Das zuletzt am 8.7.2004 geänderten Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) wird erneut grundlegend geändert. Es geht dabei vor allem um die Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie). Stichtag für die Umsetzung war eigentlich der 12. Dezember 2007. Umgesetzt haben aber bislang nur wenige EU-Staaten. Dennoch gilt die Richtlinie fast unbemerkt schon heute auch in Deutschland.

Alle EU-Mitgliedsstaaten sind seit dem 12.12.2007 verpflichtet, die Richtlinie anzuwenden und zwar im Weg einer “Vollharmonisierung”. Das bedeutet Rechtseinheitlichkeit bezüglich des Regelungsgehaltes der Richtlinie in der gesamten EU.

EU-weite Vollharmonisierung

Diese Einheitlichkeit hat wesentliche Auswirkungen auf unser Recht, da weitergehende deutsche Regelungen z.B. zum Verbot der Kopplung von Gewinnspielen und Warenabsatz damit schon heute nicht mehr gelten. Der BGH hat diese Frage zu einem Gewinnspiel des Discounters PLUS (“Ihre Millionenchance”) schon dem EuGH vorgelegt.

Die Richtlinie regelt insbesondere nicht den B2B-Bereich. Dies will der deutsche Gesetzgeber offenbar nutzen, indem einige Regelungen, die auf den Konsumentenschutz ausgerichtet sind, jetzt weitgehend auch für B2B Geltung beanspruchen. Mit dem gewählten “integrierten Ansatz” soll das Gleiche passieren, was der Handel auch bei der Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zu spüren bekam. Dort galten die zwei Jahre Gewährleistung plötzlich grundsätzlich auch im B2B.

Unlautere Geschäftspraktiken statt Wettbewerbshandlung

Der Begriff der Wettbewerbshandlung wird in der Reform ersetzt durch den Begriff der “Geschäftspraktiken”, weil es nicht mehr allein um Wettbewerb gehen soll, sondern vor allem auch um Konsumentenschutz. Der neue Begriff deckt jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden ab, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produktes an den Verbraucher zusammenhängt.

Damit wird anders als bislang ausdrücklich auch ein Verhalten des Unternehmers nach Vertragschluss, nachdem der Kunde schon gewonnen ist, einbezogen. Klare Folge schon jetzt in der Rechtssprechung ist der Umstand, dass rechtswidrige AGB ohne Rücksicht darauf abgemahnt werden können, ob Sie vorvertraglich im Wettbewerb um den Kunden wirken oder erst nach Vertragsschluss.

Neue Irreführungstatbestände

Auch § 5 UWG sieht jetzt vor, dass eine geschäftliche Handlung irreführend “ist”, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über sodann genannte Umstände enthält. Diese Umstände waren bislang nur als berücksichtigungsfähige Umstände im geltenden UWG genannt. Neu ist jetzt zudem, dass irreführende Angaben über “Vorteile”, “Risiken”, “Zubehör”, “Kundendienst und Beschwerdeverfahren”, die “betriebliche Herkunft”, den “Anlass des Verkaufs” und die “Beweggründe für die geschäftliche Handlung” oder die “Art des Vertriebs” zwingend unlauter sind.

Aufklärungspflicht über negative Testergebnisse?

Mit der Richtlinie hält ein irreführendes Handeln durch irreführendes Unterlassen Einzug. Unlauter handelt, wer einem Verbraucher eine Information vorenthält, die im konkreten Fall … für seine Fähigkeit, geschäftliche Entscheidungen aufgrund von Informationen zu treffen, wesentlich ist. (neuer § 5a Abs. 2 UWG). Bislang musste man Aufklärungsinformationen im Wesentlichen dann leisten, wenn man durch seine Angaben Raum für Irreführungen geschaffen hatte.

Angreifbar macht sich nach skandinavischem Vorbild, welches hier Pate stand, jetzt schon allgemein, wer in Angeboten wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung weglässt. Das kann bei engster Auslegung das negative Urteil von Stiftung Warentest sein, denn das ein Produkt beispielsweise als einziges mit “mangelhaft” bewertet wurde dürfte unstreitig zumindest eine für den informierten Kaufentschluss wesentliche Information sein.

Da es in § 3 Abs. 2 jetzt zudem heißt, dass “geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern jedenfalls dann unzulässig sind, wenn sie nicht der für den Unternehmer geltenden fachlichen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich auf Grund von Informationen zu entscheiden, spürbar beeinträchtigen” liegen diese Überlegungen tatsächlich nicht fern.

Wie weit gerade diese Pflichten gehen, müssen letztlich die Gerichte entscheiden, die schon heute diese Richtlinie auch in Deutschland anzuwenden haben.

Unterlassene Angaben: Katze in der Mikrowelle?

Ob Händler über die Irreführung durch Unterlassen die amerikanische Aufklärungspflicht darüber bekommen, dass “Katzen nicht in die Mikrowelle” gehören, darf jedenfalls überspitzt gefragt werden. Ebenso wird man bei Aldi & Co zu überlegen haben, ob damit darauf hingewiesen werden muss, von welchem Hersteller die Ware stammt.

Jedenfalls muss man sich – wird dieser Entwurf Realität – bei jeder Werbung fragen, ob und welche Angaben zu Risiken und Vorteilen oder zum Zubehör oder der betrieblichen Herkunft eine Information darstellen, die als wesentlich für die informierte Kaufentscheidung des Verbrauchers oder Geschäftspartners einzustufen sind. Das wird ein weites neues Feld für die Gilde der Abmahner und die Händler dürfen einmal mehr sicherstellen, dass sie die jeweils neuesten Urteile kennen. Seiten, wie www.shopbetreiber-blog.de werden daher sicherlich noch mehr Zuspruch finden und gehören schon jetzt zur Pflichtlektüre.

Informationen, Informationen, Informationen

Der UWG-Entwurf entleiht weitere Informationspflichten dem Fernabsatzrecht und nennt als wesentliche, sozusagen immer zu nennende Information bei konkreten Angeboten noch die Identität und Anschrift “einschließlich der Identität und Anschrift des Unternehmers, für den er handelt”. Diese Offenbarungspflicht zu den “Hintermännern des Geschäfts” geht allerdings viel weiter als bisher verlangte Angaben zu Vertretern.

Neben Endpreisen und Zusatzkosten (Fracht, Lieferung, Zölle etc.) und den “Zahlungs-, Liefer-, und Leistungsbedingungen hat man jetzt zu informieren über “ein Verfahren zum Umgang mit Beschwerden”. In § 5a Abs. 4 werden dann in einem Rundumschlag als wesentliche Informationsanforderungen für kommerzielle Kommunikation (also Werbung) “die auf Rechtsvorschriften zur Umsetzung gemeinschaftlicher Richtlinien oder auf gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen beruhen” einbezogen.

Damit sind alle EU-Richtlinien und die Gesetze ihrer Umsetzung mit ihren Info-Pflichten plötzlich ohne jede Möglichkeit, Bagatellfälle auszuschließen informationspflichtig, da sie als wesentlich “gelten” (§ 5a Abs. 3). Da hüpft das Herz des Abmahners, nachdem gerade Gerichte begonnen hatten, häufiger zu entscheiden, dass bestimmte Verletzungen als Bagatellfälle nicht verfolgbar sind. Das wird sich wieder ändern.

Nachahmungsschutz ausgedehnt

Der Schutz vor Nachahmungen wird stark ausgedehnt. Hersteller von Produkten, die anderen auch nur ähneln haben es in Zukunft schwerer und zwar EU-weit. Gleich an drei Stellen gehen die Regelungen auf den Nachahmungsschutz und damit verbundener irreführender Werbung ein. Näheres hierzu bei den Ausführungen zur “schwarzen Liste”.

Neue “Schwarze Liste”

Wichtigster Bestandteil der Richtlinie ist die “Schwarze Liste”. Die Idee dahinter: Diese Handlungen in der gesamten EU einheitlich und ohne Interpretationsspielraum verboten sein. Insgesamt 30 Tatbestände von der viel diskutierten Werbung, die sich an Kinder richtet über Gewinnchancen bei Gewinnspielen, die sich nicht durch Warenbezug erhöhen dürfen bis hin zu Angabe, dass der Arbeitsplatz oder Lebensunterhalt des Unternehmers gefährdet sei, wenn der Verbraucher die Ware nicht abnimmt, werden sanktioniert.

Für sämtliche Punkte gilt, dass die Beweislast beim Unternehmer liegt. Noch wichtiger: Die schwarze Liste gilt ebenfalls schon jetzt. Machen Sie sich mit den konkreten Inhalten vertraut. (Sie finden die Richtline hier).

Hier ein paar wichtige Beispiele für Sie:

Zu den irreführenden Geschäftspraktiken, die ausdrücklich untersagt sind, gehören:

  • Die Behauptung zu den Unterzeichnern eines Verhaltenskodex (z.B. Regeln eines Verbandes) zu gehören, obgleich dies nicht der Fall ist oder eine ungenehmigte Gütezeichenverwendung oder das falsche Vorspiegeln, die Regeln, denen man sich unterworfen hat, oder das eigene Verhalten oder die Waren und Leistungen seien öffentlich oder sonst genehmigt oder auch nur gebilligt. Hier wird Vorsicht bei selbst geschaffenen Testzertifikaten und Siegeln geboten sein. Abmahnfähig ist es danach auch, wenn jemand behauptet, er sei bei Trusted Shops, es aber nicht oder nicht mehr ist.
  • Ausdrücklich verboten werden auch Lockangebote, also Angebote, für die nicht genügender Vorrat vorhanden ist und bei denen hierüber nicht ausreichend aufgeklärt wird. Auch die falsche Behauptung, der Gewerbetreibende werde demnächst sein Geschäft aufgeben oder seine Geschäftsräume verlegen, obwohl er dies keineswegs beabsichtigt, ist nicht erlaubt.
  • Gerne zum Anreizen verwendet, aber streng verboten ist nach der “Giftküchenliste” die falsche Behauptung, dass das Produkt nur eine sehr begrenzte Zeit oder nur eine sehr begrenzte Zeit zu bestimmten Bedingungen verfügbar sein werde, um so den Verbraucher zu einer sofortigen Entscheidung zu verleiten, so dass er weder Zeit noch Gelegenheit hat, eine informierte Entscheidung zu treffen.
  • Kaum nachzuvollziehen ist die Aufnahme des Verbots zum Wechsel der Kommunikationssprache als “Todsünde”. Wurde vor Abschluss des Geschäfts in einer Sprache kommuniziert, bei der es sich nicht um eine Amtssprache des Mitgliedstaats handelt, in dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist und wird dann wird eine nach Abschluss des Geschäfts zu erbringende Leistung zugesichert, diese Leistung wird anschließend aber nur in einer anderen Sprache erbracht, ohne den Verbraucher zuvor aufzuklären, dann gilt das als irreführend.
  • Irreführend waren und sind Behauptung oder die sonstige Herbeiführung des Eindrucks, ein Produkt könne rechtmäßig verkauft werden, obgleich dies nicht der Fall ist. Hier dürften neue Einfallstore im UWG geschaffen werden, die bislang dem Markenrecht z.B. bei nicht erschöpfter Ware vorbehalten waren. Aber auch jeder Verstoß gegen das Elektroschrottgesetz oder die Kosmetikverordnung, die zur mangelnden Verkehrsfähigkeit führen, ist künftig unwiderlegbar eine abmahnfähige Todsünde.
  • Die Werbung mit Selbstverständlichkeiten wird in Ziffer 9 aufgegriffen. Danach ist es verboten, den unzutreffenden Eindruck auch nur zu erwecken, gesetzliche bestehende Rechte stellten Besonderheiten dar. Hier wird man auch die eigenen AGB darauf untersuchen müssen, ob dort lediglich gesetzeswiederholende Regelungen aufgeführt werden, die den Eindruck erwecken können.
  • Schon der Einsatz von redaktionellen Inhalten, die vom Unternehmer finanziert wurden und die sich als getarnte Werbung darstellen, ist untersagt. Damit können jetzt auch beliebte Werbemaßnahmen angegriffen werden: “Wir in der Presse”, wenn sich dann unter den zitierten Beiträgen solche redaktionellen (bezahlten) Werbebeiträge befinden.
  • Verboten bleibt das Aufstellen einer sachlich falschen Behauptung über die Art und das Ausmaß der Gefahr für die persönliche Sicherheit des Verbrauchers oder seiner Familie für den Fall, dass er das Produkt nicht kauft, wobei unklar ist, was alles zur persönlichen Sicherheit (auch die finanzielle?) gezählt werden muss.
  • Nachahmungsschutz: Unzulässig ist die Werbung für ein Produkt, das einem Produkt eines bestimmten Herstellers auch nur ähnlich ist, in einer Weise, die den Verbraucher absichtlich dazu verleitet, zu glauben, das Produkt sei von jenem Hersteller hergestellt worden, obwohl dies nicht der Fall ist. Hier wird augenscheinlich der Nachahmungsschutz beträchtlich ausgedehnt, wobei das Korrektiv bei der “Absicht” liegen wird, die vorliegen muss. Wenn Sie „Design-Produkte“ aus China beziehen, sollten Sie also schon heute sehr vorsichtig agieren. In unserer Praxis häufen sich bereits diese Fälle.
  • Auch sachlich falsche Informationen über Marktbedingungen (“nur bei uns erhältlich“) oder Bezugsquellen (“direkt vom Hersteller“) gehören zur “Giftküche” ebenso wie Gratisauslobungen, bei denen der Käufer doch noch weitere Kosten tragen muss.
  • Auch das Erwecken des Eindrucks durch den Unternehmer, als privater Anbieter oder Käufer unterwegs zu sein, ist ausdrücklich erwähnt. Ob dieses Verbot greift, wenn die Handlung zur Überführung von wettbewerbswidrigen Handlungen geschieht (Stichwort Testkäufe), muss man abwarten.

Fazit

Schon heute gilt die Richtlinie, obwohl sie in Deutschland noch nicht umgesetzt wird. Man muss sie praktisch in das UWG mit hineinlesen. Noch haben die Abmahner das nicht vollständig erfasst. Als Händler müssen Sie Ihr Augenmerk neben AGB und Widerrufsrecht auch auf ihre Angebotsgestaltung richten. Lassen Sie im Zweifel Verkaufsförderungsmaßnahmen (Gewinnspiele, Preisausschreiben, Sonderangebotsgestaltungen, Garantieauslobungen etc.) oder Werbebehauptungen von einem werberechtlich versierten Anwalt prüfen.

Über den Autor

RA Rolf BeckerAutor Rechtsanwalt Rolf Becker ist Partner der Rechtsanwälte WIENKE & BECKER (http://www.wienke-becker.de/) in Köln. Der Autor von Fachbüchern (Fernabsatzgesetz, Versandhandelsmanagement, Werbetexten, Kanzleiführung) und Fachartikeln (siehe auch http://www.versandhandelsrecht.de/) hat sich auf das Wettbewerbsrecht spezialisiert. Er berät auch zahlreiche Internetversandhändler.

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