Multimedia und RechtIm Shopbetreiber-Blog haben wir mehrfach über die Unzulänglichkeiten der derzeitigen Musterwiderrufsbelehrung, die einschlägigen Gerichtsurteile, die politischen Aktivitäten, die Kritik der Wirtschaft und der Presse sowie den Entwurf einer Neufassung des Musters berichtet. Zu diesem Thema ist nun in der Dezemberausgabe der Zeitschrift “Multimedia und Recht” (Verlag C.H. Beck) das Editorial mit dem Titel “Endlich Rechtssicherheit im Fernabsatz durch die neue Muster-Widerrufsbelehrung?” erschienen.

Lesen Sie hier mehr über den aktuellen Stand in Sachen Musterwiderrufsbelehrung.

Nach Feststellungen des DIHK wurden zahlreiche Händler in der Vergangenheit für die Verwendung des Musters abgemahnt und unterlagen teilweise auch vor Gericht. Auch eine Studie von Trusted Shops aus dem April 2007 ergab, dass die Widerrufsbelehrung mit insgesamt 26% der häufigste Grund für eine Abmahnung war, die für die Hälfte der Befragten Kosten von über € 1.500,- verursachte.

Auch wenn jeweils das LG Kassel, LG Berlin, LG Hannover und LG Hamburg (NJW 2007, 3136) jüngst wieder der Ansicht waren, dass das BMJ die Ermächtigungsgrundlage des Art. 245 EGBGB nicht überschritten habe, hat der BGH, namentlich der Vorsitzende Richter des VIII. Zivilsenats Ball, doch zwischenzeitlich in mehreren mündlichen Verhandlungen, u.a. im Verfahren der Bertelsmann-Tochter inmediaOne (Az: VIII ZR 25/07) zum Ausdruck gebracht, dass die Muster in der derzeitigen Fassung unzulänglich sind und die Gerichte Verwerfungskompetenz haben.

Es ist zwar begrüßenswert, dass das BMJ nun nach fünf Jahren “der Kritik der Instanzengerichte und weitgehend auch des Schrifttums Rechnung” tragen und weitere wettbewerbsrechtliche Abmahnungen der Muster-Verwender vermeiden will (Diskussionsentwurf, S. 1). Das BMJ ist jedoch in einem Punkt über das Ziel hinausgeschossen und in einem anderen nicht mutig genug gewesen.

Nicht geglückt ist der Versuch, wegen des vollständigen Verzichts auf das umstrittene Wort “frühestens” umfassend über den Beginn der Widerrufsfrist zu informieren, indem der Unternehmer zum “Abdruck” zahlreicher Vorschriften verpflichtet wird. Die in einfachen Grundkonstellationen etwa 4 DIN A4 Seiten langen Belehrungstexte sind für Unternehmer unpraktikabel und für die Verbraucher intransparent. Ein solcher Text kann bei Teleshopping, Telefonverkäufen, M-Commerce, Katalogversandhandel, Bestellcoupons in Zeitschriften oder Bestellungen in Internetshops praktisch weder untergebracht noch gelesen werden und ist nicht “klar und verständlich” i.S.v. § 312c Abs. 1 BGB und § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Dies könnte zu mehr wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen als zuvor ermutigen, weil viele Unternehmer in individuellen Belehrungen Informationen zusammengefasst, vereinfacht oder unvollständig darstellen werden.

Ein weiteres Manko ist, dass die Muster nach wie vor nur in der BGB-InfoV privilegiert werden. Ein Amtsgericht könnte jederzeit einen neuen Fehler entdecken und die Musterbelehrung nach wie vor für unwirksam erklären. Angesichts uneinheitlicher Rechtsprechung und des “fliegenden” Gerichtsstands bei Wettbewerbsverstößen im Internet kann derzeit niemand mit der erforderlichen Gewissheit sagen, wie genau bestimmte Formulierungen in der Widerrufsbelehrung auszusehen haben, damit sie bundesweit vor den Gerichten Bestand haben, gleich ob es um die Darstellung des Fristbeginns oder der Rechtsfolgen (z.B. Hinsendekosten) geht.

Die Frist zur Einreichung von Stellungnahmen zum Diskussionsentwurf der neuen Musterbelehrung ist am 7. Dezember 2007 abgelaufen. Es bleibt abzuwarten, wann und in welcher Form das neue Muster nun beschlossen wird. Jedenfalls werden Händler wohl nicht gezwungen sein, noch mitten im Weihnachtsgeschäft ihre Texte umzustellen.

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