Gegenstandswert fehlerhafter WiderrufsbelehrungenDas OLG Naumburg hat mit Beschluss v. 18.07.2007 (10 W 37/07) entschieden, dass ein Streitwert von 2.000 € für jeden Fehler der Widerrufsbelehrung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung angemessen sei. Obwohl dies deutlich mehr ist als andere Gerichte festlegten, scheint die Zeit exorbitanter Streitwerte bei fehlerhaften Widerrufsbelehrungen endlich vorbei zu sein.

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Im entschiedenen Fall stritten sich zwei Händler von Computerartikeln im Internet. Der Antragsgegner bot am 05. Februar 2007 über eine Internetplattform ein Computergehäuse an und verwandte dabei folgende Widerrufsbelehrung:

„Sie können die erhaltene Ware ohne Angabe von Gründen innerhalb von zwei Wochen durch Rücksendung der Ware zurückgeben. … Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt der Rechnung… .”

Die Antragstellerin hält diese Art der Widerrufsbelehrung für rechtswidrig, mahnte die Beklagte am 5. Februar 2007 ab und forderte sie auf, eine strafbewährte Unterlassungserklärung abzugeben. Da diese die Erklärung nicht abgab, hat die Antragstellerin am 19. Februar 2007 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Magdeburg erwirkt. Das Landgericht hat den Streitwert auf 15.000,– Euro festgesetzt. Hiergegen hat der Antragsgegner Streitwertbeschwerde gerichtet.

Die Festsetzung des Streitwertes richtet sich nach § 3 ZPO. Danach steht diese in freiem Ermessen des Gerichts:

„Maßgeblich für die Schätzung ist bei einer auf Unterlassung von Wettbewerbsverletzung gerichteten Klage das Interesse, das der Kläger an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße hat. Dieses Interesse wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit für den Wettbewerber an Hand des ihm drohenden Schadens … bestimmt. Dabei sind unter anderem die Unternehmensverhältnisse bei dem Verletzer und bei dem Verletzten …, die Intensität des Wettbewerbs zwischen beiden …, die Auswirkung zukünftiger Verletzungshandlungen … und die Intensität der Wiederholungsgefahr … zu berücksichtigen …

Ein gewichtiges Indiz für die Schätzung des Interesses nach den vorstehenden Grundsätzen bildet die Angabe des Streitwertes in der Klageschrift; denn diese Angabe erfolgt grundsätzlich noch unbeeinflusst vom Ausgang des Rechtsstreits.“

In Anwendung dieser Grundsätze sei es nach Ansicht des OLG Naumburg angemessen, für jeden Fehler der Widerrufsbelehrung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung einen Wert von 2.000 € zu Grunde zu legen:

„Durch die unzutreffende Widerrufsbelehrung ist die Antragstellerin in ihrer Marktposition betroffen, allerdings dürfte der Nachteil im Hinblick auf die unzutreffende Belehrung allein durch den Antragsgegner kaum spürbar sein.

Sind sich die Verbraucher über den Beginn und Länge der Widerrufsfrist im Unklaren, kann dies die Ausübung des Widerrufsrechts beeinträchtigen. Denn ein Verbraucher kann von der Ausübung des Widerrufsrechts durchaus deshalb absehen, weil er aufgrund der unzutreffenden Belehrung der Auffassung ist, die Widerrufsfrist sei bereits abgelaufen. Insoweit könnte sich der Unternehmer gegenüber anderen Wettbewerbern eine wirtschaftlich vorteilhafte Position verschaffen, weil er der Ausübung des Widerrufsrechts durch Verbraucher seltener ausgesetzt ist, als andere.

Bei der Vielzahl der Wettbewerber, die im Internet Computerartikel vertreiben, dürfte zwar eine unzutreffende Widerrufsbelehrung bei einem einzigen Mitwettbewerber für die Marktposition der Antragstellerin wohl kaum ins Gewicht fallen. Anders sieht es allerdings aus, wenn eine Vielzahl von Konkurrenten solche Belehrungen verwenden. Sähe man jeden Einzelfall als unerheblich im Sinne des § 3 UWG an, könnte sich der rechtstreue Mitbewerber gegen Verstöße nicht erfolgreich wehren. Durch die Summe der Einzelverstöße käme es dann jedoch zu einer spürbaren Benachteiligung.“

Nach Ansicht des OLG Naumburg gebiete es aber das Interesse der Allgemeinheit an der Befolgung der Verbraucherschutzbestimmungen, auch die Abmahnung von leichten Einzelverstößen zuzulassen:

„Der Gesetzgeber hat aber zum Schutz des Verbrauchers, wie § 8 Abs. 3 UWG zeigt, eine Konstruktion gewählt, die weitgehend von der persönlichen Betroffenheit des Klagenden absieht. Denn nicht nur Mitbewerbern werden die Unterlassungsansprüche nach dieser Vorschrift eingeräumt, sondern auch  Institutionen, die nicht am Markt teilnehmen. Der Mitbewerber macht daher mit seiner Klage nicht nur sein eigenes Interesse, sondern zugleich auch das Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der Verbraucherschutzbestimmungen geltend.“

Angesichts dieser Interessenlage seien 2.000,– Euro je Fehler der Widerrufsbelehrung in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung für aus zwei Gründen angemessen: Der – für Wettbewerbssachen – geringe Streitwert spiegele die geringe Betroffenheit in der Marktposition wieder. Er verhindere auch, dass das Recht zur Abmahnung als „Kampfmittel” zur Schädigung von Mitbewerbern eingesetzt werden kann. Durch eine noch weitere Herabsetzung des Streitwerts werde aber der Verbraucherschutz über § 8 UWG nicht mehr wirksam realisiert werden können. Denn kein Mitbewerber oder sonstiger Berechtigter werde abmahnen oder eine Unterlassungsklage erheben, wenn dies für ihn von vorn herein ein Verlustgeschäft bedeutete. (cf)

Siehe auch:

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