Rote KarteUnter Anwälten ist es weit verbreitet, im Auftrag des Mandanten abzumahnen, ohne vorher vom Mandanten die Kosten für dieses Tätigwerden zu verlangen. Zwar besteht gegen den Abgemahnten bei berechtigten Abmahnungen ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Ist bei dem Rechtsverletzer jedoch nichts zu holen, bleibt der Abmahner auf seinen eigenen Anwaltskosten sitzen. Bei Vielfachabmahnungen übersteigen diese häufig den Jahresumsatz um ein Vielfaches. Das LG Heilbronn entschied nun mit Urteil vom 23.4.2007 (8 O 90/07 St), dass eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich im Sinnne v. § 8 Abs. 4 UWG ist, wenn sie durch einen Anwalt erfolgt, der explizit mit kostenneutralen Abmahnungen von eBay-Verkäufern wirbt und der Umfang der Abmahnungen dann in keinem Verhältnis zu den Umsätzen des Abmahnenden steht.

Im entschiedenen Fall mahnte ein eBay-Händler einen Konkurrenten wegen angeblich unrichtiger Informationen über das Widerrufsrecht ab. Der Abgemahnte belehrte bei Verkäufen über eBay über ein zweiwöchiges Widerrufsrecht und hielt dies für zutreffend, da ein bei eBay eingestelltes Angebot im Nachhinein nur noch sehr eingeschränkt veränderbar sei. Daher werde dem für die zweiwöchige Frist erforderlichen Textformerfordernis genügt. Es sei zu einer hinreichenden Mitteilung der Widerrufsbelehrung an den Verbraucher in Textform gekommen, und zwar nicht erst nach dem Vertragsschluss, sondern bei Vertragsschluss. Weiterhin vertrat der abgemahnte Händler die Auffassung, dass die Geltendmachung eines etwaigen Unterlassungsanspruchs rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG und damit unzulässig sei. Der Anwalt des Klägers hatte unter einem Pseudonym bei eBay kostenneutrale Abmahnungen von eBay-Verkäufern angeboten. So sei es zu mehr als 50 wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen gekommen, die in keinem Verhältnis zum Umfang des Gewerbes des Abmahners standen.

Das Gericht gab dem Abgemahnten Recht und wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Zwar sei die beanstandete Widerrufsbelehrung in der Tat unvollständig und damit wettbewerbswidrig, es handele sich jedoch um eine rechtsmissbräuchliche und damit unzulässige Abmahnung.

Es sei zwar möglich, dass auch bei Verkäufen über eBay bereits bei Vertragsschluss in Textform über das Widerrufsrecht belehrt wird, nämlich dann, wenn der Verbraucher den im Internet gespeicherten Text tatsächlich herunterlade. Es sei aber auch nicht ausgeschlossen, dass es erst nach Vertragsschluss zur Mitteilung der Widerrufsbelehrung komme, so dass die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 S. 2 BGB einen Monat beträgt. Eine “Mitteilung” in Textform setze voraus, dass dem Verbraucher ein Exemplar der Belehrung verbleiben muss. Dies sei nicht der Fall, wenn der Verbraucher eine im Internet bereitgehaltene Belehrung nicht tatsächlich auf seinen Computer herunterlade. Das bloße Aufrufen die Internetseite genüge ebenso wenig wie die Speicherung des Textes im so genannten Cache des Browsers. Daher sei die Widerrufsbelehrung über eine zweiwöchige Frist nicht richtig.

Allerdings könne der abmahnende Händler keinen Unterlassungsanspruch geltend machen, da dies nach den Gesamtumständen rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig sei. Dies ergebe sich aus folgenden Erwägungen:

“a) Die Verfügungsbekl. hat insb. glaubhaft gemacht, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungskl. seit dem 27.3.2006 in einem Forum bei eBay unter dem Pseudonym „…“ kostenneutrale Abmahnungen von eBay-Verkäufern anbietet. …

b) Nach den Gesamtumständen liegt es nahe, dass die vom Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungskl. für diese geführten Abmahnverfahren, auch das streitgegenständliche, auf dessen offensive Abmahnwerbung zurückzuführen sind. Hierfür spricht der zeitliche Zusammenhang zum Internetangebot des Verfahrensbevollmächtigten v. 27.3.2006 und die relativ große Zahl von mehr als 50 Abmahnverfahren seit diesem Zeitpunkt. … Dem dürfte … bei 5.362 Bewertungen für den Onlineshop der Verfügungskl. im vergleichbaren Zeitraum angesichts deren Angebotspalette im Billigpreissektor eine eher geringfügigere wirtschaftliche Tätigkeit gegenüberstehen. Hinzu kommt, dass jedenfalls die streitgegenständliche Problematik zumindest aus Sicht eines Wettbewerbers eher als „spitzfindig“ beurteilt werden dürfte und wohl nur von einem einschlägig fachkundigen Juristen bemerkt und festgestellt werden konnte. Entsprechend ist der Wettbewerbsverstoß der Verfügungsbekl., auch wenn Verbraucherinteressen berührt werden, als nicht besonders gravierend einzustufen. Dies alles spricht dafür, dass die Initiative hinsichtlich der für die Verfügungskl. geführten Abmahnverfahren vorrangig aus anwaltlichem Gebühreninteresse von deren Verfahrensbevollmächtigten ausgegangen ist. Die Verfügungskl. hat trotz gerichtlicher Nachfrage nichts Gegenteiliges zu den Umständen der Mandatserteilung an ihren Verfahrensbevollmächtigten vorgetragen.”

Die Entscheidung des Landgerichts Heilbronn ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Erstens setzt das Gericht die Reihe erfreulicher Gerichtsentscheidungen fort, in denen Abmahnungen von Internethändlern kritisch unter die Lupe genommen werden und von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit des § 8 Abs. 4 UWG konsequent Gebrauch gemacht wird. In der Vergangenheit hatten zum Beispiel auch das Landgericht Bielefeld und das Landgericht München Vielfachabmahnern einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auch in diesem Fall war offensichtlich, dass es dem Anwalt in erster Linie um die Geltendmachung von Kosten und nicht um die Beseitigung von Wettbewerbsverstößen ging. Neben dem Missbrauchsargument begründet das Gericht seine Entscheidung zudem mit der geringen Beeinträchtigung von Verbraucherinteressen.

Zweitens schließt sich das Gericht nicht der Auffassung des Kammergerichts Berlin und des dritten Zivilsenates des OLG Hamburg an, wonach die Widerrufsfrist bei eBay stets einen Monat betrage. Vielmehr folgt das Landgericht Heilbronn der Auffassung des Landgerichts Flensburg und des OLG Schleswig sowie weiteren Gerichten und Rechtsgelehrten, dass das Textformerfordernis auch gewahrt sein kann, wenn eine Belehrung zum Download bereitgehalten wird. Andere Gerichte, zum Beispiel der fünfte Zivilsenat des OLG Hamburg, begründen die zweiwöchige Frist auch bei eBay-Verkäufen mit einer systematischen Vorrangigkeit der Paragraphen 312c Abs.2 BGB gegenüber den Paragraphen 355 ff. BGB, so dass eine Belehrung in Textform erst spätestens mit der Warenlieferung erfolgen muss, um die zweiwöchige Frist zur Anwendung zu bringen.

Bleibt zu hoffen, dass weitere Gerichte sich den Argumenten des Landgerichts Heilbronn anschließen. Jedenfalls werden die Karten in Sachen angeblicher Monatsfrist bei eBay und missbräuchlichen Abmahnungen neu gemischt. (cf)

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