Bundesministerin Zypries hat gestern einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung der unerlaubten Telefonwerbung angekündigt. Nach der geplanten Neuregelung soll es künftig neben Bußgeldern für Cold Calls bis zu 50.000 € keinerlei Ausnahmen vom Widerrufsrecht gemäß § 312d Abs. 4 BGB geben, wenn der Vertrag telefonisch geschlossen wurde, so dass z.B. auch Maßanfertigungen zurückgegeben werden könnten. Verbraucherschützer hatten sogar gefordert, dass Verträge gar nicht mehr telefonisch geschlossen werden dürfen. Was sich noch ändern soll, lesen Sie hier.
Nach jüngsten Umfragen fühlten sich 86 Prozent der Bevölkerung durch unlautere Werbeanrufe belästigt, 64 Prozent der Befragten wurden in den letzten Monaten ohne Einwilligung von einem Unternehmen angerufen. Immer wieder komme es im Nachhinein zu Auseinandersetzungen über vermeintlich am Telefon abgeschlossene Verträge. Das soll sich nun ändern. Bundesjustizministerin Zypries erklärte zu den geplanten Neuregelungen:
„Wir werden es den Verbraucherinnen und Verbrauchern erleichtern, sich von Verträgen zu lösen, die sie am Telefon abgeschlossen haben. Unseriöse Firmen, die sich über das bestehende Verbot hinwegsetzen, müssen künftig damit rechnen, mit empfindlichen Bußgeldern belegt zu werden. Um der schwarzen Schafe der Branche besser habhaft zu werden, darf außerdem bei Werbeanrufen künftig die Rufnummer nicht mehr unterdrückt werden. Bei Verstößen drohen ebenfalls Bußgelder“.
Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung ist schon nach geltendem Recht ausdrücklich verboten. Sie stellt eine unzumutbare Belästigung nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb dar (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG). Wer diesem Verbot zuwider handelt, kann unter anderem von Mitbewerbern oder von Organisationen wie zum Beispiel den Verbraucherschutzverbänden auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Außerdem besteht ein Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Anrufer fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Bei vorsätzlichem Handeln sieht das UWG einen Anspruch auf Gewinnabschöpfung vor.
Unseriöse Firmen setzen sich aber zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher immer wieder über dieses Verbot hinweg und die Durchsetzung des geltenden Rechts stößt in der Praxis auf Schwierigkeiten. „Wir werden dagegen mit einem Maßnahmepaket vorgehen und so schnell wie möglich einen Gesetzentwurf vorlegen“, so die Ministerin.
Im Einzelnen ist vorgesehen:
- Verbraucherinnen und Verbraucher bekommen mehr Möglichkeiten, Verträge zu widerrufen, die sie am Telefon abgeschlossen haben. Verträge über die Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten sowie über Wett- und Lotteriedienstleistungen können künftig wie andere Verträge, die Verbraucher im Wege des sogenannten Fernabsatzes über das Telefon geschlossen haben, widerrufen werden. Unerlaubte Telefonwerbung wird besonders häufig bei den genannten Waren und Dienstleistungen genutzt, um Verbraucher zu einem Vertragsabschluss zu bewegen. Bislang gibt es hier kein Widerrufsrecht (§ 312d Abs. 4 BGB). Diese Ausnahmen sollen für telefonisch geschlossene Verträge beseitigt werden, so dass die Verbraucher auch solche Verträge widerrufen können. Es wird für das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht darauf ankommen, ob der Werbeanruf unerlaubt war. Die geplante Regelung ermöglicht es dem Verbraucher, an dem Vertrag festzuhalten, wenn er dies möchte. Durch den fristgerechten Widerruf ist der Verbraucher an seine Vertragserklärung nicht mehr gebunden, braucht den Vertrag also nicht zu erfüllen. Die Widerrufsfrist beträgt abhängig von den Umständen des Einzelfalles zwei Wochen oder einen Monat und beginnt nicht, bevor der Verbraucher eine Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform erhalten hat.
- Verstöße gegen das bestehende Verbot der unerlaubten Telefonwerbung in § 7 Abs. 2 UWG werden künftig mit einem Bußgeld bis zu 50.000 Euro geahndet werden können. Außerdem wird im Gesetz klargestellt, dass ein Werbeanruf nur zulässig ist, wenn der Angerufene dem Anrufer gegenüber vorher ausdrücklich erklärt hat, Werbeanrufe erhalten zu wollen. So wird verhindert, dass sich Anrufer auf Zustimmungserklärungen berufen, die der Verbraucher in einem anderen Zusammenhang oder nachträglich erteilt hat.
- Bei Werbeanrufen gegenüber Verbrauchern darf der Anrufer künftig seine Rufnummer nicht mehr unterdrücken, um seine Identität zu verschleiern. Viele unerwünschte Werbeanrufe werden nicht verfolgt, weil sich nicht feststellen lässt, wer angerufen hat. Denn die Unternehmen machen in der Regel von der Möglichkeit Gebrauch, ihre Rufnummer zu unterdrücken. Ein entsprechendes Verbot soll im Telekommunikationsgesetz (TKG) vorgesehen werden. Bei Verstößen gegen das Verbot der Rufnummernunterdrückung droht ebenfalls ein Bußgeld.
Zypries betonte, der Bundesregierung sei die wirtschaftliche Bedeutung des seriösen Fernabsatzhandels in Deutschland sehr bewusst:
„Verbraucherinnen und Verbraucher gehen zunehmend dazu über, Waren und Dienstleistungen telefonisch oder über das Internet zu bestellen. Damit dies auch weiterhin möglich bleibt und nicht durch unpraktikable Regelungen belastet wird, müssen wir die Interessen von Verbrauchern und Unternehmern berücksichtigen. Nicht alle derzeit diskutierten zivilrechtlichen Vorschläge werden dem gerecht“.
Zypries appellierte schließlich an die Bedeutung der Eigenverantwortung der Wirtschaft und der Verbraucherinformation für die Bekämpfung der unerlaubten Telefonwerbung:
„Kein seriöses Unternehmen kann ein Interesse daran haben, mit unlauteren oder künftig ordnungswidrigen Geschäftspraktiken in Verbindung gebracht zu werden. Ich begrüße es deshalb, dass die Callcenter-Betreiber in Deutschland eine zentrale Beschwerdestelle schaffen wollen, um konsequenter gegen schwarze Schafe der Branche vorgehen zu können. Außerdem müssen wir die Verbraucherinnen und Verbraucher noch besser über Beschwerdemöglichkeiten informieren. Denn letztlich sind es allein die Angerufenen, die über den Sachverhalt Auskunft geben können und die die erforderlichen Nachweise liefern können, damit unerlaubte Telefonwerbung wirksam geahndet werden kann“, sagte die Ministerin.
Nähere Informationen zum Thema sind auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz erhältlich.
Quelle: Pressemeldung des Bundesjustizministeriums
Verbraucherschützer hatten keineswegs gefordert, dass Verträge nicht mehr telefonisch geschlossen werden können. Niemand will an dem Grundsatz rütteln, dass die meisten Verträge keiner besonderen Form bedürfen, also auch mündlich abgeschlossen werden können. Es geht einzig um Vertragsschlüsse, die im Rahmen von rechtswidrigen Werbeanrufen stattfinden. Den Werbern sollen also zusätzliche Steine in den Weg gelegt werden, wenn sie ohne Einwilligung der Betroffenen Telefonwerbung betreiben. Allein die Schaffung eiens Bußgeldtatbestandes genügt hierzu nicht. Bereits jetzt sind wir bei vielen Unternehmen so weit, dass sie für ihre Werbung zahlen müssen (Ordnungsgelder oder Vertragsstrafen) und dennoch halten sie an dieser Werbeform fest. Soweit hinsichtlich des Widerrufsrechts zwei Ausnahmetatbestände gestrichen werden sollen, ist das zwar begrüßenswert, hilft für das Problem der Telefonwerbung aber auch nur bedingt. Die meisten Verträge (bzw. häufig auch nur angeblichen Verträge), um die es hier geht, sind keine Zeitschriften- oder Lottoverträge.
Und abschließend noch ein Hinweis: die Ausnahmetatbestände des § 312d Abs. 4 BGB sollen nicht vollständig gestrichen werden, sondern nur die in Nr. 3 und Nr. 4. Dies dann aber auch unabhängig davon, ob der Vertrag im Rahmen eines wettbewerbswidrigen Anrufs geschlossen wird.
Da hatte ich wohl die Aussage von Günter Wallraff unter http://www.presseportal.de/pm/6511/1009548/phoenix mit der Aussage des vzbv verwechselt. Zumindest kommt Herr Wallraff ja auch in dieser Meldung zu Wort http://www.vzbv.de/go/presse/916/5/24/index.html. Dass nur bestimmte Ausnahmen des § 312d Abs. 4 für telefonische Veträge nicht gelten sollen, geht aus der BMJ-Meldung nicht hervor. Es soll also nur für Zeitschriften und Lotteriedienstleistungen gelten und dann aber für alle Fernabsatzverträge? Gibt es hierzu eine Quelle?
Wie auch immer: ich bin selbst Opfer von zahlreichen unerwünschten Anrufen durch Maschinen oder Tele2 und begrüße daher den Vorstoß ausdrücklich.
Ist es nicht verboten Telefonwerbung ohne zustimmung der Personen zu machen?
Ja, Herr Walraff hat an der zu der Meldung gehörenden Pressekonferenz teilgenommen.
Die Pressemeldung des BMJ ist ein wenig missverständlich formuliert. Aber eigentlich lässt es sich dieser auch schon entnehmen. In dem Abschnitt, in dem es um die Beseitigung der Ausnahmetatbestände geht, wird nur von den Lotto- und Zeitschriftenverträgen gesprochen. Verwirrend wird das Ganze nur deswegen, weil sie den § 312d Abs. 4 BGB komplett erwähnen.
Zitat: “Verträge über die Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten sowie über Wett- und Lotteriedienstleistungen können künftig wie andere Verträge, die Verbraucher im Wege des sogenannten Fernabsatzes über das Telefon geschlossen haben, widerrufen werden. Unerlaubte Telefonwerbung wird besonders häufig bei den genannten Waren und Dienstleistungen genutzt, um Verbraucher zu einem Vertragsabschluss zu bewegen. Bislang gibt es hier kein Widerrufsrecht (§ 312d Abs. 4 BGB). Diese Ausnahmen sollen für telefonisch geschlossene Verträge beseitigt werden, so dass die Verbraucher auch solche Verträge widerrufen können. Es wird für das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht darauf ankommen, ob der Werbeanruf unerlaubt war. “
Aber dennoch ist davon die Rede, dass die Ausnahmen für “telefonisch geschlossene” Verträge beseitigt werden sollen. Eine Beseitigung auch für online geschlossene Verträge wäre ja etwas kontraproduktiv, wenn man eine weitere Harmonisierung der Rechtsordnungen in den EU-Mitgliedsstaaten erreichen will. Hier sollte man doch eher auf europäischer Ebene ansetzen und im Zuge der Konsultation über die Fernabsatzrichtlinie den Ausnahmenkatalog überarbeiten. Sonst wird der grenzüberschreitende Handel noch komplizierter, als er ohnehin schon ist. Hier will Frau Zypries doch Vereinheitlichungen erreichen, oder?
@Dennis: Ja, Telefonwerbung ohne Einwilligung ist gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG verboten (siehe oben im Beitrag)
Mir ist nichts dazu bekannt, dass die Ausnahmetatbestände für alle Fernabsatzvarianten beseitigt werden sollen. Es geht nur um telefonische Verträge – da allerdings unabhängig davon, ob der Werbeanruf nun rechtswidrig war oder nicht.
Ich finde diese ganze Diskusion kann für die deutsche Wirtschaft auch ein Schuß nach hinten sein….
Jetzt fängt man an den b2c Bereich zu beschneiden und irgendwann auch den b2b Sektor.
Telefonischer Vetrieb fängt bei der Vorstellung eines Produktes an und hört beim Verkauf oder einem Vor-Ort-Termin auf. Das Telefon ist eines der wichtigesten Marketinginstrumente in Deutschland. Die Kontaktaufnahme im B2B Bereich über das Telefon ist das Kettenfett welches unsere Kapitalismus-Maschine funktionieren lässt! Konstantes Wachstum eines Unternehmens ist nur möglich bei steigenden Verkaufszahlen. …
Ich finde das sehr gut, dann werde ich in Zukunft vielleicht keine Anrufe mehr von 1&1 bekommen.