Der durch eine Vielzahl zweifelhafter Abmahnungen in Erscheinung getretene Schweizer Verein “Ehrlich währt am längsten” gibt auf. Auf der Vereinswebsite heißt es dazu:

“Gegen bereits Abgemahnte werden keine weiteren Rechtsmittel eingeleitet. Der Verein Ehrlich währt am längsten hat seine Tätigkeiten eingestellt. Die Homepage wird in Kürze geschlossen und der Verein liquidiert.”

Bereits vor einiger Zeit wurde der Vereinspräsident Peter Wagner in Untersuchungshaft genommen, und der Anwalt des Vereins legte sein Mandat nieder. In einem bislang beispiellosen Ausmaß hatte der Verein offenbar (teilweise mit Erfolg) versucht, das deutsche Abmahnungsrecht zu missbrauchen und massenhaft Abmahnungen an eBay-Seller und Online-Shops verschickt.

Wie hoch der angerichtete Schaden ist, steht noch nicht fest. Schätzungen zufolge haben mehrere hundert Händler die geforderte Abmahnpauschale in Höhe von 146,16 € an den Verein bereits gezahlt, und mehreren tausend Händlern sind Kosten für die eigene Rechtsberatung und Rechtsverteidigung entstanden.

Unterdessen sieht Bundesjustizministerin Zypries keinen Anlass, missbräuchliche Abmahnungen zu bekämpfen. Im Zuge des neuen Urheberrechts werden lediglich die Anwaltskosten bei Abmahnungen gedeckelt, die sich an Privatpersonen wegen Urheberrechtsverletzungen richten (z.B. Songtexte auf privaten Websites Jugendlicher). Besonders pikant ist dies vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über die amtliche Musterwiderrufsbelehrung. Obwohl mehrere Gerichte das Muster für unwirksam und damit abmahnfähig erklärt hatten, sieht die Bundesregierung keinen Änderungsbedarf. Somit begünstigen die Ministerialbeamten, die nicht geschafft haben, was sie einem Kleingewerbetreibenden abverlangen, durch mangelhafte Arbeit Abmahnungen von Online-Shops, ohne den Missbrauch einzudämmen.

Händler, wie sie vom Verein “Ehrlich währt am längsten” missbräuchlich abgemahnt werden, sind weiterhin darauf angewiesen, sich kostenpflichtig gegen den Missbrauch zu verteidigen und bleiben in der Regel auf ihren eigenen Anwaltskosten sitzen. Das Amtsgericht Itzehoe hatte dem Verein sogar zunächst Recht gegeben und eine einstweilige Verfügung erlassen, die der Verein für seine weiteren Aktivitäten ausnutzte. Der Missbrauchsnachweis war trotz einer starken Online-Gemeinschaft, zahlreichen Informationsseiten und kritischer Medienberichterstattung nur mit erheblichen Schwierigkeiten zu führen.

Vor diesem Hintergrund wird wird das Abmahnunwesen auch im Jahr 2007 florieren wie nie zuvor, ohne dass Betroffene eine einfache Möglichkeit haben, dagegen vorzugehen. Unlängst hat das Kammergericht Berlin wieder einmal das amtliche Muster des Bundesjustizministeriums für die Widerrufsbelehrung in Frage gestellt und damit den nächsten Abmahnern eine Steilvorlage geliefert. Auch das OLG Frankfurt öffnet mit einer aktuellen Entscheidung dem Abmahnungsmissbrauch Tür und Tor. (cf)

Siehe auch:

Abmahnwelle durch zweifelhaften Verein “Ehrlich währt am Längsten”

Umstrittene Abmahnungen durch Verein “Ehrlich währt am Längsten” dauern an

LG Oldenburg: Verein “Ehrlich währt am längsten” ist nicht abmahnberechtigt

Abmahnungen sollten keinesfalls ignoriert werden – Interview mit RA Föhlisch

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