Bei einer Reihe von Warengruppen ist bis heute nicht geklärt, ob sie vom Widerrufsrecht ausgenommen werden können oder der Händler “nur” einen Wertersatzanspruch hat, wenn der Kunde die Ware auspackt, in Gebrauch nimmt oder intensiv nutzt. Das AG Köln hat entschieden, dass Arzneimittel nicht von der Rückgabe ausgeschlossen seien. Es liege allein im Risikobereich des Versandapothekers, dass er das Medikament nicht mehr in Verkehr gebracht werden könne. In der juristischen Fachliteratur werden jedoch andere Ansichten vertreten.
Lesen Sie mehr über die Frage, ob Arzneimittel und weitere Produkte “zur Rücksendung ungeeignet” sind.
Im entschiedenen Fall verlangte die Klägerin nach Zurücksendung eines apothekenpflichtigen Medikaments den Kaufpreis in Höhe von 70,25 Euro zurück und beanspruchte anteiligen Ersatz der anrechnungsfähigen vorgerichtlichen Anwaltskosten.
Kunde kann vollen Kaufpreis zurück verlangen
Das AG Köln (Urteil vom 31. 5. 2007, Az.: 111 C 22/07) hat einen Anspruch der Klägerin aus §§ 312d, 356, 357, 346 BGB auf Zahlung von 70,25 Euro bejaht. Durch die Rücksendung des Medikaments seien gem. §§ 356, 357 BGB die Folgen des Rücktritts eingetreten und der Beklagte sei zur Rückzahlung des Kaufpreises verpflichtet.
Das Gericht gab der Kundin Recht, obwohl die Versandapotheke in den AGB darauf hingewiesen hatte, dass Arzneimittel gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB “nicht zur Rücksendung geeignet” sind:
„Die Klägerin war zur Rückgabe der Kaufsache gem. § 312d I BGB berechtigt. Dieses Recht ist nicht durch § 10 der AGB des Beklagten ausgeschlossen. Diese Ausschlussklausel ist gem. § 312f BGB unwirksam. Der Ausschluss ist nicht durch § 312d IV Nr. 1 BGB gedeckt.
Ein Medikament, ob apothekenpflichtig oder nicht, hat nicht eine besondere Beschaffenheit, die es zur Rücksendung ungeeignet macht, der einzigen Tatbestandsvariante, die vorliegend in Betracht kommt. Der Umstand, dass der Beklagte das Medikament möglicherweise nicht mehr in Verkehr bringen darf, liegt allein in dessen Risikobereich. Seine rein tatsächliche Beschaffenheit zur Rücksendung berührt diese nicht. …
Auch die vom Beklagten geäußerte Befürchtung, dass es vor der Versendung gefahrbringenden Manipulationen ausgesetzt ist, lässt es nicht als zur Rücksendung ungeeignet erscheinen. Dies ist beim Versendungskauf bei jeder Ware denkbar. Auch dieses Risiko trägt allein der Verkäufer.“
Nicht zur Rücksendung geeignet?
Die Apotheke wollte sich auf eine sehr schwammig formulierte Ausnahme vom Widerrufsrecht berufen, auf die viele Händler gern zurückgreifen wollen, die sich durch die Rücksendung ihrer Produkte unzumutbar belastet fühlen. Nach § 312d Abs. 4 Nr. 1, 3. Variante BGB sind Verträge über solche Waren vom Widerrufsrecht ausgenommen,
“die auf Grund ihrer Beschaffenheit für eine Rücksendung nicht geeignet sind”.
Nur leider liegt der Anwendungsbereich dieser Vorschrift weitgehend im Dunkeln. Nach der jetzigen Rechtslage ist strittig, ob z.B.
- getragene Unterwäsche oder Bademode,
- benutzter Piercingschmuck,
- angebrochene Cremes,
- ausgepackte Nasenhaarschneider,
- “getestetes” Bettzeug,
u. ä. grundsätzlich rückgabefähig sind. Klar ist lediglich, dass der Unternehmer Wertersatz geltend machen kann, wenn der Wiederverkaufswert aufgrund der (bestimmungsgemäßen) Nutzung herabgesetzt ist. Allerdings werden Zweifel geäußert, ob die Wertersatzregelung des § 357 Abs. 3 BGB mit Art. 6 Abs. 1 und 2 FARL vereinbar ist, d.h. ob die rechtliche Grundlage für den Wertersatzanspruch Bestand hat.
Wie sieht es aus mit geöffneten Kontaktlinsen?
Weitere Gerichtsentscheidungen zum Thema Arzneimittel sind nicht bekannt. Das OLG Hamburg hat allerdings mit Urteil v. 20.12.2006 (Az: 5 U 105/06) entschieden, dass Kontaktlinsen und zugehörige Pflegemittel, bei denen lediglich die Umverpackung geöffnet wurde, nicht vom fernabsatzrechtlichen Widerrufsrecht ausgenommen sind. Anders könne es sein, wenn die Blisterverpackung solcher Produkte geöffnet wurde.
Der Fall ist mit Arzneimitteln aber nicht ganz vergleichbar, weil Medizinprodukte wie Kontaktlinsen – anders als Arzneimittel – durchaus noch verkaufsfähig sein können, wenn etwa nur die Umverpackung fehlt.
Andere Ansichten zu Arzneimitteln
In der juristischen Literatur (z.B. Mand, NJW 2008, 190 und Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377) werden andere Ansichten als die des AG Köln vetreten. Demnach können Arzneimittel vom Widerrufsrecht ausgenommen werden, unabhängig davon, ob sie geöffnet wurden oder nicht.
Arzneimittel dürfen nach einer Rücksendung durch den Verbraucher aus Gründen der Arzneimittelsicherheit nicht ein zweites Mal in Verkehr gebracht werden, so dass sie wirtschaftlich für den sich sozial- und rechtskonform verhaltenden Unternehmer nicht mehr verwertbar wären.
Ein gesetzliches Verbot ergibt sich aus § 7b Abs. 2 S. 1 Betriebsverordnung für Arzneimittelgroßhandelsbetriebe (AMGrHdlBetrV), in dem es heißt:
„Handelt es sich bei den zurückgenommenen Arzneimitteln nach Angaben des Zurückgebenden um nicht verkehrsfähige Arzneimittel oder macht er keine Angaben zur Verkehrsfähigkeit, so sind diese als nicht verkehrsfähig kenntlich zu machen, abzusondern und der Vernichtung zuzuführen.“
Entsprechendes muss auch für Versandapotheken gelten, die an Verbraucher verkaufen. Denn bei privaten Endverbrauchern ist die fachgerechte Lagerung noch weniger gewährleistet als im Großhandelsbereich durch Apotheken. Insbesondere können sie keine verlässlichen Angaben zur Verkehrsfähigkeit der zurückgegebenen Arzneimittel machen.
Rücknahme für Apotheker unzumutbar
Für einen Ausschluss des Widerrufsrechts bei Arzneimitteln werden überdies von Professor Dr. Elmar Mand noch weitere überzeugende Gründe angeführt. Apothekenbetreiber unterliegen dem sogenannten Kontrahierungszwang (§ 17 IV ApoBetrO). Im Versandhandel, der nach § 11a Satz 1 Nr. 1 ApoG sogar vorgeschrieben ist, führt dies dazu, dass sie auch diejenigen Kunden beliefern müssen, die schon häufig oder sogar immer widerrufen haben, was eine unzumutbare Belastung darstellte.
Weiterhin ist der Verbraucher als Vertragspartner einer Versandapotheke nicht schutzwürdiger als Vertragspartner einer ortsansässigen Apotheke. Da Medikamente vom Arzt verordnet werden, hat der Verbraucher kein Auswahlermessen hinsichtlich des Wirkstoffs. Somit ist ein Irrtum hinsichtlich der georderten Ware, vor dem das Widerrufsrecht schützen soll, nahezu ausgeschlossen.
Hinweispflicht trotz unklarer Rechtslage
Es ist also derzeit noch ungeklärt, ob Arzneimittel zurückgenommen werden müssen oder nicht. Da Onlinehändler jedoch über das Nichtbestehen des Widerrufsrechtes aufklären müssen, empfiehlt sich ein allgemeiner Hinweis auf die Vorschrift des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen. (cf)
Ist zwar schon ein alter Beitrag, aber hier ein etwas spezieller Fall:
Ein Arzt ordert für seinen Praxisbedarf mit seinem Arztausweis ein Testosteronpräparat. Die Apothekenhilfe recherchiert im Computer und findet nur ein Dreimonatspräparat zu einem höheren dreistelligen Preis. Der Arzt bestellt, holt ab und stellt dann nach Prüfung des Beipackzettels, allerdings schon außerhalb der Apotheke fest, daß er das genaue Gegenteil seiner Order erhalten hat: einen Inhibitor. Am Folgetag bringt er das Medikament zurück und hört sich den üblichen Text an, also keine Rücknahme, kein Geld zurück.
Da der Fehler bei der Recherche durch die Apothekenhilfe entstanden ist und eine mangelhafte Lieferung vorliegt, ist m. E. der Vertrag nicht erfüllt. Selbst wenn die Apotheke das Medikament nicht mehr in Verkehr bringen darf, ist m. E. nicht einzusehen, weshalb sie den Betrag nicht erstatten muss. Der eigene Fehler ist Teil des unternehmerischen Risikos und sollte nicht auf Kunden abgewälzt werden können.
Immerhin haben Apotheker ein Monopol auf die Arzneimittelausgabe und müssten zur Art der Einnahme, etc. beraten, wobei der Fehler gleich hätte auffallen können. Auch dies wurde unterlassen.
Wie sehen Sie so etwas?
Der Sachverhalt hat nichts mit dem Widerrufsrecht zu tun, da es sich hier um eine gewerbliche Bestellung handelt, bei der das Widerrufsrecht nicht gilt. Erfüllung ist eingetreten, jedoch könnte der Arzt aufgrund der möglichen Falschlieferung Gewährleistungsansprüche geltend machen.
Heute wurde mir in einer Apotheke eine Salbe verkauft, zuhause stellte ich fest, dass die Tube angebrochen ist. In der Packungsbeilage steht, dass die Haltbarkeit der Salbe nach Anbruch 12 Wochen beträgt. Kann ich irgendwie die Arzneimittel umtauschen?
Was soll ich jetzt tun?
Bitte wenden Sie sich zunächst an die Apotheke. Ob hier ein Widerrufsrecht besteht, kann nicht ohne eine genaue Prüfung im Einzelfall gesagt werden. Aber es dürften hier daneben noch die Gewährleistungsrecht greifen.
Das ist echt traurig, wenn so etwas passiert und für den Kunden eine sehr unangenehme sache
Ich bestell mir meine Medikamente immer bei einer Versandapotheke (https://www.servusapotheke.at). Die nehmen, falls etwas nicht passt, sofort alles zurück und bezahlen sogar die Rücksendung.
Ich habe aber muss ich gestehen noch nie erlebt, dass eine generell eine Versandfirma ein schadhaftes Produkt nicht zurückgenommen hat!