr der Marketingaspekt) ist übrigens auch der Grund, warum wir solche Artikel schreiben.
Abschließend erlauben Sie den Hinweis, dass Sie irren, wenn Sie meinen, an dieser Stelle könnte eine Rechtsberatung erfolgen, denn diese wäre standes- und wettbewerbswidrig und im übrigen auch unseriös, weil man komplexe Sachverhalte nun einmal nicht mit Zweizeilerkommentaren in Blogs analysieren kann.
Ich bin der Meinung, dass Medizin, – Kosmetik- und Hygieneartikel vom Widerufsrecht grundsätzlich ausgeschlossen werden müssten.
Ich möchte als Verbraucher auch nicht eine schon benutzte Kosmetika kaufen und anwenden, selbst wenn man es der Verpackung nicht ansieht!
Ich verkaufe Farben ähnl. Tattoofarben und möchte nicht, dass Kunden die Flasche öffnen, sie an den Händen testen und mit Bakterien verseucht wieder zurückschicken, weil der Farbton nicht gefällt.
Solche Produkte kann man doch nicht weiterverkaufen!
Hallo Herr Föhlisch,
eine Frage zur Ausschließung des Widerrufsrechts bei “eindeutig auf die Bedürfnisse des Kunden oder nach dessen Spezifikationen angefertigten Produkte”:
Wir betreiben unter der Domain http://www.wooop.de eine große Kunstgalerie, bei der sich Kunden aus 5 verschiedenen Formaten und 3 verschiedenen Techniken (Poster, Leinwanddrucke, Gemälde-Replike) Bilder “on demand” bestellen können. Auf Wunsch erfolgt dann zus. noch eine Rahmung.
Ist das Widerrufsrechts hier ausgeschlossen?
Vielen Dank im Vorraus für Ihre Rückmeldung.
Gruß
Schmidtke
Hallo Herr Schmidtke,
wie schon gesagt können und dürfen wir an dieser Stelle nicht konkrete Einzelfälle prüfen (verbotene Rechtsberatung). Allgemein hat der BGH den Ausnahmetatbestand “nach Kundenspezifikation angefertigt” für sog. Built-to-Order-PCs konkretisiert. Demnach ist eine zweistufige Prüfung vorzunehmen: 1. Kann die Ware mit einem Aufwand unterhalb von 5% des Kaufpreises wieder zerlegt werden? 2. Falls nicht: ist die Rücknahme der Ware für den Verkäufer unzumutbar, weil sie nicht mit verhältnismäßigem Aufwand weiterverkaufen kann?
Stufe 2 musste der BGH in dem 2003 entschiedenen Fall nicht prüfen. Siehe aktuell dazu auch ein Urteil des AG Schönebeck: http://www.shopbetreiber-blog.de/2008/12/29/amtsgericht-vom-kunden-konfigurierter-pc-mit-installierter-software-kann-zurueck-gegeben-werden/
Es kommt hierfür immer darauf an, ob das individualisierte Produkt, das nicht wieder zerlegbar ist, mit hoher oder geringer Wahrscheinlichkeit wiederverkäuflich ist. Hier muss man jeweils das einzelne Produkt betrachten. So wird z.B. IKEA-Sofa für 150 EUR, das es in rot, gelb oder blau zur Auswahl gibt, ohne Weiteres wieder einen Abnehmer finden, während es bei einem Designer-Sessel für 10.000 EUR, den es in 7 Formen und mit 20 Bezügen jeweils nur eine Saison gibt, ganz anders aussieht. Wird eine Tasse mit einem Foto des Kunden bedruckt, gibt es kein Widerrufsrecht, während die Tasse zurückgenommen werden muss, wenn der Kunde lediglich einen Vornamen aus einer vorgegebenen Liste aufdrucken lässt, auch wenn die Ware erst nach Bestellung produziert wird.
Hallo,
ich finde es unmöglich das Unterwäsche zurück genommen werden soll, wenn sie schon anprobiert wurde. Es wird bestimmt zu 99% bei der Anprobe nichts darunter angezogen. Und wer weiß was für Körperflüssigkeiten dann in dieser Wäsche gelangen. Oder vielleicht hat dieser Kunde irgendwelche Hautkrankheiten. Soll ich diese Wäsche dann jedesmal waschen? Dann ist sie ja nicht mehr neu, sondern getragen und gewaschen. Sicher ist das ein BH zum Beispiel richtig sitzen muss. Aber leider wird keine Frau bei der Anprobe ein Shirt darunter anziehen. Das Risiko ist sehr hoch, ansteckende Krankheiten weiter zu geben. Vielleicht sollte da sich auch mal ein Gesundheitsamt drum kümmern!
Hallo,
bei geschwommenen Badeanzügen bzw. Highspeedanzügen aus dem Schwimmsport verlangen wir einen Wertersatz, da diese “nackt” geschwommen werden und auch dies im Weiterverkauf nicht zumutbar ist.
Gibt es dagegen Einwände?
Hallo Herr Föhlisch,
wie sieht es denn dann z.B. mit neuen Matratzen aus, die online bestellt werden, dann aus der Folie genommen und vom Verbraucher geprüft (nicht benutzt) werden? Dem Verbraucher muss es ja auch irgendwie möglich sein den Überzug zu fühlen etc, da Prüfung in Folie ja gar nicht möglich ist. Nichts desto trotz sind ja auch Matratzen Hygienartikel und die meisten Verkäufer möchten sie nicht mehr zurück nehmen. Wie wäre es also da und ab wann ist es keine Prüfung sondern Benutzung. Ist drauf liegen schon eine Benutzung und wenn jemand sagt er hätte es nur geprüft, nicht benutzt, kann ja niemand das Gegenteil beweisen. Bin bisher auf sehr unterschiedliche Meinungen gestossen. Vielleicht haben Sie ja die richtige Anwort? Würde mich sehr interessieren.
Viele Grüsse,
S. Sunny
Hallo Sunny,
es wäre schön, wenn ich die “richtige” Lösung hätte. Mir ist noch kein einziges Urteil zu dieser Frage bekannt, geschweige denn höchstrichterliche Rechtsprechung. Die von mir vertretene Position habe ich in dem Aufsatz zusammen mit dem Kollegen Rolf Becker “Von Dessous, Deorollern und Diabetes-Streifen – Ausschluss des Widerrufsrechts im Fernabsatz”, in der NJW 2008, 3751, 3755 geäußert:
“Bettwaren, wie Kissen, Bettzeug oder Schlafsäcke, dürften als Gebrauchtartikel nach Reinigung noch ihren Markt finden. Auch bei Matratzen führen die Beseitigung schützender Folien und ein Probeschlafen insbesondere bei Nutzung von Überzügen bzw. nach Reinigung nicht zwingend zu einer Widerrufsausschlusslage. Im Beherbergungsgeschäft findet die zeitweilige Überlassung von „gebrauchten“ Schlafstätten ja auch Akzeptanz, so dass im Interesse der Rechtssicherheit hier keine generelle Ausschlusslage, sondern bei mangelnder Einhaltung zumutbarer Vorkehrungen eine Wertersatzpflicht anzunehmen ist.”
Im Klartext: es ist zwar möglich, dass eine Matratze, die zwei Wochen oder auch nur eine Nacht intensiv genutzt wurde, nicht mehr verkehrsfähig ist, wenn eine Nacht darauf mit entsprechenden Bezügen geschlafen wurde, kann man aber keine Ausnahme annehmen, sondern allenfalls Wertersatz verlangen. Es kommt auf jeden Einzelfall an, eine generelle Aussage ist nicht möglich.
Viele Grüße
Carsten Föhlisch
Hallo Herr Föhlisch,
vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben zu antworten. Super. Eine Anschlussfrage habe ich zu dem Thema aber noch. Wie ist es dann, wenn jemand die Folie entfernt um z.B. eine Matratze zu testen oder zu prüfen (mit Kleidung), aber nicht drauf schläft? Fällt sowas unter Prüfung wie es in einem Laden-Geschäft möglich ist oder ist das schon Gebrauch? Es gibt doch kein Gesetz, das man eine Ware nur in Originalverpackung zurück schicken kann oder? Aber das könnte ja dann wiederum jeder sagen.
Schönen Abend wünsch ich Ihen noch, (spannendes Thema, mit vielen Meinungen)
Sunny
Ja, ich halte das für eine Prüfung, wie sie im Ladengeschäft möglich ist. Die “Messner”-Entscheidung des EuGH (http://www.shopbetreiber-blog.de/2009/09/08/eugh-urteil-zum-wertersatz-anpassung-der-widerrufs-belehrung-erforderlich/) stellt zudem klar, dass der Kunde nicht die Beweislast tragen darf, dass er nur ausprobiert hat, vielmehr muss der Händler nachweisen, dass der Kunde mehr gemacht hat, als im Ladengeschäft möglich ist.
Hallo Herr Föhlisch,
wie sieht es denn bei “offenem” Tee aus, den der Kunde in einem Onlineshop bestellt. Die Packung ist nur durch einen Metallstab verschlossen, der sich leicht öffnen und schließen läßt. Kann der Kunde, nachdem er die Packung geöffnet und zB daran gerochen hat, zurücksenden? Ist doch eigentlich ziemlich unhygienisch und der Händler kann die zurückgesandte Packung eigentlich nur noch vernichten. Es möchte sicherlich kein Kunde eine Packung erwerben, die vorher in einem anderen Haushalt gewesen ist.
Gruß
Christopher
Zu geöffneten Lebensmitteln hat einmal das LG Dortmund entschieden: http://www.shopbetreiber-blog.de/2007/12/28/lg-dortmund-pauschal-100-wertersatz-bei-geoeffneten-nahrungsmitteln-unzulaessig/ Ob Tee, wenn er einmal geöffnet wurde, nicht mehr verkehrsfähig ist, wage ich zu bezweifeln. Zudem kann man bei einem Verschluss mit einem Klipp ja nicht feststellen, ob der Tee tatsächlich geöffnet wurde. Jedenfalls handelt es sich nicht um ein frisches Lebensmittel, das wegen Gefahr der Verderblichkeit ausgenommen wäre. Daher würde ich es nicht als zur Rücksendung ungeeignet ansehen. Rechtsprechung zu diesem konkreten Fall ist mir allerdings nicht bekannt.
Wie verhält es sich bei Tee der mit einem Klebestreifen verschlossen ist?
Bei einem Clip kann man öffnen und alles mögliche beimengen – wie soll man das wieder verkaufen können als Händler?
Man kann nicht nachvollziehen WAS da vielleicht beigemengt wurde was also ein enormes Risiko birgt und daher nicht zurückgenommen und wieder verkauft werden kann, richtig?
Anderes Beispiel: Kunde kauft Tee und holt das Paket nicht ab.
Die Lieferzeit ist 3 Wochen zum Kunden – die Rücksendung ebenfalls 3 Wochen da Ausland.
6 Wochen Reisezeit mit Temperaturschwankungen – evtl. Feuchtigkeit etc.pp.
Eignet sich solcher Tee dann zur Rücksendung oder nicht?
Ein Klebestreifen ist kein Siegel im Sinne dieser Vorschrift.
Die Nichtabholung eines Paketes gilt nicht als Widerruf. Schreibt der Kunde aber innerhalb der Frist eine Mail, in der er den Widerruf erklärt, ist das die wirksame Ausübung und der Händler muss den Kaufpreis erstatten.
Hallo!
Was versteht man denn unter …’Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten…’? Klar, Tageszeitungen, Fernsehzeitungen, usw. Aber warum zählt man dann Bücher nicht dazu? Um es mal reißerisch zu formulieren: In zwei Wochen hab ich ein Buch locker durch… Ist das nicht eine Nötigung zur Straftat durch das Gesetzt :))
Bsp: zum Fernabsatz einer elektrischen Zahnbürste gibt es lediglich nachstehende Widerrufs-Belehrung. Kann für die Rücknahme einer ausprobierten Zahnbürste in diesem Fall Wertersatz verlangt werden, obwohl ein Hygiene-Ausschluss… nicht genannt wurden?
Insbesondere: Für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung müssen Sie keinen Wertersatz leisten.
Widerrufsrecht Sofern Sie als Verbraucher handeln, können Sie Ihre Vertrags … durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt … und auch nicht vor Erfüllung unserer Informationspflichten gemäß § 312c Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1, 2 und 4 BGB-InfoV sowie unserer Pflichten gemäß § 312e Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 3 BGB-InfoV. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache. Der Widerruf ist zu richten an: xxx
Widerrufsfolgen Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z. B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. Bei der Überlassung von Sachen gilt dies nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung – wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre – zurückzuführen ist. Für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung müssen Sie keinen Wertersatz leisten.
Paketversandfähige Sachen sind auf unsere Gefahr zurückzusenden. Sie haben die Kosten der Rücksendung zu tragen, wenn die gelieferte Ware der bestellten entspricht und wenn der Preis der zurückzusendenden Sache einen Betrag von 40 Euro nicht übersteigt oder wenn Sie bei einem höheren Preis der Sache zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht die Gegenleistung oder eine vertraglich vereinbarte Teilzahlung erbracht haben. Anderenfalls ist die Rücksendung für Sie kostenfrei. Nicht paketversandfähige Sachen werden bei Ihnen abgeholt. Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen innerhalb von 30 Tagen erfüllt werden. Die Frist beginnt für Sie mit der Absendung Ihrer Widerrufserklärung oder der Sache, für uns mit deren Empfang. Ende der Widerrufsbelehrung
…mal im Ernst. Was denkt sich denn der Gesetzgeber bei der Differenzierung Zeitschrift / Buch? Ich würde das gerne verstehen.
kommt etwas spät diese Antwort aber ich habe es erst im Zusammenhang mit der Kosmetik-Urteil gelesen.
Hallo Herr Föhlisch
Betrifft Ihre Hinweis, dass Sie offener Tee nicht für eine Rücksendung ungeeignet ansehen und Second-hand Tee weiterverkauft werden kann.( die Tüte lag vieleicht schon auf dem Boden neben dem Hund…! alles möglich ) Da gibt es ein Urteil von 2001 vom Landgericht München 1, Az. 7O15564/01 die eine Rückgabe von offenem Tee ausschließt.
Wie sieht es den mit Kompressionsmiedern (nach z.B. Schönheits OPs).
Das anprobieren ist auch hier immer ein Thema,
Aber erschwerend kommt hier oft der unvermeidbare Kontakt mit den Genitalien, Blut etc zum tragen.
Also wie verhalten…?!
Teilweise treib das Wiederrusrecht einige Händler in den Ruin. Eine ausgepackte getragen Strumpfhose oder Strümpfe zurücknehmen solle klar im Gesetz geregelt sein. Wer möchte schon eine ausgepackte Strumpfhose im Internetbestellen und selber tragen. Außerdem gibt es viele Erkrankungen die auch dadurch übertragen werden. Wer trägt in so einem Fall das Risiko einer Erkrankung. Pilze Keime und vieles mehr können so übertragen werden. Genaugenommen können Händler solche Produkte nur Entsorgen.
Und wann passier da endlich gesetzlich was ? Es hat sich bisher kaum was getan, die Händler, vor allem die, die Unterwäsche und Erotikware verkaufen (und sowas wird im Internet recht gern eingekauft) sind immer noch irgendwie die Dummen…die Leute schicken alles mögliche “geprüft” zurück…
Frage an Ihnen; Unterwäsche – Unterhosen
Artikeln werden versiegelt mit den Hinweis;
Wir Bitten Sie nur ein Dessou Set, Unterhosen oder Body zur Anprobe, sollte dieser Artikel nicht passen, Bitten wir Sie das Sie keine weitere Anprobe durchzuführen.
Da Unterhosen oder wiederum Bodys mit Körperflüssigkeiten in Kontakt kommen – in den meisten fehlen ( im Online Versand kann man das Ja nicht richtig überprüfen wie in einen Geschäft ) aber wiederum mit einer Versiegelung sehr wohl vorbeugt inkl. mit einen Hinweis – dies ist aber auch kein Wettbewerbs Vorteil – meiner Meinung
Ganz allgemein kann ich Ihnen sagen, dass Unterwäsche nicht vom Widerrufsrecht ausgeschlossen ist. Eine Versiegelung der Ware spielt lediglich bei Datenträgern eine Rolle, nicht bei anderen Waren.
kann man eine maßgefertigt Perücke nach 3 wochen zuruck geben und eine Rückerstattung des bereits gezahlten Geld fodern
Habe meiner Frau BH und Slip bestellt über ein Online Shop .
Bei der Anprobe stellte Sie fest das die Ware zu groß und zu klein ausgefallen ist .
Verpackung Schachtel mit ein Kleber als Hygiene Siegel wurde beim öffen gebrochen.
Bei anschreiben des Online Shop weigert sich die Ware zurück zunehmen.
Greift das Gesetz $312 dort ….
Gruß Lorenz
Meiner Meinung nach fällt Unterwäsche nicht unter eine der Ausnahmen, sodass auch hier das Widerrufsrecht greift.
Bei Bekleidung ist das kein Problem die Ware zurück zu schicken aber bei Kosmetikprodukten ist das unmöglich, da Creme nach auf machen kann man sie nicht mehr verkaufen 🙂
Hallo, danke für dies informative Seite.
Ich habe bei einem Teeversand 1.) eine Probe 2 .) 250 gr 3.) 1500 gr von dem selben Tee bestellt.
1. und 2. waren zufriedenstellend. 3. war meiner Meinung nach abweichend und zwar von deutlich schlechterer Qualität.
Natürlich musste ich das verschweißte 1.500 kg Päckchen öffnen um durch Probieren die mindere Qualität fest zu stellen.
Der Verkäufer verweigert die Rückabwicklung der Lieferung von dem 1,5 kg Päckchen mit dem Hinweis das er den Tee nicht mehr verkaufen kann, da die verschweißte Verpackung von mir geöffnet wurde.
Allerdings konnte ich ohne Öffnen die Qualität der 1,5 Kg Lieferung, die von schlechter Qualität war imho nicht prüfen.
Ich habe die Sendung dann, trotz Weigerung des Verkäufers freigemacht zurück geschickt und hoffe per Trustet Shops mein Geld, ca. 110,00 € zurück zu bekommen.
Gruß E J
Tee kann durchaus unter eine der Ausnahmen fallen, sodass der Verkäufer hier Recht gehabt haben kann, dass Ihnen hier kein Widerrufsrecht zusteht.